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Neustadt an der Aisch
In eigener Sache: Landratsamt muss gemeindegenaue Infektionszahlen nennen
Seit Beginn der Corona-Pandemie veröffentlichen Landratsämter Infektionszahlen. Doch nicht alle liefern gemeindegenaue Zahlen. Ein Mitarbeiter dieser Redaktion hat geklagt.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München (Archivfoto) hat zugunsten eines Journalisten aus der Region entschieden.
Foto: Peter Kneffel, dpa | Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München (Archivfoto) hat zugunsten eines Journalisten aus der Region entschieden.
Claudia Schuhmann
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:26 Uhr

Das Landratsamt (LRA) Neustadt a. d. Aisch-Bad Windsheim muss einem für diese Redaktion tätigen freien Journalisten die Gesamtzahl der Covid-19-Fälle in den einzelnen Gemeinden mitteilen. Das geht aus einem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) hervor, der unanfechtbar ist. Zuvor hatte das Landratsamt dem im Auftrag dieser Redaktion tätig gewordenen Journalisten Gerhard Krämer die Herausgabe der Zahlen verweigert. Deshalb hatte dieser, vertreten durch die Berliner Medienrechtskanzlei Dr. Johannes Weberling, beim Verwaltungsgericht (VG) Ansbach eine einstweilige Anordnung erwirkt, in der das LRA zur Herausgabe der Zahlen verpflichtet wurde.

Gegen diese Entscheidung hatte das LRA beim BayVGH Beschwerde eingelegt. Die Münchener Richter wiesen die Beschwerde nun zurück und bestätigten damit die von Krämer und dieser Redaktion vertretene Rechtsauffassung. Seinem Mandanten stehe das im Bayerischen Pressegesetz festgeschriebene Recht der Presse auf Auskunft seitens der Behörde zu, hatte Krämers Anwalt argumentiert. Es sei von überragendem öffentlichen Interesse, nicht nur die Gesamtzahl der Corona-Infektionen im Landkreis zu erfahren, sondern auch, wie sich diese auf die einzelnen Gemeinden verteilen.

Landrat befürchtete Stigmatisierung Betroffener

Landrat Helmut Weiß sah das anders, wie das LRA am Mittwoch nochmals in einer Pressemitteilung erläuterte. Er befürchtete, durch die gemeindegenaue Aufschlüsselung der Infektionszahlen könnten vor allem in den kleinen der 38 Gemeinden des Landkreises Betroffene identifiziert und stigmatisiert werden. Weiß sah den Schutz der Persönlichkeitsrechte von Betroffenen gefährdet und vertrat die Auffassung, dass die Pressefreiheit dahinter zurücktreten müsse.

Zu Unrecht, wie sowohl das VG Ansbach als auch der BayVGH feststellten. Persönlichkeitsrechte Privater seien durch die Auskunft gar nicht berührt, so der BayVGH. Denn gefragt werde nur nach der Gesamtzahl der Infektionen in den Gemeinden seit Beginn der Pandemie, nicht nach weiteren konkreten Angaben wie Alter oder Geschlecht. Ohne vertretbaren Aufwand könnten keine Rückschlüsse auf konkrete Personen hergestellt werden.

Die Presse fungiert als Kontrollorgan

Rechtsanwalt Dr. Johannes Weberling findet es erschreckend, dass dieser Rechtsstreit überhaupt geführt werden musste. Die für seinen Mandanten erstrittene Entscheidung sei eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Die Pressefreiheit werde durch das Grundgesetz unmittelbar garantiert. Dazu zähle das Auskunftsrecht gegenüber Behörden, damit die Presse ihre Funktion als Kontrollorgan, als "Wachhund" sozusagen, wirksam wahrnehmen könne. "Politiker haben zu akzeptieren, dass Behörden Informationen herausgeben müssen", fasst Weberling zusammen.

Die inhaltliche Argumentation des LRA überzeugt den Anwalt nicht. Selbstredend sei es von Bedeutung für die Öffentlichkeit, Rahmendaten wie die Verteilung der Infektionen zu erfahren, um sich über den Verlauf der Pandemie ein Bild machen und die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen einschätzen zu können.

Auch Gerhard Krämer ist zufrieden mit der Entscheidung: "Es ist gut, dass die Gerichte den Auskunftsanspruch der Presse einen hohen Stellenwert beimessen", sagt er. "Es ist bedauerlich, dass darüber immer wieder Gerichte entscheiden müssen."

Das Landratsamt hat die angeforderten Zahlen unmittelbar nach Ergehen der Münchener Entscheidung übermittelt. Da Landrat Weiß am Donnerstag abwesend war, stand er für eine persönliche Stellungnahme nicht zur Verfügung. Das LRA bekräftigt aber in seiner Mitteilung: "Der presserechtliche Auskunftsanspruch hat in unserer Demokratie ein enormes Gewicht, das ist eine zentrale Position."

 
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  • smutje
    Man darf gespannt sein, ob auch andere Landkreise die Karten jetzt auf den Tisch legen! Oder klagen erst die verschiedenen Redakteure?
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