Wer glaubt, die Bürger besser mit Politik erreichen zu können, wenn er politische Diskussionen im Internet live überträgt, der irrt. Nicht das Medium ist für das Interesse entscheidend, sondern der Inhalt.
Richtig: Stadtratsdebatten können spannend sein, aber das ist vorher nicht immer absehbar. Oft genug sind sie langatmig und zäh. Sternstunden der kommunalpolitischen Debatte sind selten. Außerdem strotzen die Tagesordnungen vor langweiligen Formalien, die zwar offiziell einer Behandlung im Stadtrat bedürfen, für den Normalbürger aber uninteressant sind. Das lohnt nicht, sich einen ganzen Abend vor den Monitor zu setzen.
Zwar gibt es kommunalpolitische Entscheidungen, die die Bürger intensiv betreffen. Doch dafür haben sie ja dann die Möglichkeit, an einer öffentlichen Sitzung teilzunehmen. Wem das Thema wichtig genug ist, der findet den Weg ins Rathaus.
Auch ob durch Livestreams die Qualität der Diskussionen steigt, darf bezweifelt werden. Der Trend würde dahin gehen: Es ist schon alles gesagt, aber nicht von jedem. Folglich könnten Schaufenster-Reden die Sitzungen in die Länge ziehen. Die Effizienz, besonders in großen Gremien, bliebe auf der Strecke.
Schließlich müssen Video- und Tonübertragungen die Persönlichkeitsrechte der Räte berücksichtigen. Wer nicht will, darf in der Übertragung nicht gezeigt werden. Was in der Theorie durch Schwarzbild-Einblendungen möglich erscheint, wäre in der Praxis verheerend: Sitzungen, in denen wichtige Bestandteile der Debatte unter den Tisch fallen. Politiker, die für die Öffentlichkeit faktisch nicht zu Wort kommen. Zuschauer, die vertröstet werden.
Die Alternative: Wenn nicht vor Ort dabei, dann professionell aufbereitete Zusammenfassungen lesen.