zurück
Iphofen
Hätte Schloss Neuschwanstein es verhindern können? Iphöfer Stadtrat genehmigt umstrittenen Weingut-Neubau
Der Standort gefiel nicht jedem, aber Winzer Andreas Weigand bekommt die Erlaubnis zu expandieren. Im Stadtrat reagiert man mit Befremden auf Einlassungen des Landratsamts.
Nicht mehr ganz unberührt ist die Landschaft im Iphöfer Naherholungsgebiet Schießgrund. Neben der Maschinenhalle sollen jetzt ein Weingut mit Ferienwohnungen und ein Wohnhaus entstehen.
Foto: Eike Lenz | Nicht mehr ganz unberührt ist die Landschaft im Iphöfer Naherholungsgebiet Schießgrund. Neben der Maschinenhalle sollen jetzt ein Weingut mit Ferienwohnungen und ein Wohnhaus entstehen.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:35 Uhr

Man wird die Geschichte des neuen Weinguts Weigand in Iphofen künftig nicht erzählen können ohne den Hinweis auf Schloss Neuschwanstein. Nicht dass man die beiden Bauten in irgendeiner Art miteinander vergleichen könnte, und doch musste das monströse Märchenschloss jetzt als Bezugsgröße herhalten. Man brauche schon ein Landschaftsschutzgebiet – oder eben Schloss Neuschwanstein in der Nähe –, um den umstrittenen Bau des Weinguts im Iphöfer Schießgrund zu verhindern. Beides sei an der geplanten Stelle nicht gegeben. So stellte es Zweiter Bürgermeister Hans Brummer am Montagabend im Rathaus dar, und so sah es auch der Stadtrat. Nach den Bedenken des Bauausschusses ging der Bauantrag des Weinguts also doch durch – mit breiter Mehrheit, aber unter heftiger Kritik am Landratsamt.

Am späten Nachmittag hatte noch einmal ein Ortstermin unter freiem Himmel stattgefunden – mit dem Bauherrn, Vertretern der Stadt und mit Michael Goller, dem Sachgebietsleiter Bauen und Planungsrecht am Kitzinger Landratsamt. Goller war es auch, der nach dem Aufschrei vergangene Woche im Bauausschuss mit einer schriftlichen Stellungnahme an die Stadt Klarheit zu schaffen versuchte. Und mit seinen Antworten bloß noch mehr Fragen und Zweifel aufwarf.

Iphofens Dritter Bürgermeister Jörg Schanow, ein promovierter Jurist, zerpflückte in der Sitzung die rechtlichen Einlassungen Gollers und nannte das von ihm verfasste Papier "ein bisschen dünn". Goller liege an etlichen Stellen daneben, habe etwa ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts genau falsch zitiert. Der Versuch von Bürgermeister Dieter Lenzer, Goller in die Sitzung am Abend zu holen, war gescheitert – offenbar hatte sich der Abteilungsleiter nicht auf ein Kreuzverhör einlassen wollen. Schanows Fazit: "Wenn es immer so läuft beim Landratsamt, wäre ich enttäuscht."

Landwirte sind privilegiert und dürfen auch im Außenbereich bauen

Auch Otto Kolesch hatte die Argumente der Behörde genau unter die Lupe genommen. Sein "persönliches Gefühl", so der langjährige Stadtrat, sage ihm, dass "hier Urteile und Passagen aus dem Baugesetzbuch falsch zitiert" worden seien. Das beginne schon bei der Privilegierung des Bauvorhabens.

Anders als Normalbürger dürfen Landwirte (und Winzer) auch außerhalb des Ortsgebietes Projekte ohne große Genehmigungsverfahren vorantreiben, wenn sie ihrer beruflichen Existenz dienen. Das bedeute aber nicht, dass auch alles erlaubt sei. "Die Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege können privaten Vorhaben entgegenstehen", so Kolesch mit Verweis auf zwei Urteile des Bundesverwaltungsgerichts. Bei einer "Verunstaltung der Landschaft" könne eine Kommune ihr Einvernehmen verweigern.

So sah es noch im Sommer 2021 im Iphöfer Schießgrund aus. Kurz darauf stand dort die Maschinenhalle des Weinguts Weigand.
Foto: Eike Lenz | So sah es noch im Sommer 2021 im Iphöfer Schießgrund aus. Kurz darauf stand dort die Maschinenhalle des Weinguts Weigand.

Doch damit fangen die Probleme schon an. Wer legt fest, was verunstaltend wirkt? Selbst Kolesch musste zugeben, dass "ästhetische Belange" schwer zu beurteilen seien. Bauherr Andreas Weigand sprach mit Blick auf die beiden Gebäude für Weingut und Wohnhaus von "typisch fränkischer Bauweise" mit viel Holz, viel Grün und großer Nachhaltigkeit. "Das wird eine Bereicherung für die Gegend sein." So sahen es auch andere im Stadtrat. "Das passt an dieser Stelle", sagte Hans Brummer. Bürgermeister Dieter Lenzer erklärte: "Ich kann nichts erkennen, was dagegen spricht."

