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Volkach
Mehr Urlaub mitten in der Wirtschaftskrise? "Wir sind auch ohne Work-Life-Balance alt geworden"
Deutsche Arbeitnehmer haben durchschnittlich 28 Urlaubstage, Beamte sogar 30. Sollen sie trotzdem noch mehr bekommen? Die Meinungen der 6 Passanten gehen auseinander.
Wie viel Urlaub ist gerecht? Die Passanten (oben von links) Alexandra Dülg (26),  Heinrich Büddemann (81), Susanne Reinholz (61), (unten von links) Sandra Senft (41) und Wencke Haupt (44), sowie Timo Wolf (33) haben unterschiedliche Ansichten.
Foto: Nadine Wiget | Wie viel Urlaub ist gerecht? Die Passanten (oben von links) Alexandra Dülg (26),  Heinrich Büddemann (81), Susanne Reinholz (61), (unten von links) Sandra Senft (41) und Wencke Haupt (44), sowie Timo Wolf (33) ...
Nadine Wiget
Nadine Wiget
 |  aktualisiert: 26.02.2025 02:43 Uhr

Trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage und des Personalmangels in Deutschland fordert Verdi-Vize Christine Behle drei zusätzliche Urlaubstage für Beamte und Angestellte im Öffentlichen Dienst. Und auch andere Gewerkschafter sprechen sich laut BILD dafür aus. Aber ergibt ein solches Vorhaben wirklich Sinn und ist es überhaupt realisierbar? Das haben wir sechs Menschen in der Volkacher Altstadt gefragt.

1. Susanne Reinholz (61) aus Volkach findet, man solle mit der Diskussion bis nach der Wahl warten.

Susanne Reinholz (61) aus Volkach.
Foto: Nadine Wiget | Susanne Reinholz (61) aus Volkach.

"Ich denke, dass momentan nicht die Zeit für solche Gespräche ist. Sie sollten bis zur Regierungsbildung warten und dann noch mal darüber nachdenken. Außerdem finde ich, dass allgemein zu viel für die Gewerkschaften getan wird und zu wenig für die anderen. Work-Life-Balance ist ein schwieriges Thema, denn nicht jeder kann das umsetzen. Zum Beispiel im Einzelhandel: Hier sind einfach zu wenig Leute da, um das zu fordern. Oder in der Gastronomie: Wenn hier Arbeit ist, musst du arbeiten. Und wenn es dann im Winter ruhiger ist, hat man sein Life. Wir sind auch ohne Work-Life-Balance alt geworden und uns geht's gut."

2. Timo Wolf (33) aus Volkach würde sich als Post-Mitarbeiter über drei Urlaubstage mehr freuen.

Timo Wolf (33) aus Volkach.
Foto: Nadine Wiget | Timo Wolf (33) aus Volkach.

"Ich finde das sehr gut. Ich selbst arbeite bei der Deutschen Post und wir haben 26 Tage Urlaub, daher würde ich mich über drei Tage mehr freuen. Ich halte das für gerechtfertigt, da es immer mehr Arbeit gibt und immer mehr verlangt wird. Wenn Menschen ausgeruht sind und genügend Urlaub haben, ist die Produktivität viel besser. Also ist es am Ende auch besser für die Wirtschaft. Man sieht ja auch am Homeoffice, dass es funktioniert und viele Menschen dort sogar produktiver sind."

3.+4. Sandra Senft (41) und Wencke Haupt (44) aus Volkach sind für generelle Gleichberechtigung.

Sandra Senft (41) und Wencke Haupt (44) aus Volkach.
Foto: Nadine Wiget | Sandra Senft (41) und Wencke Haupt (44) aus Volkach.

Senft: "Wenn Verdi für Beamte und Angestellte im Öffentlichen Dienst drei Tage mehr Urlaub fordert, sollte die Gewerkschaft das auch für alle anderen Arbeitnehmer tun, die zu ihr gehören. Wenn alle drei Tage mehr Urlaub bekämen, fände ich das gut. Im Vergleich zur IG Metall, die für ihre Arbeitnehmer noch wesentlich mehr heraushandelt, wie etwa eine 35-Stunden-Woche oder zwölf Prozent mehr Lohn, ist Verdi sowieso zurückhaltend. Ich arbeite seit 2001 in meinem Unternehmen, das auch zu Verdi gehört, und da gab es in all den Jahren keine Erhöhung der Urlaubstage seitens Verdi."

Haupt: "Ich finde das nicht gerechtfertigt, weil die anderen Arbeitnehmer ja auch nicht mehr Urlaub bekommen. Wenn, dann müssen alle Arbeitnehmer drei Tage mehr kriegen. Entweder alle oder keiner. Wenn alle, dann bin ich dafür, weil: Ausgeruhter kann man besser arbeiten und mehr Leistung bringen. Unsere Generation arbeitet auf jeden Fall genug. Wir haben nicht mehr Life als Work."

5. Heinrich Büddemann (81) aus Amorbach findet: Jetzt ist es erst mal Zeit, die Ärmel hochzukrempeln.

Heinrich Büddemann (81) aus Amorbach.
Foto: Nadine Wiget | Heinrich Büddemann (81) aus Amorbach.

"Ich weiß nicht, ob es der richtige Zeitpunkt ist, in der Situation, in der Deutschland aktuell steckt, diese Forderung zu stellen. Ich gönne jedem mehr Freizeit und sicherlich gibt es Berufe, die sehr anstrengend sind und eine größere Erholungspause verlangen. Auf längere Sicht wäre das vielleicht möglich. Aber erst mal gilt es, die Ärmel hochzukrempeln und unsere Wirtschaft wieder auf Vordermann zu bringen. Ich würde stattdessen dafür plädieren, gute Arbeit zusätzlich zu belohnen. Viele Menschen möchten zusätzlich Geld verdienen, um sich wieder etwas leisten zu können, wie etwa einen Urlaub."

6. Alexandra Dülg (26) aus Schweinfurt hofft auf einen größeren Erholungseffekt bei mehr Urlaubstagen.

Alexandra Dülg (26) aus Schweinfurt.
Foto: Nadine Wiget | Alexandra Dülg (26) aus Schweinfurt.

"Ich arbeite im Öffentlichen Dienst. Dadurch, dass wir eine 39-Stunden- beziehungsweise 5-Tage-Woche haben, finde ich diese Forderung grundsätzlich gut. Ich hoffe auf mehr Erholungseffekt und darauf, dass vielleicht die Krankheitstage minimiert werden können. So kann man auch leichter mal ein verlängertes Wochenende wegfahren und seine Akkus aufladen. Wir sind ein Dienstleister und kein Produzent, der etwas in einer bestimmten Zeit herstellen muss. Deshalb ist es für uns nicht so relevant, dass aus der Wirtschaft eher Stimmen nach mehr Arbeit und weniger Urlaub kommen."

 
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Kommentare
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  • Peter Koch
    Faulheit wird anscheinend zur Tugend der Jugend, also der unter 50 jährigen. Weiter so, dann wird es schon schöne Renten für diese Faulpelze geben. Deren Kinder werden doch noch fauler sein als ihre Eltern und dann wird es richtig knapp.
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  • Werner Rau
    Die gleiche Leier seit Tausenden von Jahren. Herzlichen Glückwunsch, sie sind wohlauf alt geworden. Die Jugend muss die Hypothek über Jahrzente abbezahlen, auf die die älterne leben durften. Die Leute wollen einfach leben können und die Belastungen sind definitiv nicht weniger geworden, nur anders.

    „Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten“ (Watzlawick, 1992, ca. 1000 v. Chr., Babylonische Tontafel).
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  • Peter Koch
    Babylon ist seit über 2000 Jahren eine Ruinenstätte. Immerhin haben das Bier mitsamt Reinheitsgebot und die Semmel in Bayern die Zeiten überdauert.
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  • Manuela Weißmann
    Ist all den Interviewten bewusst, dass diese drei Tage Urlaub mehr vom Steuerzahler finanziert werden müssen, also uns allen? In Zeiten, in denen die Steuern eher gesenkt werden sollten -wie fast alle Parteien gerade betonen- und wir über ein mehr an Staatsschulden diskutieren, finde ich erstaunlich, dass keiner diesen Aspekt anspricht. Ist „Urlaub auf Pump“ mittlerweile gesellschaftsfähig? Wäre es nicht sinnvoller den Arbeitsalltag so zu gestalten, dass Arbeiten Spaß macht, man gerne hingeht? Wenn man dann die freie Zeit statt auf der Couch vielleicht auch mal in der Natur genießt, das Handy zuhause lässt, kann man sich alltägliche Erholungsinseln schaffen. Schade, dass Erholung immer gleich Urlaub, am besten pauschal und mit klimaverpestenden Flieger oder Kreuzfahrtschiff, gleichgesetzt wird.
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