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GEROLZHOFEN
Ein Kleinod unter Fachwerkbauten
Von unserem Redaktionsmitglied Norbert Finster
 |  aktualisiert: 24.11.2011 16:59 Uhr

Egal ob Einheimischer oder Auswärtiger – die Menschen bleiben in diesen Tagen stehen, wenn sie durch die Weiße-Turm-Straße gehen. Immer an einer Stelle, vor dem Anwesen mit der Nummer 18 nämlich. Dort erstrahlt das wohl schönste Fachwerkhaus der Stadt in frischen Farben. Die Holzelemente des kunstvollen Fachwerks aus dem 16. Jahrhundert sind frisch gestrichen mit kräftiger rotbrauner Farbe, die in Fachkreisen Ochsenblut heißt. Sie stehen in effektvollem Kontrast zu den Fassadenteilen aus Stein, die in Weiß mit einem minimalen Schuss Rot gehalten sind. Dieser satte Kontrast ist wohl der Hauptgrund für die vielen bewundernden Blicke, die das Haus momentan auf sich zieht.

Arbeiten nicht nur an der Fassade

Nach rund zwei Monaten Renovierungszeit ist jetzt alles fertig. Die Hausbesitzer Uwe und Elfriede Teutsch berichten, dass neben dem augenfälligen neuen Anstrich für die Fassade vieles andere am Haus auf Vordermann gebracht wurde. Dazu gehört die Eindeckung des steilen Dachs, wo schadhafte Stellen mit Biberschwanz-Ziegeln ausgebessert wurden.

Viele Arbeitsstunden hat die Sanierung des Haussockels gekostet. Hier hat die übermäßige Verwendung von Streusalz dem Sandstein über die Jahre hinweg arg zugesetzt. Das bestätigten den Besitzern sowohl Architekt Werner Stretz als auch die Handwerker vom Fach. An der Westseite des Renaissance-Fachwerkbaus, nahe dem südlichen Aufgang der ebenfalls sanierten Freitreppe, hat die Familie Teutsch der Nachwelt etwas ganz Besonderes gesichert. Dort befindet sich eine schmale Öffnung durch die Hausmauer, die in den Kellerbereich führt. Solche Öffnungen gibt es seit dem Mittelalter; sie wurden durch sogenannte Schiebesteine verschlossen. Diese Schiebesteine bestehen aus behauenen Steinplatten, die eingemeißelte ornamentale Griffkanten aufweisen. Eine solche noch vorhandene Schiebeeinrichtung wurde jetzt im Zuge der Haussanierung wieder durch einen entsprechenden Schiebestein ergänzt.

Die Sprossenfenster am Haus stammen größtenteils aus den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Rahmen und Sprossen sind jetzt weiß, wie bei 90 Prozent aller vergleichbaren Häuser. Zum Wärmeschutz hat der Glaser die Fenster nachgekittet und mit Gummidichtungen versehen. Gänzlich erneuert sind die Fenster im Anbau Richtung Weißer Turm sowie im Giebel- und Dachbereich des Fachwerkhauses.

Uwe und Elfriede Teutsch haben nicht einfach drauflos saniert. Als der Entschluss stand, das markante Haus erstmals nach 1966 wieder umfassend herzurichten, sind sie erst einmal losgefahren, um sich zu informieren. Sie schauten sich die Fachwerk-Prachtbauten in Rothenburg, Feuchtwangen und Dinkelsbühl, in Königsberg und Unfinden an und holten sich wertvolle Anregungen.

So gut wie keine Probleme

Weil die Familie Teutsch mit fundierten Vorkenntnissen ans Werk ging, gab es mit dem Denkmalschutz so gut wie keine Probleme. „Überhaupt ist der Besitzer in diesem Bereich heute freier als früher“, sagt Uwe Teutsch aus Erfahrung. So stand die Untere Denkmalschutzbehörde den Vorstellungen der Hausbesitzer von Beginn an aufgeschlossen gegenüber. Während der Bauzeit suchten die Denkmalschützer nach bisher womöglich noch nicht bekannten Spuren vergangener Jahrhunderte, fanden aber nichts.

Uwe Teutsch führt das auf die umfassende Sanierung von 1904 zurück, die sein Großvater Franz Teutsch durchführen ließ, als die Druckerei Einzug ins Haus hielt. Erst dabei wurde übrigens das prächtige Fachwerk wieder freigelegt. Ebenfalls unter Franz Teutsch entstanden in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts die Anbauten Richtung Weißer Turm und Richtung Verwaltungsgemeinschaft (heutiger Sitz der Druckerei).

Bei der Sanierung kamen weitgehend Gerolzhöfer Handwerker zum Zug oder solche aus der Region. Für die Maßnahme muss die Besitzerfamilie viel Geld im die Hand nehmen. Es gibt zwar Zuschüsse, doch den erhofften Anteil an den Gesamtkosten schätzen die Besitzer höchstens auf 20 bis 25 Prozent. Gelder fließen aus dem Städtebauförderungsprogramm Soziale Stadt, von der Unteren Denkmalschutzbehörde und vom Bezirk Unterfranken.

Die Sanierung hat übrigens auch überregionales Medieninteresse ausgelöst. Der Bayerische Rundfunk drehte einen Film für die Abendschau, auch ein regionaler Privatsender war vor Ort. Und zum Einstieg in die Super-Nanny von RTL in die Sendung aus Gerolzhofen gehörte ein Blick auf das Fachwerkhaus Teutsch.

Die Hausgeschichte

Das Fachwerkhaus Teutsch ist ein zweigeschossiger Renaissance-Bau aus dem Jahr 1566, der einzige übrigens aus dieser Epoche in Gerolzhofen und Umgebung. Das Haus ist bereits ab dem Erdgeschoss in Fachwerk ausgeführt, das genaste und geschweifte Andreaskreuze aufweist. Der polygone Erker zur Weiße-Turm-Straße trägt Renaissance-Züge; das steile Dach dagegen wirkt noch gotisch.

Der Erbauer ist unbekannt. Das Haus entstand jedenfalls zur Zeit des Würzburger Fürstbischofs Friedrich von Wirsberg.

Seit 1760 befindet sich das markante Anwesen mit überregionaler Bedeutung im Besitz der Familie Teutsch. Die Kaufurkunde ist noch vorhanden. Sie bestätigt den Besitzerwechsel von Michael Büttner auf Franz Anton Teutsch. Letzterer war von 1781 bis 1797 Bürgermeister der Stadt Gerolzhofen. Noch einen Bürgermeister stellte die Familie Teutsch von 1818 bis 1830 mit Michael Teutsch. Weitere Hausherren waren ab 1867 Adam Teutsch, ab 1900 Franz Teutsch, ab 1952 Joseph Teutsch. Seit 1994 ist Uwe Teutsch der Besitzer.

Das Haus war auch Verlagsgebäude der örtlichen Heimatzeitung „Der Steigerwald-Bote“, die 1993 im 118. Jahr ihres Erscheinens erst von Rainer Hampp, im Jahr 2000 von der Main-Post übernommen wurde. Heute ist das Anwesen ein Wohn- und Geschäftshaus.

Stolze Besitzer: Elfriede und Uwe Teutsch am Eingang ihres frisch renovierten Fachwerkhauses aus dem Jahr 1566.
Foto: Norbert Finster | Stolze Besitzer: Elfriede und Uwe Teutsch am Eingang ihres frisch renovierten Fachwerkhauses aus dem Jahr 1566.
 
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