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Kitzingen
Mobiler Service nicht nur für Senioren: So läuft der Hausbesuch einer Kitzinger Optikerin
Sehtest in den eigenen vier Wänden – oder wo es dem Kunden am besten passt: Ulrike Samfass-Koberstein geht als mobile Optikerin regelmäßig auf Tour. Wie läuft das Geschäft?
An die 100 Brillenfassungen nimmt Ulrike Samfass-Koberstein in einem Koffer mit zu ihrer Kundschaft.
Foto: Daniela Röllinger | An die 100 Brillenfassungen nimmt Ulrike Samfass-Koberstein in einem Koffer mit zu ihrer Kundschaft.
Daniela Röllinger
 |  aktualisiert: 07.10.2024 02:34 Uhr

Ulrike Samfass-Koberstein zieht eine Schublade aus einem großen schwarzen Koffer. Blau, schwarz, rot, aus Kunststoff oder aus Metall, rund oder eckig. In den Fächern liegt eine Brille neben der anderen. An die 100 Fassungen birgt der Koffer insgesamt – und die ganze Auswahl hat sie dabei, wenn sie zu ihren Kunden kommt, nach Hause, ins Geschäft, ins Seniorenheim. Samt Screeninggerät, Sehtestbildschirm, Lupen und Werkzeugen. Die Kitzingerin ist mobile Optikerin. 

Vor einem Jahr hat Ulrike Samfass-Koberstein sich mit ihrer "Mobilen Optikerschmiede" selbstständig gemacht. Ein Weg, an den sie zu Beginn ihrer Augenoptiker-Ausbildung nicht gedacht hätte. Drei Jahre dauerte die Lehre, danach hat sie ihr Wissen in einem Studium vertieft. Als Diplom-Ingenieurin für Augenoptik arbeitete sie zunächst im augenmedizinischen Bereich, danach, als ihre Tochter geboren war, bei einem "traditionellen" Optiker, wie sie sagt. Optikerin ist sie immer noch, aber eben nicht mehr traditionell, sondern selbstständig, alleine und ausschließlich mobil.  

Im Dachboden ihres Wohnhauses hat sich die Optikerin eine kleine Werkstatt eingerichtet.
Foto: Daniela Röllinger | Im Dachboden ihres Wohnhauses hat sich die Optikerin eine kleine Werkstatt eingerichtet.

Die Idee ist gereift durch Wissen aus ihrer Kindheit, aber auch durch berufliche Erfahrungen. "Ich komme vom Land", erzählt die 42-Jährige. Durch ihre Oma hatte sie ein Beispiel vor Augen, wie es den Menschen geht, die keinen Führerschein haben und nur schwer in die Stadt, in Geschäfte, zu Fachärzten und Dienstleistern wie eben dem Optiker kommen. Eine Situation, die sich noch verschärft, wenn jemand körperlich nicht mehr fit ist, sich schwer tut mit dem Laufen oder im Rollstuhl sitzt. "Warum komme ich dann nicht als Optikerin zu den Leuten?", habe sie sich deshalb überlegt.

In Deutschland tragen 67 Prozent der Erwachsenen eine Brille

Sie hörte sich im Bekanntenkreis um, das Interesse war groß. Mit Unterstützung der Handwerkskammer – sowohl bei behördlichen Dingen als auch mit einem Gründerzuschuss – wagte sie den Schritt von der sicheren Festanstellung in die ungewisse Selbstständigkeit. Und hat nun schon eine Reihe von Besuchen in Seniorenheimen hinter sich, denn längst nicht alle Einrichtungen in der Region werden bereits von einem mit Geschäft ansässigen Optiker besucht.

67 Prozent der Erwachsenen tragen eine Brille, wie eine vom Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen 2019 beauftragte Studie ergeben hat. Bei den über 60-Jährigen sind es sogar über 90 Prozent. Andere Studien legen den Schwerpunkt auf Kinder. Demnach kommt fast jedes dritte Kind ohne Sehhilfe nicht mehr zurecht.

Die erste Brille aussuchen: Manche Kinder tun sich in vertrauter Umgebung leichter

Gerade bei Kindern hat sie oft erlebt, dass die Aufregung beim Sehtest und dem Aussuchen der ersten Brille groß ist. "Manche Kinder sind unsicher, trauen sich nicht zu sagen, welche Fassung ihnen am besten gefällt, und dann suchen die Eltern irgendeine aus", erzählt die Optikerin. "Andere Kinder holen sich ständig neue große Fassungen für Erwachsene aus den Halterungen und setzen sie auf, weil sie das lustig finden." Wenn dann die Mutter womöglich noch mit einem kleinen Geschwisterchen im Geschäft erscheint, kann das schnell in Stress ausarten.

"Wenn ich zu den Familien heimkomme, zeigen mir die Kinder oft erst mal ihre ganzen Spielsachen", berichtet Samfass-Koberstein. Die gewohnte Umgebung, Ruhe und Zeit spielten eine wichtige Rolle, um die Sehhilfe zu finden, die genau zum Kind passt.

Auch Schulscreening hat die Optikerin schon durchgeführt. "Manche vermeintliche Lernschwäche und schlechte Note liegt nur daran, dass die Kinder schlecht sehen. Sie wissen ja nicht, dass es auch besser geht." Besonders bei Kindern mit Migrationshintergrund, die sich sprachlich noch schwer tun, sei das ein Problem. Nach dem Screening gibt Samfass-Koberstein den Schülern Zettel mit nach Hause, ob alles okay ist mit den Augen, ob sie zu einem Optiker gehen sollen oder zu einem Augenarzt. Sie selbst dürfe keine Diagnose stellen. 

Die geschliffenen Gläser werden in die ausgewählte Fassung eingebaut.
Foto: Daniela Röllinger | Die geschliffenen Gläser werden in die ausgewählte Fassung eingebaut.

Neben Kindern und Senioren hat die 42-Jährige weitere Kunden. Geschäftsinhaber zum Beispiel, die während der üblichen Öffnungszeiten keine Zeit haben. "Ohne Ulrike Samfass-Koberstein hätte ich bis heute noch keine neue Brille", erzählt die Besitzerin eines Nagelstudios in der Region. Dass die Optikerin auch am Abend zu ihrer Kundschaft komme, sei ein großer Vorteil. Überhaupt zeigen die Rückmeldungen der Kunden, dass die Dienstleistung ankommt. 

Im Dachgeschoss ihres Hauses hat sich die Kitzingerin eine kleine Werkstatt mit allen nötigen Geräten eingerichtet, dort schleift sie die Gläser ein und stellt die Brillen fertig. Zum Anpassen macht sich die Optikerin dann wieder auf den Weg zum Kunden. Im Nagelstudio war sie schon, im Fitnessstudio und sogar im Gasthaus. "Der Kunde wollte das so – dann hab ich ihm halt seine neue Brille zum Schlachtschüsselessen gebracht." 

 
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