
4,4 Millionen Euro – das war im Jahr 2009 der Etat der Jugendhilfe. 16 Jahre später liegt man beim Dreifachen. 13,5 Millionen stehen im Haushalt des Landkreises, über dem die Kreisrätinnen und Kreisräte gerade brüten. Im Ausschuss für Jugend und Familie wurde es prinzipiell, als der ehemalige Iphöfer Bürgermeister Josef Mend die immerwährende Kostenexplosion in finanziell schwierigen Zeiten ansprach.
In den 16 Jahren seit 2009 ist viel passiert. Man kann seither regelrecht dabei zusehen, wie die gesellschaftlichen Probleme stetig wachsen. Das Jugendamt und der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) müssen sich um immer mehr Fälle kümmern. Weil es da diese besorgniserregende Entwicklung gibt: Eltern, die mit Erziehung nichts mehr am Hut haben. Denen jegliche Eigenverantwortung fehlt.
Eine Zustandsbeschreibung, die in vielen der Sitzung beigelegten Jahresberichte vorkommt. Und das nicht zum ersten Mal. Viele Probleme, viele Auffälligkeiten. Ist dann das Kind in den Brunnen gefallen und der Nachwuchs kaum noch händelbar, werde nach dem Staat gerufen. "Jugendamt, mach du mal!", heiße es dann oft, wie es Landrätin Tamara Bischof auf den Punkt brachte.
Bis zu 14.000 Euro kostet den Landkreis ein Heimplatz
Wenn dann das Jugendamt macht und beispielsweise einen Heimplatz besorgen muss, dann kostet ein solcher Platz nicht unter 8000 Euro – wobei auch schon mal 14.000 Euro aufgerufen werden. Mit den Jahren haben nicht nur die Fallzahlen und die Kosten zugenommen. Zeitgleich sind Hilfsangebote aus dem Boden geschossen. Die vielen Beratungs- und Anlaufstellen ließen Mend sogar von einem "Wust" sprechen. Auch Prävention habe Grenzen, es könne sie nicht endlos geben. Und sie müssten besser koordiniert werden. Zur Wahrheit gehöre auch, so Mend, dass man "nicht für jeden Problemfall einen Berater" habe.
Damit war so etwas wie die Sinnfrage gestellt. "Das kann so nicht weitergehen", betonte Mend. Seine Forderung: Der Landkreis solle sich "auf seine Kernaufgaben besinnen". Man könne die vielen Hilfestellungen irgendwann "einfach nicht mehr bezahlen". Wichtig sei jetzt, mit den Trägern der Präventionsangebote "ein koordinierendes Gespräch zu führen". Kräfte bündeln also. Und möglichen Wildwuchs abschaffen.
Die Leitung des Jugendamtes ist noch bis Herbst offen
Bei Landrätin Tamara Bischof rannte er dabei offene Türen ein. Man werde das Thema "im Laufe des Sommers" angehen. Im Moment sei man damit beschäftigt, überhaupt das Tagesgeschäft gewuppt zu bekommen. Zumal man mit der neuen Leitung des Jugendamtes noch bis Herbst warten müsse. Was aber, so die Landrätin, nichts daran ändere, noch einmal genau hinzuschauen: Wo zahlt der Landkreis was in diesem Bereich für immer mehr werdende Institutionen? Ein Problem, das gerade auch auf Bezirksebene angegangen wird, wie Bischof in ihrer Funktion als Bezirksrätin zu berichten wusste.
Widerspruch kam von Eva-Maria Weimann. Die SPD-Kreisrätin aus Dettelbach bezeichnete die vielen Angebote als "Errungenschaft unserer Zeit". Man könne auf ein "breit gefächertes Portfolio" zurückgreifen. Ihr Argument: Hier im Vorfeld Geld auszugeben sei letztlich billiger, als später hohe Kosten für richtige Problemfälle aufbringen zu müssen.
Weimann hatte deshalb auch dafür plädiert, dass die Jugendsozialarbeit an Schulen ausgebaut wird. Von der Staatlichen Realschule Dettelbach, der Staatlichen Berufsschule in Kitzingen und dem Egbert-Gymnasium in Münsterschwarzach lagen Anträge vor, dass bei ihnen zumindest Teilstellen für Jugendsozialarbeiter geschaffen werden sollten. Begründung: Pandemie-Nachwehen sowie Unterrichtsstörungen, aggressives Verhalten und psychische Probleme.
Alle drei Anträge wurden abgelehnt. Aufgestockt um eine halbe Stelle wird nur die Jugendsozialarbeit an der Kitzinger St.-Hedwig-Schule, wo der Migrationsanteil inzwischen bei 70 Prozent liegt – Höchststand im Landkreis.
Sozialer Dienst des Landkreises leiste "Schwerstarbeit"
Die Landrätin nutzte die Gelegenheit, ihre Beinahe-Namensvetterin Maike Bischoff, die Leiterin des Sozialen Dienstes am Landratsamt, zu loben: Dort leiste man "teilweise Schwerstarbeit". Die Zahlen gingen mitunter durch die Decke. So gab es vergangenes Jahr 262 Beratungsfälle mehr als im Vorjahr, insgesamt waren es 768 Beratungen. Und noch so eine Zahl, die das gesellschaftliche Dilemma verdeutlicht: Die Meldungen bei der Kindeswohlgefährdung stiegt innerhalb eines Jahres von 338 Fälle auf nunmehr 435.
Dass es noch viel schlimmer geht, zeigt sich in der Tatsache, dass Kitzingen bei den Jugendhilfeausgaben noch vergleichsweise gut dasteht. Bayernweit lagen die Pro-Kopf-Ausgaben in diesem Bereich Ende 2023 bei 147 Euro, in Unterfranken bei 123 Euro und in Kitzingen bei 115 Euro. Richtig heftig ist es in kreisfreien Städten, dort sind es 904 Euro.