Die Kritik von Matthias Schuhmann setzte an anderer Stelle an. "Wahnsinnig geärgert" habe ihn, dass seit mehr als einem Jahr "im Hintergrund" an dem Projekt gearbeitet werde und der Stadtrat erst spät davon erfahren habe. "Warum werden wir nicht rechtzeitig informiert?" Kolesch sagte: "Wenn jemand Privilegien genießt, wird erwartet, dass man sich auch privilegiert verhält. Alle waren informiert, nur der Bürgermeister und der Stadtrat von Iphofen nicht."

Diskussionen gab es schon bei der Erschließung des Baugebiets

Für Stadträtin Peggy Knauer ist dieser Vorwurf nicht nachvollziehbar. Die Planung der Familie Weigand sei "absolut vorbildlich" gewesen, das habe auch das Landratsamt bestätigt. "Man hat erst einmal geklärt, ob eine Ansiedlung möglich ist und ob es sich überhaupt lohnt, einen Bauantrag zu stellen." Dass man der Familie jetzt Steine in den Weg legen wolle, finde sie "etwas seltsam". Schon als die Stadt wegen der Erschließung des Baugebiets Ost IV an der Einersheimer Straße mit den Weigands über die Verlagerung einer Maschinenhalle verhandelt habe, habe sich die Familie sehr kooperativ gezeigt.

Der Ersatz für die Maschinenhalle entstand schließlich im Schießgrund, einem von manchem als wertvolles Naherholungsgebiet beschriebenen Stück Natur – nicht weit von der Stelle, an der jetzt auch das Weingut mit Vinothek und Ferienwohnungen sowie das Wohnhaus entstehen sollen. "Mir ist wichtig", so Andreas Weigand in der Sitzung, "dass wir etwas nicht gegen Iphofen machen, sondern für Iphofen." Sechs Stadträte stimmten gegen das Vorhaben, elf waren dafür.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Iphofen
Eike Lenz
Bauanträge
Bauen und Wohnen in der Region Kitzingen
Baugesetzbuch
Bundesverwaltungsgericht
Dieter Lenzer
Otto Kolesch
Stadt Kitzingen
Stadträte und Gemeinderäte
Weingüter
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • A. G.
    Hoffentlich verwendet er das vom Grundstück abgeleitete Regenwasser zum bewässern seiner Weinberge.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • S. O.
    Hoffentlich kommt der Bauherr nicht auch noch auf die verwegene Idee "wild" Photovoltaik aufs Dach zu setzen - das sieht man im Iphöfer Stadtrat wohl gar nicht gern... *Ironie aus*
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • P. K.
    Wer sich die Idylle mal ansehen will kann ja mal diese Google Maps Koordinaten ansteuern und sich dort umschauen. Das ist ziemlich genau der Punkt von dem aus die Fotos gemacht wurden.
    https://www.google.com/maps/place/97346+Iphofen/@49.6964764,10.272883,746m/data=!3m1!1e3!4m6!3m5!1s0x47a27a60be692d13:0x41db728f0621200!8m2!3d49.7019444!4d10.2578246!16zL20vMGZkc193
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. F.
    Danke für den Link.

    Da verstehe ich die Aufregung nicht, ist das Weingut Emmerich und ein landwirtschaftlicher Betrieb einen Steinwurf entfernt.

    In fränkischen Altorten neu zu bauen ist aber auch sehr schwer, Brandschutz 3m zum Nachbarn..... Wo haut das hin? Außerdem sind die Grundstücke in der Regel doch sehr begrenzt.

    Also hier muss man schon fair bleiben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Manche Privilegien gehen schon sehr weit!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. S.
    Man muss sich das Foto nur anschauen, schon wird klar: das dort ist alles, nur keine unberührte Natur, sondern eine jahrtausende alte Kulturlandschaft! Wäre es unberührte Natur, dann gäbe es dort keine Weinberge, noch Wiesen, sondern vor allem nur eines: Wald.

    Und diesen Fernblick erst recht nicht.

    Die Leute, die dagegen sind, sind einfach nur fehlgeleitete Romantiker, die wenig Ahnung davon haben, worüber sie eigentlich reden.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • E. K.
    Dort soll ein richtig schönes, großes Weingut in fränkischer Bauweise entstehen, zu dem man die Familie und Iphofen nur beglückwünschen kann.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. S.
    Unglaublich traurig!
    Naherholung und Natur weichen dem Kommerz und den Interessen Einzelner. Iphöfer Bürger sind entsetzt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • P. K.
    Nein, das persönliche Interesse einzelner anliegender Stadträte wollte verhindern, dass ein Familienbetrieb in der nächsten Generation fortgeführt und weiterentwickelt wird. DAS ist unglaublich traurig und entsetzlich!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten