Ein Ereignis, das vor 80 Jahren die Menschen in Deutschland bewegte, ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten: In der vierten Kriegsweihnacht 1942 und um die Jahreswende tobte der Zweite Weltkrieg in der Wolga-Metropole Stalingrad mit einer bis dahin nicht gekannten Härte und Grausamkeit. Es wurde die schwerste Weihnacht des 20. Jahrhunderts.
Aus Stalingrad ist längst Wolgograd geworden und Menschen, die sich an die damaligen Kampfhandlungen und Schicksale erinnern könnten, leben kaum mehr. Umso wichtiger scheint da der Blick auf die Geschichte.
Denn mag die Zahl 80 auch kein bemerkenswertes Jubiläum sein, so war es diesmal wieder eine Kriegsweihnacht, jedenfalls und vor allem in der Ukraine, die damals von Deutschland besetzt war. Genau in das Kriegsgebiet von 1941 bis 1944 ist der Krieg zurückgekehrt.
Deutsche 6. Armee begann mit Straßen- und Häuserkämpfen
Die deutsche 6. Armee hatte nach Kriegsbeginn 1939 quer durch die Ukraine vorrückend im August 1942 die Wolga bei Stalingrad mit einem Kontingent von rund 300.000 Soldaten erreicht und befehlsgemäß in Straßen- und Häuserkämpfen mit der Eroberung der Stadt begonnen.
Drei Monate später hatte sich das Blatt für die deutschen Angreifer vollständig gewendet. Nach weiträumigen sowjetischen Gegenangriffen war die Stadt am 22. November 1942 vollständig eingeschlossen. Verbündete Truppen aus Italien, Spanien, Rumänien und anderen Ländern leisteten mangels Ausrüstung und Kampfmoral kaum Widerstand, die Front brach zusammen und jeder deutsche Nachschub kam zum Erliegen.
Deutsche Soldaten in leichten Sommeruniformen bei -30 Grad
Etwa 260.000 deutsche Soldaten lagen überwiegend in leichten Sommeruniformen und Mänteln in Bunkern, Kellern, Hausruinen und Erdlöchern. Aus ihrem Angriffselan waren sie in die Verteidigung gezwungen und verfügten weder über ausreichend Verpflegung, Verbandsmaterial oder Munition.
An Heiligabend im Kriegswinter 1942/43 sanken die Temperaturen auf -30 Grad. Mit der Einkesselung stand für viele fest, dass eine unversehrte Heimkehr nahezu ausgeschlossen war. Dennoch wurde in dieser Zeit Weihnachten gefeiert, mit improvisierten, selbstgebauten Christbäumen und Kerzen aus Wachsresten, rauhe Stimmen flüsterten Weihnachtslieder.
Hunger, Kälte, Einsamkeit und Heimweh
Mit Glück gab es etwas Tabak, vereinzelt Schokolade. Was mit Feldpostpäckchen noch durchkam, wurde geteilt. Allen spürten Hunger, Kälte, Einsamkeit und Heimweh. Permanenter Kriegslärm ersetzte Orgel und Posaunenchor, wenn "Stille Nacht" gesungen wurde.
Zeitzeugen sind nicht mehr vorhanden. Bei meinen Berichterstattungen über Geburtstage im hohen Alter kam ich mit zwei ehemaligen Soldaten aus dem Kessel in Kontakt, denen es in letzter Sekunde gelungen war, zu entkommen.
Sie erzählten auch nach Jahrzehnten noch vom Geschehen ergriffen, wie ihnen der fast regelmäßige Verlust von Kameraden und das Dahinvegetieren in eine ungewisse Zukunft zusetzte – auch im Nachklang, als sie längst wieder zuhause waren.
Nur 6000 Soldaten kehrten aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück
Nach Einstellen der Kampfhandlungen gingen zwischen dem 31. Januar und dem 2. Februar 1943 rund 110.000 Soldaten in sowjetische Kriegsgefangenschaft, nur etwa 6000 kehrten irgendwann zurück, weit über 250.000 Deutsche und Verbündete waren gefallen, erfroren, vermisst. Gleichwohl waren die Verluste unter den sowjetischen Soldaten weitaus höher, die Rede ist von einer halben Million Menschen, die in der Schlacht fielen.
Gesicherte Zahlen gibt es nicht. Viele deutsche Gefallene hat der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in große Sammelfriedhöfe wie Rossoschka umgebettet.
Madonnen-Denkmal in der Sommeracher Flur
Die Stalingrad-Heimkehrer Alois Gräfner und Valentin Einwich ließen zur Erinnerung an ihre glückliche Heimkehr ein Denkmal in der Sommeracher Flur errichten, das 1987 eingeweiht wurde. Es ist eine Madonna, die der Schwarzacher Bildhauer Hans Dresch in Muschelkalk gemeißelt hat.
Geschichte und Bedeutung dieses Gedenksteins hat Wolfgang Schramm im Jahrbuch für den Landkreis Kitzingen 2023 ausführlich beschrieben.
Hinweis: Autor Gerhard Bauer, der regelmäßig als freier Mitarbeiter für diese Redaktion schreibt, lieferte diesen Text als Gastbeitrag. Er ist Vorstandsmitglied des Bezirksverbandes Unterfranken des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge.