Ein staubiger Parkplatz und eine verwucherte Industriebrache: Jahrelang interessierte sich kein Mensch für dieses Ödland in der Kaltensondheimer Straße am Stadtausgang von Kitzingen. Dann, im Herbst 2020, kam Bewegung in die Sache. Für beide Grundstücke tauchten plötzlich Pläne von Investoren auf mit dem Ziel, die brachliegenden Areale aufzuwerten.
Die Stadt sah die Chance, zwei unansehnliche Flächen in „hochwertiges Bauland“ zu verwandeln, und signalisierte Unterstützung. Doch kaum war die Sache im Stadtrat gelandet, gab es Ärger mit einem der beiden Vorhaben. Eine Front von Anwohnern des Fuchsgrabens formierte sich. Sie fürchten um ihre freie Aussicht, wenn das Projekt wie geplant realisiert würde, und waren deshalb am Donnerstagabend zahlreich zur Sitzung des Stadtrats erschienen.
Es geht um zwei getrennte Vorhaben mit zwei unterschiedlichen Investoren, 5700 Quadratmeter Wohnen auf zwei Grundstücken. Weil dafür aber der Bebauungsplan für das Gebiet geändert werden muss, werden die Projekte von der Stadt als Einheit behandelt. Das brachliegende Gewerbeareal soll zerschlagen und zu acht kleineren Bauplätzen für Ein- und Zweifamilienhäuser entwickelt werden. Projektträger ist die Kitzinger Nestmeier Immobilien GmbH. Unterhalb der bestehenden Bebauung am Fuchsgraben will der Kitzinger Unternehmer Dursun Kilic ein bis zu dreigeschossiges Gebäude für soziales Wohnen errichten. Ursprünglich war dort die Stadt als Bauherrin genannt, so konnte man es aus dem Exposé der Verwaltung lesen. Kilic gehören bereits die angrenzenden Blocks, im Volksmund als „bunte Häuser“ bekannt.
Immer mehr Stadträte griffen die Planung des Investors an
Während der Stadtrat die Bebauung der alten Industriebrache als weitgehend unproblematisch und „deutliche Aufwertung“ (Thomas Rank) betrachtete, entwickelte sich um das Projekt am Fuchsgraben ein Diskurs, der Züge eines Seminars für Bau- und Verwaltungsrecht trug. Als Knackpunkt erwies sich vor allem die geplante Bauweise mit drei Vollgeschossen. Von Bauamtsleiter Oliver Graumann als standortverträgliche Variante dargestellt, griffen während der anschließenden Debatte immer mehr Stadträte die Pläne des Investors an.
Jens Pauluhn (ÖDP) sagte, er finde in der Umgebung „kein einziges Gebäude“, das dreigeschossig und „in dieser Mächtigkeit“ gebaut sei. Mit Verweis auf den dort geltenden Bebauungsplan erklärte Pauluhn: „Die Stadt sollte sich nicht anmaßen, Grundzüge dieser Planung gegen die Interessen der Anlieger aufzugeben, um einem einzelnen Bauwerber zu wirtschaftlichem Erfolg zu verhelfen.“
Die Bedenken der Stadträte gingen quer durch die Fraktionen. Andreas Moser (CSU) erklärte, er sehe nicht, dass sich das Gebäude in die Umgebung einfüge. Manfred Paul (SPD) warnte, bei einer dreistöckigen Bebauung gehe die „Gleichförmigkeit“ an dieser Stelle verloren. Von Uwe Pfeiffle (FW-FBW) kam der Hinweis, der Bauherr möge einen „Höhenschnitt“ einreichen. Und Timo Markert (CSU) wünschte sich ein dreidimensionales Modell, um die Ausmaße abschätzen zu können. Laut Graumann liegen dem Bauamt bislang „keine konkreten Pläne vor, wie das Gebäude aussehen soll“. Auch diese Aussage zweifelte Pauluhn an. Er habe sehr wohl von Plänen gehört, die der Bauherr Interessenten schon präsentiert habe.
Ein Antrag mit Sprengkraft und ein Fall für Juristen
Weil sich die Zweifel an dem Projekt nicht ausräumen ließen, stellte Jens Pauluhn den Antrag, die beiden Vorhaben an dieser Stelle getrennt voneinander abzuwickeln. Behandelt die Stadt sie in einem Verfahren und kommt es, wie von Pauluhn angekündigt, „voraussichtlich“ zu einer Klage vor Gericht, wären beide Wohnbauvorhaben über Jahre eingefroren.
Damit war das Feld für die Juristen eröffnet. Paragrafen schwirrten durch den Raum, Rechtsauffassungen wurden ausgetauscht. Immer öfter schaltete sich Susanne Schmöger, die Rechtsdirektorin der Stadt, in die Debatte ein. Zwei Bebauungsplanverfahren für ein Gebiet nebeneinander laufen zu lassen, sei „aus juristischer Sicht absolut schrecklich“. Graumann, der ja nun auch kein Neuling in der Branche ist, sagte: „Einen solchen Fall hatte ich noch nicht.“
Dann stellte neben Pauluhn auch Andreas Moser einen Antrag: Die Gebäudehöhe für das Projekt am Fuchsgraben solle auf zwei Geschosse gestutzt werden. Oberbürgermeister Stefan Güntner (CSU), selbst studierter Jurist und von der Dynamik der Debatte überrascht, unterbrach daraufhin die Sitzung für fünf Minuten, damit die Fraktionen sich beraten konnten.
Bei der anschließenden Abstimmung gab es eine klare Mehrheit von 25:1 für den Antrag Mosers und eine Begrenzung der Gebäudehöhe auf zwei Vollgeschosse. In einem städtebaulichen Rahmenvertrag mit dem Investor will die Stadt nun fixieren, dass das Projekt tatsächlich nach den Standards für sozialen Wohnungsbau umgesetzt wird.