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Kitzingen
Immer mehr Fahrradunfälle: Warum der Helm so wichtig ist – und wie man ihn richtig aufsetzt
Polizeihauptkommissar Harald Hufnagel kennt die "Alltagssünden" der Verkehrsteilnehmer. Der Verzicht auf einen Fahrradhelm ist zwar kein echter Verstoß, aber trotzdem ein Fehler.
Sitzt der Fahrradhelm nicht richtig, kann er bei einem Sturz nach hinten rutschen, zeigt Manfred Freitag an Ludwig Frebert. Der Kopf ist nicht mehr richtig geschützt. Der Gurt schneidet in den Hals und drückt die Luft ab. 
Foto: Daniela Röllinger | Sitzt der Fahrradhelm nicht richtig, kann er bei einem Sturz nach hinten rutschen, zeigt Manfred Freitag an Ludwig Frebert. Der Kopf ist nicht mehr richtig geschützt.
Daniela Röllinger
 |  aktualisiert: 07.06.2024 02:42 Uhr

Ein kurzer Blick und schon weiß Manfred Freitag Bescheid: "Sitzt nicht richtig." Viele der Fahrradfahrer, die in der Kitzinger Innenstadt unterwegs sind, haben ihren Helm nicht richtig auf. Wobei nicht selbstverständlich ist, dass sie überhaupt einen Kopfschutz tragen. Eine Helmpflicht gibt es für Fahrradfahrer nicht. "Sie wäre aber sinnvoll", findet Verkehrsexperte Harald Hufnagel von der Polizeiinspektion Kitzingen. Er weiß um die schlimmen Folgen, die ein Sturz haben kann.

Der Blick in die Statistik bestätigt: Fahrradfahren ist nicht ungefährlich. 1386 Fahrradunfälle haben sich im vergangenen Jahr in Unterfranken ereignet. 1258 Fahrradfahrer wurden dabei verletzt. Fünf Menschen starben.

Im Landkreis Kitzingen steigt die Zahl der Fahrrad-Unfälle seit Jahren immer weiter an. 109 waren es im Jahr 2023. 99 Menschen wurden verletzt, eine Person starb. Von den 99 Verletzten trugen 49 einen Helm. Ob er den anderen genutzt hätte? "Das ist natürlich nicht sicher, aber geschadet hätte er auf keinen Fall", sagt Harald Hufnagel.

Die Radfahrer schieben brav am Infostand der Polizei vorbei

Regelmäßig weist die Polizei auf die Gefahren hin, die die Teilnahme am Straßenverkehr für Radfahrer mit sich bringt. Durch sie selbst – weil sie nicht aufpassen oder ihr Fahrzeug nicht den Sicherheitsrichtlinien entspricht – und durch andere Verkehrsteilnehmer.

Mitte Mai hatten Beamte in Kitzingen ihren Infostand aufgebaut, um mit den Radfahrenden ins Gespräch zu kommen. Was dabei auffiel: Beim Anblick des Streifenwagens und der beiden uniformierten Fahrrad-Polizisten stiegen so gut wie alle ab und schoben ihr Fahrrad ganz regelkonform durch die Fußgängerzone. Steht die Polizei nicht da, wird das entsprechende Hinweisschild gerne ignoriert.

Thomas Schneider von der Polizeiinspektion Kitzingen im Gespräch mit Radfahrern: Am Stand der PI Kitzingen gab es Informationen rund ums Thema 'Sicher unterwegs mit dem Fahrrad'.
Foto: Nadine Leber/PP-Unterfranken | Thomas Schneider von der Polizeiinspektion Kitzingen im Gespräch mit Radfahrern: Am Stand der PI Kitzingen gab es Informationen rund ums Thema "Sicher unterwegs mit dem Fahrrad".

Auffällig auch: Fast alle der Radfahrer, die vorbeischoben, trugen einen Helm, während so mancher ohne Helm mal lieber auffällig unauffällig auf der Straße weiterfuhr, statt den Weg Richtung Fußgängerzone und Polizei-Infostand fortzusetzen.

So viele Fahrradfahrer wie noch nie stürzten ohne Fremdbeteiligung

"Eine kleine Knautschzone ist besser als gar keine Knautschzone", sagt Harald Hufnagel über den Fahrradhelm. Wenn es nämlich zum Sturz kommt, landen viele auf dem Kopf. Auch dann, wenn sie alleinbeteiligt stürzen. 49 Mal war das 2023 im Kreis Kitzingen der Fall. "So hoch war der prozentuale Anteil noch nie", erklärt Harald Hufnagel. Viele Erwachsene denken, sie hätten jede Situation im Griff. "Aber manchmal weiß man gar nicht richtig, warum man eigentlich gestürzt ist", sagt Manfred Freitag.

'Immer mit Helm!': Karl Düll, Hans Georg Popp und Winfried Brückner legen jedes Jahr tausende von Kilometern auf dem Fahrrad zurück. Auch Manfred Freitag ist noch immer viel mit dem Rad unterwegs.
Foto: Daniela Röllinger | "Immer mit Helm!": Karl Düll, Hans Georg Popp und Winfried Brückner legen jedes Jahr tausende von Kilometern auf dem Fahrrad zurück. Auch Manfred Freitag ist noch immer viel mit dem Rad unterwegs.

