Michl Müller hat ihn, Hubert Aiwanger hat ihn, Alfons Schuhbeck hat ihn – und nun hat ihn auch Luise Kinseher. Die Kabarettistin und Schauspielerin ist am Rosenmontag mit dem Schlappmaulorden der Kitzinger Karnevalsgesellschaft (KiKaG) ausgezeichnet worden. Als 37. Ordensträgerin und erst siebte Frau erhielt sie die Auszeichnung am Montagabend vor 220 Gästen in der ausverkauften Kitzinger Fastnachtakademie.
Sie sei eine "ehrliche Haut" und habe das "Herz am rechten Fleck", sagte KiKaG-Präsident Rainer Müller.
Sie sei eine "sympathische, großartige Künstlerin mit Mut und Charme, politisch ziemlich verpeilt", sagte Ministerpräsident Markus Söder, der die, nun ja, Laudatio hielt.
Markus Söders Kommen stand zwischendurch in Frage
Um 21.11 Uhr war Söder unter großem Beifall in den Saal der Fastnachtakademie eingezogen, ganz klassisch im dunkelblauen Anzug, auf dem Tisch vor ihm bereits eine Thermoskanne mit Tee; er kam gesundheitlich angeschlagen. Schon am Nachmittag hatte es geheißen, sein Kommen sei kurzfristig in Frage gestanden; er hatte wohl zwischendurch bereits abgesagt. Am Abend, leicht verspätet, saß er dann doch an seinem vorgesehenen Platz, vorderste Reihe, Auge in Auge mit seiner scharfzüngigen Kritikerin.
Söder und Kinseher – das war in der Vergangenheit bisweilen wie Hund und Katz. Beim berühmt-berüchtigten Politiker-Derblecken auf dem Nockherberg bekam der CSU-Politiker schon sein Fett weg, als der noch nicht zum Ministerpräsidenten aufgestiegen war. Das Schicksal – oder besser: die Ordensregeln der KiKaG – wollten es nun, dass Söder als vorangegangener Kitzinger Ordensträger die Laudatio auf Kinseher hielt. Söder hatte den Orden im Februar 2020 bekommen – seither gab es wegen der Corona-Pandemie keine Verleihung.
Als "Über-Mama", kritisch, aber auch liebevoll, hat Kinseher ihre Figur der bayerischen Patronin "Mama Bavaria", in die sie erstmals 2010 am Nockherberg geschlüpft war, einmal beschrieben. Ihre "Kinder", so sagte sie, wolle sie ohne moralischen Zeigefinger zurechtweisen. "Und wenn ich den Markus da so sitzen sehe", bemerkte sie jetzt in der Kitzinger Bütt, "habe ich heute noch mütterliche Gefühle." Mütterliche Gefühle also. Ganz so streng wollte sie mit ihrem einst so gescholtenen Buben denn auch nicht umgehen. Mehr charmante Eloquenz als derber Mutterwitz. Beides hat sie sich in vielen Jahren mühevoll erarbeitet.
So wurde es nicht der von manchem erwartete Schlagabtausch zwischen den beiden. Aber erstens sei sie ja "auch nicht am Nockherberg". Und zweitens hielt Söder an diesem Abend eher eine Laudatio auf Franken als auf seine Schlappmaulorden-Nachfolgerin. Man kann nicht behaupten, Söder sei nicht witzig oder originell gewesen. Er führte auf der Bühne – mit Narrenkappe auf dem ergrauten Haupt – ein schlagfertiges Wort, er bewies eine gar trefflich lockere Zunge, er nahm sein Publikum mit, gefiel sich ganz in der Tradition des Märchenkönigs Ludwig II, "einem meiner Vorgänger". Aber er war eben als Laudator gebucht, nicht als Ordensempfänger oder Franken-Versteher, nicht als Fürsprecher von Wein und Bratwurst.
Als Söder Bäume umarmte, dachte Kinseher: Jetzt hat er einen Freund!
Und Kinseher? Mochte denn auch nicht über die Stränge schlagen. Wenn man sie sonst so kennt, empfahl sie sich an diesem Abend eher für den Integrationspreis der Staatskanzlei. Ihren Vorgänger Söder nannte sie fast schon zärtlich "unser bayerisches Merz-Spezialdragee", und als er plötzlich angefangen habe, Bäume zu umarmen, "dachte ich: Jetzt hat er endlich einen Freund!" Mehr als Söder knöpfte sich Kinseher ihren (niederbayerischen) Landsmann Hubert "Hubsi" Aiwanger vor. Der habe in seiner Amtszeit "mehr Ferkel auf die Welt gebracht als kluge Sätze". Ansonsten gab sie sich "zutiefst glücklich" und reichlich gerührt. "Gegen das, was ich hier erlebt habe, ist das Oktoberfest ein veganer Kindergeburtstag."
Die 54-Jährige, die nach eigener Aussage im Kinderfasching immer Prinzessin sein wollte, dann aber als Marienkäfer gehen musste, hatte sich im Interview mit dieser Redaktion bereits im Voraus für die "höchste fränkische Auszeichnung" bedankt, zugleich die erste, die ihr in Franken zuteil wurde – und dann auch noch verliehen von Markus Söder, das sei schon ein "ganz besonderes Schmankerl". Sie bestand denn auch darauf, dass er ihr den Orden persönlich umhängte.
Dass sie als Studentin der Germanistik, Geschichte und Theaterwissenschaften einmal ängstlich und ohne Selbstbewusstsein war, merkt man ihr längst nicht mehr an. Als 37. Schlappmaulordensträgerin befindet sie sich in prominenter (männlicher) Gesellschaft. Auch die einst mächtigsten Männer des Landes, Bundeskanzler Helmut Kohl und der langjährige Außenminister und Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher, erhielten den Orden, der eine im Jahr 2000, der andere 1993, jeweils nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Kinseher ist erst die siebte Frau, die ihn bekommen hat. Nächstes Jahr wird sie die Laudatorin sein.