Es sieht fast aus, als würde das frische Ochsenblut noch vom Balken tropfen. So frisch glänzt das aufgehübschte Fachwerk im neuen Büro mitten in Kitzingen. Aber mit Ochsenblut sind die Holzbalken dann doch nicht gestrichen; die markante Farbe heißt nur so. Sie soll wiedergeben, wie es ursprünglich in dem Gebäude in der Kaiserstraße 17 ausgesehen hat, das von 1593 stammt. Das stattliche Haus enthält verschiedene Bauelemente von der Renaissance bis zum Barock. Sogar Bereiche aus Lehm und Stroh sind noch vorhanden.
Ein Teil der Kitzinger Stadtverwaltung wird darin künftig Platz finden. Das historische Rathaus reicht schon längst nicht mehr, um eine moderne Verwaltung mit all ihren Anforderungen an Raumbedarf und Technik unterzubringen. So hat sich die Verwaltung immer weiter in die Nachbarschaft ausgedehnt. Erst in die Kaiserstraße 13 und 15 und nun auch in das historische Haus aus dem 16. Jahrhundert.
Wie ein denkmalgeschütztes Gebäude erhalten werden kann
Seit Herbst 2019 wird das Haus entkernt, saniert und für die Bedürfnisse der Verwaltung umgebaut. Heuer biegen die Arbeiten auf die Zielgerade ein. Bis Frühsommer sollen die neuen Büros bezogen werden. Mit der Sanierung will die Stadtverwaltung ein Beispiel geben, wie Bauamtsleiter Oliver Graumann sagt. Die Stadt möchte zeigen, wie man ein denkmalgeschütztes Gebäude weitgehend erhalten und dennoch unter heute wichtigen Gesichtspunkten nutzen kann.
Anders als Privatleute bekommt die Stadt für die Sanierung keine umfangreichen Zuschüsse. Aber Graumann und mit ihm der Stadtpolitik ist es wichtig, das Bauerbe zu wahren, auch wenn dafür viele Kompromisse nötig sind, die es bei einem Neubau nicht gegeben hätte.
Kompromiss zwischen Denkmalschutz und moderner Verwaltung
Zwei fallen beim Besuch der Baustelle besonders ins Auge. Die Verwaltungsangestellten in der Kaiserstraße 15 müssen künftig zu ihren Kolleginnen und Kollegen in der Kaiserstraße 17 aufblicken. Die Etagen beider Gebäude liegen nicht auf gleicher Ebene. Zum historischen Bau muss man jeweils vier Stufen nach oben überwinden. Um trotzdem Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer, Rollatoren- oder Kinderwagen-Schieber herzustellen, ist ein Aufzug installiert worden, der vom Erdgeschoss bis ins Dach reicht und dabei auch den Höhenversatz der wenigen Stufen überwinden hilft.
Wer sich künftig zurechtfinden will, muss gut mitzählen. So liegt die neue Ebene 3 in der zweiten Etage des angegliederten Rathaustrakts. Die Ebene 5 dagegen in Etage 3. Da werden wohl eindeutige Schilder den Weg weisen müssen.
Räume mit Fachwerkbalken vor dem Fenster
Das ist nicht die einzige Kröte, die man beim Zusammenlegen mehrerer Häuser schlucken musste. Es gibt auch Räume, vor deren Fenster ein Fachwerkbalken verläuft. Eine Herausforderung beim Lüften. Andererseits erhalten die städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Teilen nun Büros, die einen exklusiven Charme versprühen – sei es durch das freigelegte und ausgebesserte Fachwerk unterm Dach oder durch Stuckelemente an den Decken der Beletage.
Graumann erklärt, dass schon in dem Gebäude aus der Renaissance im Erdgeschoss Geschäfte untergebracht waren. Weil die Straßen zu jener Zeit noch stanken und dreckig waren, wohnte die Herrschaft im ersten Geschoss, leicht zu erreichen, aber doch so hoch über dem Schmutz, dass man darin angenehm leben konnte.
Wer darf künftig in der Beletage arbeiten?
In den Etagen darüber wohnte das Gesinde, denn je höher es hinaufging, desto beschwerlicher war der Weg und desto beengter der Raum. Wer in Zukunft wo arbeiten wird, das tüftelt die Stadtverwaltung gerade aus.
Zwei "Räumlichkeiten" muss aber niemand beziehen: Im Keller gab es noch einen alten Brunnen, der mehrere Meter in die Tiefe führte. Nur wenig unterhalb des Hauses gibt es schon wasserführende Adern. Daher waren zur Stabilisierung der Tragfähigkeit ein Dutzend Bohrpfähle nötig. Der Brunnen ist im Zuge der Sanierung abgedeckt worden. Theoretisch könnten ihn spätere Generationen wieder freilegen.
Und auch ein verliesartiger Raum mit dicken Eisengittern ist wohl nicht als Büro vorgesehen. Das hätte den Charme eines Gefängnisses.
Bürger finden erste Ansprechpartner im Erdgeschoss
Die Bürgerinnen und Bürger Kitzingens werden wohl nur in den wenigsten Fällen alle Räume des neuen Rathaustrakts aufsuchen müssen. Für die meisten ist das neue Einwohnermeldeamt im Erdgeschoss des Zentralgebäudes die erste Anlaufstelle. Ein echtes Bürgerbüro ist allerdings nicht geplant. Aber manche Räume darüber wären durchaus einen Besuch wert.