Der zweite Bürgermeister von Kitzingen ist leidenschaftlicher Radfahrer, genauso wie Winfried Brückner, Georg Popp und Karl Düll. Die drei legen auf ihren Rennrädern alljährlich mehrere tausend Kilometer zurück. Vor dem Start den Helm aufzusetzen, ist für sie selbstverständlich. "Wenn man ihn nicht auf hat, fehlt was. Wie beim Anschnallen im Auto", findet Georg Popp.

Alle haben schon viele Stürze miterlebt, sind auch selbst schon gestürzt, teilweise mit schlimmen Folgen. "Der Kopf ist schwer, bei einem Sturz ist er fast immer am Boden", sagt Winfried Brückner. Eines dürfe man dabei nicht unterschätzen: "Man fällt ja aus ungefähr 1,80 Meter Höhe. Und das ist hoch."

Viele verzichten auf den Helm, wenn sie "nur mal schnell" eine kurze Strecke fahren

Ein Ehepaar schiebt seine Fahrräder derweil am Infostand der Polizei vorbei. Helme auf dem Kopf? Fehlanzeige. Können oder wollen sie sagen, warum? Die Frau schüttelt energisch den Kopf, der Mann erklärt sich. "Wir haben zwei Helme", sagt der Urlauber, "aber wir setzen sie nicht immer auf." Einen richtigen Grund dafür kann er nicht nennen. "Wir wollten nur mal schnell in die Stadt fahren."

Manfred Freitag schiebt Ludwig Freberts Helm nach vorn: Zwei Finger breit Platz sollte zwischen den Augenbrauen und dem Helm sein.
Foto: Daniela Röllinger | Manfred Freitag schiebt Ludwig Freberts Helm nach vorn: Zwei Finger breit Platz sollte zwischen den Augenbrauen und dem Helm sein.

Ein Satz, den der Leiter des Sachbereichs Verkehr bei der Polizeiinspektion Kitzingen oft hört. "Das ist eine Ausrede", sagt Harald Hufnagel. Genau wie die Erklärung, der Helm zerdrücke die Frisur. Was Hufnagel übrigens nicht nur von Frauen, sondern auch von Männern hört. Einer hat sogar mal zu ihm gesagt, wenn eine Helmpflicht komme, werde er deshalb einfach nicht mehr Fahrradfahren. 

So ist es richtig: Der Fahrradhelm muss gut sitzen

Ludwig Frebert kommt mit dem Fahrrad vorbei, hält für ein Gespräch am Infostand an. Er trägt einen Helm. "Aber nicht richtig", sagt Manfred Freitag. Der ehemalige Besitzer eines Fahrradgeschäftes hat einen Blick dafür. "Der Helm muss waagrecht sitzen", sagt er.

Als Erstes schiebt er Freberts Helm Richtung Stirn. "Zwei Finger breit Platz muss zwischen Augenbrauen und Helm sein." Und der Gurt am Hals sitzt zu locker, was allerdings nicht an Frebert liegt. Er hat den Riemen schon mehrfach festgezogen, doch schon nach kurzer Zeit lockert er sich wieder. Helm sei eben nicht gleich Helm, sagt Freitag dazu.

Manfred Freitag zeigt Ludwig Frebert: Der Haltegurt am Hals sitzt nicht eng genug.
Foto: Daniela Röllinger | Manfred Freitag zeigt Ludwig Frebert: Der Haltegurt am Hals sitzt nicht eng genug.

Die meisten Radfahrer sind heute mit modernen Rädern unterwegs, häufig mit elektrischer Unterstützung. "Im Allgemeinen sind die Räder verkehrssicher", so die Erfahrung von Harald Hufnagel. Die Unfälle passieren deshalb eher aus eigener Unachtsamkeit, oder weil ein anderer Verkehrsteilnehmer nicht aufgepasst hat.

Pedelecs sind schneller unterwegs als viele Autofahrer denken

Der "siebte Sinn" sei für einen Radfahrer wichtig, ist Manfred Freitag überzeugt. "Man muss jede Chance nutzen, um mit dem Autofahrer in Kontakt zu treten", fügt Karl Düll an. Blickkontakt, schauen, was der Autofahrer sieht, macht, wo er hinwill. "Es braucht ein Miteinander statt ein Gegeneinander", so Freitag. 

Radfahrern wird die Vorfahrt genommen, sie nehmen selbst die Vorfahrt. Ihre Geschwindigkeit wird beim Überholen unterschätzt, ihr Fahrweg abgeschnitten. Pedelecs sind schneller unterwegs als viele Autofahrer meinen. Und Rennradfahrer sowieso.

Und dann ist da noch die Kombi Fahrrad gegen Fahrrad. Wenn viel los ist auf den Radwegen, wie am Main zum Beispiel. Oder wenn zwei Radfahrer sich auf engen Wegen begegnen und mit ihren Lenkern, die oft sehr breit und teilweise noch mit Spiegeln ausgestattet sind, aneinander hängen bleiben. Ein winziger Kontakt, der schlimme Folgen haben kann.

 
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