Täuschen lassen dürfe man sich von dieser Statistik nicht, erklärte Mend kritisch. Für Kitzingen seien die 115 Euro Alarmzeichen genug. Noch mehr Kosten ließen sich kaum stemmen. Zudem sei es überhaupt "schwer genug, diesen Standard zu halten".
Unsere Gesellschaft ereifert sich immer über zuviel Bürokratie, oder das der Staat sich in alles einmischt, aber fast niemand ist mehr in der Lage eigenverantwortlich zu handeln.
Es gab und es wird immer Familien geben die Probleme mit der Erziehung, oder auch den Kindern selbst hatten.
Wenn ich aber die jetzige Situation aus meiner täglichen Sichtweise betrachte, wundert mich die Überlastung der Ämter nicht .
Kinder werden mit Handy oder Tablet ruhiggestellt, es wird auch vieles auf mangelndes Einkommen geschoben, aber man kann auch mit wenig geldlichen oder zeitlichen Aufwand sich mit einem Kind beschäftigen.
Ich habe den Eindruck das immer weniger sich mit einer konsequenden Erziehung, dazu gehört auch einmal nein zu sagen auseinandersetzen.
Da ist es einfach nach dem Staat zu rufen , um das eigene Unvermögen zu kaschieren.
Ein wohlfeiler Allgemeinplatz, dem jeder eigenverantwortliche Bürger applaudiert.
Die Wahrheit ist: wenn Bürger nach dem Staat "rufen" ist dies oft nur eine Reaktion auf einen vorherigen Übergriff und eine Entmündigung durch den Staat.
Viele "Fälle" und Erziehungsfragen lassen sich an Schulen ausloten und qualifiziertes Personal, in Form von JAS, sortieren vor, was als kritisch zu sehen ist. Es braucht die Sozialarbeit an Schulen!
Wenn diese Stellen an Schulen nicht finanziert werden, kann man nicht helfen.
Schneller kommen die Dienste nicht an Kinder und deren Familien ran - es braucht Schaltstellen zwischen Schule und Ämtern, wer sie nicht einrichtet, muss sich später nicht um horrende Probleme wundern.
Als päd. Angestellte einer Grundschule weiß ich, dass es viele Hilfesuchende gibt und wir sind froh, wenn diese (auch auf unsere Beobachtungen hin) Hilfemaßnahmen in Anspruch nehmen.
Dass Schulen vermitteln ist wichtig: Durch das Netzwerk entstehen natürlich mehr Fälle - so ja auch das Ziel. Oder sollen die Probleme (wieder) hinter verschlossene Türen weiter verschleppt werden? Nein, Familien müssen sich raus trauen und kritisch an sich arbeiten.
Präventive Arbeit heißt schließlich " jetzt anpacken, damit schlimmeres verhindert wird"- in Familien und Ämtern gleichermaßen.
Auch bei chronischer Unterbesetzung dieser: dafür sind Ämter da. Meiner Meinung nach geht es ja da auch nicht um eine "Abgabe der Verantwortung", sondern um eine gemeinsame Arbeit an den Problemen. Grundsätzlich sehe ich das also als positive Entwicklung
Die Zuschreibung "Eltern-Bashing" bezog sich vor allem auf diese Passage:
..."Ist dann das Kind in den Brunnen gefallen und der Nachwuchs kaum noch händelbar, werde nach dem Staat gerufen. "Jugendamt, mach du mal!", heiße es dann oft, wie es Landrätin Tamara Bischof auf den Punkt brachte."....
Dass die Zahlen steigen, bezweifle ich nicht - das liegt aber nicht (nur) an den Eltern, im Gegenteil sind diese ebenfalls vielfach das Opfer behördlicher Überforderung - die auch vor 20 Jahren schon beklagt wurde.
Nur ein Aspekt: die Eltern muss man einbinden, in die Pflicht nehmen, Kommunikation statt Ausgrenzung und Parteinahme bei Konflikten, wie sie bspw. die feministischen Strukturen fordern, die Frauen "ermutigen", Väter initiativ auszugrenzen, Mainpost 08.03.2025:
https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/ungewoehnliche-kooperation-in-wuerzburg-kirche-stadt-und-feministischer-verein-setzen-sich-gegen-gewalt-an-frauen-ein-art-11724262
Der Fehler liegt auch im System:
….“Hier im Vorfeld Geld auszugeben sei letztlich billiger, als später hohe Kosten für richtige Problemfälle aufbringen zu müssen.“…
Genau so ist es!
Als ich selbst mich als „Trennungsvater“ Hilfesuchend und dringlich ans unterfränkische Jugendamt gewandt habe, musste ich Monate auf eine Antwort warten. Danach versuchte ein säuselnder Pädagoge mir die Welt zu erklären. Es geschah nichts.
Die Folge: eine sich über zwei Jahrzehnte hinziehende „hochkonflikthafte“ Eskalation mit immensen Folgeschäden für alle Beteiligten.
Durch sofortige sachgerechte Prävention wäre dies alles zu verhindern gewesen!
Das Jugendamt war weder gewillt noch in der Lage, hier wirklich zu helfen!
Hier habe ich Frau Bender-Jahn vom JA Würzburg in sehr positiver Erinnerung. Obwohl nicht mal klar war, ob bei uns das Jugendamt oder der Bezirk UFR zuständig war (letztlich war's dann der Bezirk, der kam aber trotz Gefahr im Verzug monatelang nicht in die Pötte...), hat sie uns unglaublich engagiert versucht zu helfen.