
Das Grundstück mit den Flurnummern 2735/2 und 2736 ist kein heimeliger Ort. Jahrelang stand darauf eine verfallene Lagerhalle, langsam zurückerobert von der Natur. Das Wort von der Industriebrache machte die Runde. Dann kam Karl Nestmeier. Der Kitzinger Immobilienmakler kaufte im Sommer 2020 das Areal am Stadtausgang in der Kaltensondheimer Straße, um es zu Bauland zu entwickeln. Gepflegte Ein- und Zweifamilienhäuser, Idylle am Stadtrand. „Wir wollen was Schönes daraus machen“, sagt Nestmeier im Gespräch mit der Redaktion.
Die alte Halle ist inzwischen abgebrochen, das Gelände geräumt. Dass sich dort etwas tut, fand auch die Stadt Kitzingen gut. Von Geschosswohnungen war im Stadtrat die Rede. Aber noch ehe die Stadt mit ihrer Idee durchdringen konnte, hatte Nestmeier auf dem 4000 Quadratmeter großen Gelände Fakten geschaffen. Die Frage ist nun: Haben da zwei aneinander vorbeigeredet und -geplant? Und: Was bedeutet das für den Traum jener Bauherren, die dort im guten Glauben schon Grundstücke gekauft haben?
Mit Schreiben vom 2. Oktober teilte Nestmeier der Stadt mit, dass das Areal mittlerweile in acht „kompakte Grundstücke für energieeffiziente Gebäude“ aufgeteilt sei und vier der acht Grundstücke bereits verkauft seien – verbunden mit der Zusicherung an die Eigentümer, dort Einfamilienhäuser bauen zu können. Wie kann das sein, wo doch noch nicht einmal ein entsprechender Bebauungsplan für das Gebiet existiert? Diese Frage stellten in der jüngsten Sitzung mehrere Stadträte.
Manfred Paul (SPD) sagte, das Gelände sei „prädestiniert für mehrgeschossigen Wohnungsbau“. Dass ein Teil der Grundstücke bereits verkauft sei und darauf Einfamilienhäuser entstehen sollen, sei „äußerst ärgerlich“ und die „städtebaulich falsche Entwicklung“. Ein gemeinsamer Antrag von SPD, Grünen und ÖDP hatte daher zum Ziel, den Plan für Geschosswohnungsbau weiter zu verfolgen – ungeachtet der von Nestmeier geschaffenen Fakten.
Stadtrat schwankt zwischen Vorwürfen und Verständnis
Was das angesichts der notariell beurkundeten Grundstücksverträge für die Bauherren bedeutet hätte, mochte sich Timo Markert (CSU) lieber nicht ausmalen. „Es wäre den Familien gegenüber nicht zu verantworten, wenn sie dort nicht bauen dürfen“, sagte er. Der Stadtrat sei „zu spät“ dran und müsse sich der Sache „jetzt fügen“. Jens Pauluhn entgegnete, es sei „blauäugig, ein Grundstück zu erwerben in der Erwartung, dass daraus mal Bauland wird“. Das könne schon sein, so Markert, „rechtlich“ bestehe für die frisch gebackenen Grundstückseigentümer sicherlich kein Anspruch, dort Einfamilienhäuser zu bauen, aber „moralisch“ könne und werde er sich diesem Wunsch beim jetzigen Sachstand nicht verwehren.
Stadtentwicklungsreferent Thomas Rank (CSU) erklärte, man brauche auch Angebote für Einfamilienhäuser. „Es wäre fatal, wenn wir in Kitzingen nur noch Geschosswohnungsbau hätten, und alle anderen bauen nach Rödelsee oder Iphofen.“ Für Manfred Paul liegt das Versäumnis bei Nestmeier. „Er hätte die Käufer darauf hinweisen müssen: Wir sind noch nicht durch auf dem Grundstück.“ Wieso aber wickelte Nestmeier die Grundstücksgeschäfte dennoch ab?

Spricht man mit dem Immobilienhändler und Projektentwickler, der Büros in Kitzingen und Aub (Lkr. Würzburg) hat, bekommt man eine gänzlich andere Version der Geschichte zu hören. „Regelmäßig“ habe er sich in der Sache mit dem Bauamt der Stadt besprochen, sagt Nestmeier. Von Anfang an habe er offen seine Idee von Ein- und Zweifamilienhäusern auf dem Gelände kommuniziert, und immer sei er damit „auf offene Ohren gestoßen“.
Die Pläne, die nun zur Umsetzung auf dem Tisch lägen und das Ergebnis „regelmäßiger Abstimmungen mit dem Bauamt“ seien, seien „nahezu deckungsgleich“ mit den ersten Planskizzen von Mitte 2020. Was Nestmeier damit sagen will: Das Bauamt habe nie gravierende Einwendungen erhoben. „Vor drei Wochen“ habe er dann erfahren: Die Stadt sähe an dieser Stelle gerne mehrgeschossige Wohnhäuser. Nestmeier fiel aus allen Wolken. „Darüber wurde von keiner Seite mit uns gesprochen.“
Der Leiter des Bauamts hält eine Verteidigungsrede
Nestmeier stützt sich auf „Gesprächsprotokolle“, die er angefertigt habe. Aus ihnen soll hervorgehen: „Es gab ganz klar Äußerungen, dass das so machbar ist wie von uns geplant.“ Fragt man ihn, wer im Bauamt sein Ansprechpartner gewesen ist, sagt er: „Da waren vier, fünf Leute involviert.“ Oliver Graumann ist seit zehn Jahren der Leiter des Bauamts. Nestmeier will er nie signalisiert haben, dass am Ende des gerade laufenden Bebauungsplanverfahrens etwas von Ein- oder Zweifamilienhäusern stehen werde. So machte es Graumann gegenüber dem Stadtrat deutlich. „Wir haben dem Investor gegenüber nie dargestellt, dass das Bebauungsplanverfahren ein solches Ende nehmen wird. Wir haben ihn städtebaulich beraten, aber ihm nicht das Ergebnis des Bebauungsplans dargestellt“, so Graumann. Was stimmt nun?
Für den Fortgang des Verfahrens hat das keine Bedeutung mehr, denn der Stadtrat hat sich mit 19:11 Stimmen dafür entschieden, die Idee der mehrgeschossigen Wohnhäuser an dieser Stelle nicht weiter zu verfolgen und den Ein- und Zweifamilienhäusern Vorrang einzuräumen. Noch ist nicht klar, wann das Bebauungsplanverfahren abgeschlossen und Baurecht erteilt sein wird. Schon jetzt, so heißt es, seien die Grundstückseigentümer mit ihren Projekten und Finanzierungen „erheblich in Verzug“. Nestmeier, der nicht nur die 360 bis 600 Quadratmeter großen Grundstücke vermarktet, sondern auf Wunsch auch die passenden Fertighäuser dazu, sagt: „Wir könnten morgen loslegen.“
In einer früheren Version des Artikels war die Größe des Grundstücks mit vier Hektar angegeben. Es sind aber 4000 Quadratmeter, also 0,4 Hektar.
Wenn ich an das Vorhaben im Schützenhaus-Areal denke...
Ich kann hier beide Seiten, deren Argumente verstehen, trotzdem ist die Sache nicht geklärt. Zwar moralisch verständlich, aber rechtlich alles sehr fragwürdig.
Aber das ist ja nicht der einzige Fall, in dem Imobilienbesitzer (damit meine ich nicht Otto Normalverbraucher) die Stadt, den Stadtrat vor vollendete Tatsachen gestellt haben. Ich erinnere mich noch daran, das im letzten oder vorletztem Jahr hier in der MP zu lesen war, dass bei einem Gebäude in der Innenstadt an der Fassade nichts hätte geändert werden dürfen, ein Imobilienbesitzer, welcher inzwischen selbst im Stadrat sitzt aber dies denoch getan hat (es ging damals um Dachfenster / Gauben). Auch hier hat es der Stadtrat letzendlich ohne Konsequenzen durchgewunken
Er hat quasi die Käufer betrogen. Und die Stadt soll das jetzt absegnen, damit er dann auch noch weitere Geschäfte machen kann...
Was hat er mit dem Bauamt besprochen?
Was steht in den Kaufverträgen?
Was hat er den Käufern wie zugesichert?
Wenn da nichts eindeutiges schriftliches vorhanden ist, kann auch ein Richter nichts machen. Und der Stadtrat ist ja schon eingeknickt.
Der Mann macht mit Parzellen und Einfamilienhäusern, die er auch gleich mit verkauft, auf jeden Fall ein besseres Geschäft als mit Geschosswohnungsbau (da brauchts ganz andere Investitionen), bei dem er nach dem Grundstücksverkauf außen vor wäre.
Heikel wird es aber richtig beim Verkauf der Grundstücke mit der Zusicherung der Baubarkeit von Einfamilienhäusern. Da sind wir ganz schnell bei der Zusicherung von falschen Tatsachen und nicht weit vom Betrug entfernt, vielleicht auch direkt beim Betrug.
Also sollte der Stadtrat frei und unbelastet von dem voreiligen Grundstücksverkauf entscheiden. Wenn der Bebauungsplan dann keine Einfamilienhäuser vorsieht kann der Immobilienentwickler die Familien entschädigen und die Verkäufe rückabwickeln.
Was aber nicht geht, dass erst rechtsunsichere Tatsachen von Dritten geschaffen werden, die dann vom Stadtrat notgedrungen abgenickt werden. Wenn das Schule macht, kann man den Stadtrat gleich auflösen.
https://www.mainpost.de/regional/kitzingen/wohnen-am-kitzinger-steigweg-wer-steckt-hinter-dem-projekt-art-10673361