Sanft schwappen die Wellen des Mains gegen das Ufer, die Lichter Kitzingens spiegeln sich auf einer fast glatten Oberfläche. Alle paar Meter erhellen Laternen den schmalen Uferweg. Aber die reizvollsten Plätze liegen an diesem Abend nicht im warmgelben Promenadenlicht. Es sind die dunklen Ecken im Hinterland, die junge Nachtschwärmer magisch anziehen. Man könnte glauben, sie hätten ihr Terrain ohne große Worte – einer natürlichen Ordnung folgend – unter sich abgesteckt. Jeder dieser Orte hat seinen Charme, aber jeder dieser Orte verleitet auch dazu, die Nacht ein bisschen zu ausgiebig, ein wenig zu laut zu feiern. Deshalb ist hier jetzt zur Abwechslung eine gemischte Streife unterwegs.
Vor einigen Wochen ist die Lage am Main eskaliert
Alles wirkt friedlich am vergangenen Freitagabend auf dem Kitzinger Gartenschaugelände. Vor einigen Wochen ist die Lage dort eskaliert, als eine aufgekratzte Menge von etwa 100 Menschen über die Stränge schlug. Im Polizeibericht hieß es später von dieser Nacht, zehn Personen hätten sich dem Platzverweis der Beamten widersetzt. Es kam zu Tritten und Schlägen, drei Personen wurden für Stunden in Gewahrsam genommen und wegen Körperverletzung angezeigt – der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die sich hier in den Wochen zuvor aufgestaut hatte. Immer wieder riefen Anwohner in der Nacht die Polizei, beschwerten sich über Lärm und laute Musik. Hinzu kamen die Hinterlassenschaften der nächtlichen Umtriebe: zersplitterte Flaschen, leere Pizzakartons, durchweichte Pappbecher. „Ich bin erschrocken, als ich neulich in der Früh über das Gelände lief“, sagt Kitzingens Oberbürgermeister Stefan Güntner.
Es ist kurz nach 21 Uhr, als Güntner an diesem Abend mit seinen Bürgermeisterkollegen Astrid Glos und Manfred Freitag über das weitläufige Areal streift. Begleitet wird das Trio von Kitzingens Polizeichef Markus Hack, dessen Stellvertreter Armin Fuchs, einem Kollegen und einer Kollegin. Wo immer sie auftauchen, welchen Winkel sie auch ausleuchten – der Respekt ihnen gegenüber ist groß. Dabei geht es ihnen gar nicht darum, Autorität zu demonstrieren, strenge Belehrungen oder gar Sanktionen auszusprechen. Sie wollen mit den Jugendlichen, unter ihnen viele Migranten und Flüchtlinge, ins Gespräch zu kommen. Was bewegt diese? Sind sie sich des Problems überhaupt bewusst?
Auf dem Parkplatz begegnen sie drei jungen Männern und einer Frau, die um einen Porsche mit rotem Nummernschild stehen. Die Frau ist schwanger. „Wann kommt das Baby?“, fragt Astrid Glos. „In drei Wochen“, erwidert die Frau. Die Polizisten schildern ihr Problem: dass die Musik hier bisweilen zu laut sei und immer wieder Müll auf der Straße liege. „Wir sind die einzigen, die ihren Müll aufräumen“, sagt einer der Jungs. Und: „Ich hätte einen Verbesserungsvorschlag: mehr Mülleimer. In jeder Parkreihe einer.“ Derzeit sind es nur zwei für den gesamten Parkplatz. Der Porsche-Fahrer sagt: „Die jungen Leute sind zu faul, ihren Dreck zu diesen wegzubringen.“ Astrid Glos möchte den Vorschlag mit in den Stadtrat nehmen.
Ein Mofa-Fahrer schießt unter der Brücke hervor
Als Polizisten und Bürgermeister den Brückenbogen durchschreiten, parkt dort eine schwarze Limousine, besetzt mit drei jungen Leuten. Durch die geöffneten Fenster dringt Musik. „Wissen Sie, warum wir Sie ansprechen?“, fragt Armin Fuchs. Der Fahrer schüttelt den Kopf. Er hat das Durchfahrt-verboten-Schild oben am Brückenbogen nicht gesehen. Wie auch ein Mofa-Fahrer, der kurz zuvor aus dem Gartenschaugelände geschossen kam. Offenbar hängt das Schild zu hoch. Noch ein Auftrag an die Stadt. Auf einer Bank am Ufer sitzen zwei Teenager, vielleicht 16, 17 Jahre alt. Sie wohnen auf der anderen Mainseite und kommen ab und zu hierher zum Spazierengehen und zum Unterhalten. „Da vorne wird immer viel getrunken“, sagt einer und deutet in Richtung des Holzstegs am Ufer. „Die spielen dann verrückt.“
Stefan Güntner sagt, er habe nichts dagegen, wenn junge Menschen sich hier treffen und Spaß haben, gerne auch abends oder nachts. Aber an ein paar Regeln müssten sie sich schon halten: keine exzessiven Feiern, keine laute Musik und den Platz nicht zumüllen. „Das Gartenschaugelände gehört allen Kitzingern, und mangelnde Sauberkeit ist etwas, was die Menschen bewegt.“ Mehr als 300 000 Besucher tummelten sich hier im Jahr 2011 während der Kleinen Gartenschau. Für Wochen und Monate war es ein Ort unbeschwerter Lebenslust – und der Beweis dafür, dass Kitzingen doch hin und wieder Großes bewegen kann. Auch nachdem der Sommer vergangen und die Blumen verblüht waren, sollte es ein Ort für alle bleiben, eine Einladung an die Gemeinschaft, sich zu treffen, zu entspannen und sich zu erholen.
Ein krimineller Hotspot ist das Gelände nicht
Dabei ist das Gelände ein Ort des Wandels, der zu jeder Zeit seine Besucher hat. Am Tag sind es Spaziergänger und Radfahrer, gegen Abend Familien und Jogger. Zur blauen Stunde mischt sich das Publikum: Die Familien ziehen sich zurück, junges Partyvolk erobert das Terrain – bis weit in die Nacht. Ja, es komme zu nächtlichen Ruhestörungen, sagt die Polizei. Da Weinfeste und Konzertveranstaltungen abgesagt sind, Diskotheken und Clubs noch immer geschlossen haben, suchen die Menschen nach Ersatzwelten. In München sind es die Isar-Auen, in Berlin ist es der Wannsee und in Kitzingen eben der Main. Aber von kriminellen Hotspots zu reden, das geht dann selbst der Polizei zu weit.
Später am Abend zeigt sich, wie viel Leben diesem Gelände tatsächlich innewohnt. Wie auf kleinen Inseln sitzen die jungen Leute gruppen- oder grüppchenweise zusammen: im Gras, auf Bänken, unter Bäumen, hinter Büschen. Ein Dutzend Schüler feiert vor einem Pavillon ihren Abschluss – mit Wein, aber auch manchem Hochprozentigen. Weil sie noch keine 18 sind, lässt Erster Polizeihauptkommissar Fuchs sie zwei Flaschen Wodka leeren. Es bleibt der einzige Moment, in dem der Ton etwas rauer ist. Ein paar Schritte weiter appelliert OB Güntner an zwei jüngere Männer, die mit einer Tüte Chips auf einer Bank sitzen: „Ihr könnt die Leute gerne ansprechen, dass sie ihren Müll mitnehmen sollen.“
Ein paar spitze Schreie, ein bisschen dumpfe Musik, mehr ist da nicht an diesem Abend. Es hat sich wohl herumgesprochen, dass Polizei vor Ort ist. Selbst auf dem Parkplatz, wo sonst die getunten Autos wie beim Kinderkarussell ihre Runden drehen, ist es gegen Mitternacht so ruhig, dass man die Grillen zirpen hört. Die leichte Brise treibt eine leere Plastikflasche vor sich her. Um Mitternacht ist die Aktion zu Ende. Für Polizeichef Markus Hack ist sie dennoch ein Erfolg. Seine Leute werden wie bisher ein Auge haben auf das Gelände und seine nächtlichen Besucher. „Präsenz zeigen“, wie die Beamten sagen. Und OB Güntner wird mit seinen Kollegen mitunter selbst Streife laufen.
eine Polizeistreife in Zukunft reicht dann aus.............