
Die Nacht auf den 17. Februar 2022 wird die junge Frau nicht vergessen. Erst hinderte sie ihren Ex-Partner daran, sich das Leben zu nehmen. Doch dafür erntete sie keinen Dank. Ganz im Gegenteil: Es folgten vier Stunden mit Gewaltausbrüchen, Bedrohungen, Nötigungen und Sachbeschädigungen.
Gut ein Jahr später sind die blauen Flecken weg, die psychischen Probleme, die Angst, die Unsicherheit sind trotz einer Therapie geblieben. Das wurde bei einer Verhandlung im Kitzinger Amtsgericht deutlich. Da ging es um Körperverletzung, Nötigung, Sachbeschädigung und Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz.
Die Richterin nennt es ein "Ausnahmeereignis" in ihrem Zuständigkeitsbereich
Was dahinter steckt, bezeichnete Richterin Ilka Matthes als ein "Ausnahmeereignis" in ihrem Zuständigkeitsbereich. Dafür verurteilte sie den 32-Jährigen zu einer zwölfmonatigen Bewährungsstrafe. Der Mann muss 1200 Euro zahlen.
"Da ist ganz schön was abgegangen", sagte die Richterin zu den Vorfällen vom Februar. Die haben eine Vorgeschichte. Der Mann ist Handwerker. Ein Ausflug in die Selbstständigkeit scheiterte. Die Trennung von seiner Lebensgefährtin und zwei gemeinsamen Kindern folgte. Wenig später die neue Beziehung mit der 25-Jährigen. Die war nicht ganz gewaltfrei, hielt aber ein Jahr. Dann trennte man sich. Der Mann durfte trotzdem in der Wohnung der Frau leben.
Dann der 16. Februar. "Ich war in einer existenziellen Notlage, saß in einem ganz tiefen Loch", sagte der 32-Jährige. Als Ausweg sah er den Suizid. Den wollte er mit einer mit Desinfektionsmittel gefüllten Spitze umsetzen. Der Mann hatte getrunken, als die Ex-Freundin sah, was er vorhatte. "Ich habe ihm die Spritze aus der Hand geschlagen", sagte sie als Zeugin und war sich sicher: "Weil ich seine Exitpläne gestört hatte, rastete er aus."
Es kam zu massiven körperlichen Auseinandersetzungen, zu Griffen an den Hals. Als die Frau die Polizei holen wollte, drohte er, sie umzubringen. Die Frau rief nicht an. Für zwei Stunden war Ruhe.
Mann zwingt die Frau, in die Tierklinik zu fahren
Dann wieder Gewalt. Der Mann wollte eine neue Spritze. Die sollte die Frau aus der Tierklinik holen, in der sie arbeitete. Mit dem Messer in der Hand und erneuten Todesdrohungen, auch gegen den Hund der Frau, zwang der Mann sie, den Klinikschlüssel zu besorgen und ihn dorthin zu fahren.
Vor der Klinik nutzte die Frau einen Moment der Unaufmerksamkeit des Mannes. Sie konnte sich in die Klinik retten, die Türe verschließen und die Polizei rufen. Der Mann demolierte die Türe und stach die Reifen des Autos der Frau platt. Dann verschwand er. Er wurde in Kitzingen von der Polizei aufgegriffen und angezeigt. Weil der Mann später – trotz eines inzwischen erlassenen Kontaktverbots der Frau Nachrichten schickte, kamen Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz dazu.
Angeklagter entschuldigt sich und verweist auf Erinnerungslücken
15 Monate später räumte der Angeklafte alles ein, verwies aber auf Erinnungslücken. "Es tut mir unheimlich leid", sagte er. Sein Verteidiger verwies auf die Regulierung der Schäden. Auch das Angebot eines Opfer-Täter-Ausgleichs sei versucht worden, aber gescheitert. Zudem habe sich sein Mandant in psychiatrische Behandlung begeben und setze die fort.
Nachdem eine Gutachterin dem Mann die volle Schuldfähigkeit bescheinigt hatte, forderte die Staatsanwältin mit Blick auf die Folgen der Tat 14 Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung und 3000 Euro Geldauflage. Das war auch die Linie der Nebenklage. Der Verteidiger hielt dagegen eine Geldstrafe für seinen nicht vorbestraften Mandanten für angemessen. Dafür war aber der Auftritt zu heftig. Es wurde eine Bewährungsstrafe.
Für einen kleinen Kratzer in des Nachbarn volllackierte Karre, den Du nicht meldest, wird dir wegen "Unfallflucht" ggf. die berufliche Existenz (am Dorf ohne Auto - wie zur Arbeit?) und damit auch oft die private. Ebenso wenn Du mal ein Glas zu viel getrunken hast und unfallfrei bis zur Hofeinfahrt kommst.
Hier mißhandelt einer einen anderen Menschen über Stunden und bekommt eine Bewährungsstrafe?
Das Opfer ist nach wie in ihrer Lebensführung eingeschränkt, während der Täter wieder "halligalli" machen darf.
Ist die körperliche (und seelische) Unversehrtheit in diesem Land nichts mehr wert?
Sechs Monate ohne Bewährung wären allemal angemessener gewesen.