Den Weg zum "Wegweiser" kennt wohl jede und jeder im Notwohngebiet in der Kitzinger Siedlung. Eine schlichte Holztreppe führt zur gläsernen Eingangstüre. In schwarzen Ziffern ist groß die Hausnummer 22 auf die gelbe Hausfassade gepinselt. Fast wirkt es so wie ein Eingang zu einer Wohnung.
Wohnlich ist es im Inneren auch. Eine Wohnung zum Wohlfühlen. Dass dies so ist, dafür sorgen einige aktive Ehrenamtliche. Manche können fast immer, manche helfen nur gelegentlich, aber mit Spaß an der Sache sind sie alle dabei. Alle, das sind aktuell Nicole Girreser, die auch Ansprechpartnerin in Sachen "Wegweiser" ist, Gaby Tripp, Liselotte Lutz, Margit Dotterweich, Manuela Link, Erna Brückner, Lucian Blacjan, Uwe Hagen, Kerstin Grey und Stefanie Dees.
Aus dem Leerstand wurde dank des Teams der Ehrenamtlichen ein Begegnungscafé
Seit 2016 gibt es diese Begegnungsstätte in der Kitzinger Siedlung. Stadträtin Andrea Schmidt hatte sie ins Leben gerufen. "Sie wollte eine Begegnungsstätte schaffen für die Menschen, die hier wohnen, und für die Menschen, die Begegnung suchen", sagt Nicole Girreser. Nicht zu vergessen die schon verstorbene Anna Kößling, die als "Geburtshelferin" für das Begegnungscafé gilt.
Entstanden sind die "Wegweiser"-Räume aus dem Caféstüble. Nach längerem Leerstand hatte die Stadt Kitzingen, der das Gebäude gehört, Geld für die Sanierung zur Verfügung gestellt.
Träger der Begegnungsstätte und offizieller Mieter der Räumlichkeiten ist der "Wegweiser"-Ansprechpartnerin die katholische Kirchenstiftung St. Johannes: "Ohne die täte es uns nicht mehr geben", denn die Gruppe der Ehrenamtlichen sei ja kein Verein.
Girresers eigener Ansporn: "Etwas zurückgeben, wenn es einem selbst gut geht." Zudem sei das Team toll und "die Arbeit macht Spaß".
Zwei Stunden Begegnung mit Kaffee und Kuchen
Aktuell hat der "Wegweiser" immer mittwochs von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Dann ist auch Kaffeenachmittag. Girreser freut sich über die Kooperation mit der Bäckerei Fackelmann. Eifrige Kuchenbäckerin ist Liselotte Lutz. Die 85-Jährige war vorher schon bis zu ihrem 80. Geburtstag bei der Kitzinger Tafel aktiv. "Ich wollte weiterhin sozial tätig sein", erklärt sie ihr Engagement.
Gaby Tripp hilft mit, weil die Menschen sonst keine andere Begegnungsmöglichkeit hätten, wie sie sagt. Sie wolle ihnen "einfach die Möglichkeit bieten, sich zu treffen und auszutauschen".
"Ich helfe gerne – und ich will helfen", sagte Margit Dotterweich, die wie mit den drei Frauen fast immer da ist.
Notsiedlung mit "Schlichtwohnungen" am Kitzinger Stadtrand
Die vier Notwohnblocks der Siedlung am Stadtrand waren Anfang der 60er Jahre gebaut worden. Insgesamt 120 kleine Wohnungen mit einfachster Ausstattung für sozial schwächere Menschen. Mitte der 1980er Jahre begann die Kitzinger Stadtverwaltung dann damit, hier auch Obdachlose unterzubringen.
In der Begegnungsstätte gibt es eine Dusche, die die Menschen aus dem Notwohngebiet, die selbst keine eigene haben, nutzen können. Handtücher und Duschgel sind immer da, sagt Nicole Girreser. Sie stammen wie so vieles aus Spenden oder Haushaltsauflösungen. "Wir freuen uns, wenn jemand etwas bringt oder spendet", sagt das "Wegweiser"-Team, das auch schon mal Utensilien in Dettelbach oder anderswo abholt.
Sommerfest, Weihnachtsfeier - und alle zwei Wochen wird groß gekocht
Dazu gibt es immer wieder Lebensmittelspenden, die der "Wegweiser" an Bedürftige weitergibt. Und auch aus den verfügbaren Kleidungsstücken können sich die Menschen im Notwohngebiet hier etwas aussuchen dürfen. Bei Bedarf werden auch Gebrauchsgegenstände wie Möbel oder Waschmaschinen individuell vermittelt, sagt Girreser. Das Team organisiert zudem etliche Veranstaltungen wie ein Sommerfest, die Weihnachtsfeier oder eine Veranstaltung an Ostern.
Alle zwei Wochen wird gekocht. Hier freuen sich die Ehrenamtlichen über die Unterstützung der Firma Töpfer, von der Lebensmittel wie Obst oder Gemüse kommen. Beim Einkaufsmarkt "nahkauf Geiger" in der Siedlung bekomme man einen "guten Preis" für benötigte Lebensmittel, berichtet das Team.
Geschnetzeltes mit Nudeln ist ein beliebtes Gericht, es gebe aber auch schon einmal Lachs mit Spinat oder Toast Hawaii, erzählt Girreser. Auch Spaghetti Bolognese oder Gemüsesuppe gehören immer wieder zum Angebot. Und während Corona gab es Braten mit Klößen: "80 Portionen to go, das war eine Herausforderung!"
Ein Ort zum Sattessen, Austauschen, Wohlfühlen
Wichtig für das Team ist, dass sich die Menschen, die hierher finden, sich einmal satt essen können - und sich wohlfühlen. "Es kommt auch viel von den Menschen zurück", freut sich Girreser über die Anerkennung. Ja, negative Erfahrungen habe es auch schon gegeben. Aber als einer mal aggressiv geworden sei, hätten die anderen Bewohner sofort geholfen - "weil sie hinter uns stehen", freut sich Girreser.
Und was wünscht sich das Team? Dass immer wieder Spenden kommen. Und dass sich vielleicht noch ein, zwei weitere Helferinnen oder Helfer finden. "Vielleicht noch eine Kuchenbäckerin", hofft Lutz. "Wegweiser"-Sprecherin Girreser wünscht sich die baldige Verwirklichung des geplanten Neubaus eines Wohnblocks, denn dann gebe es auch für die Begegnungsstätte neue Räume.
"Aber eigentlich wünschen wir uns, dass das Notwohngebiet nicht mehr benötigt wird", sagt Girreser und wirkt sehr nachdenklich. Sie und ihr Team befürchten, dass dieser Wunsch wohl nie in Erfüllung gehen wird.