
Licht in der Dunkelheit: Die ganze Nacht über hatten die Casteller Kirchenfenster in warmem Kerzenlicht geschimmert. Im Altarraum der Johanneskirche hielten Enkel von Marie-Louise Fürstin zu Castell-Castell, Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont abwechselnd Wache am Sarg, bis am Samstag um 11 Uhr die Trauerfeier begann. Da die Grafschaftskirche all die vielen Trauergäste aus nah und fern nicht fassen konnte, wurde der Gottesdienst ins Gemeindehaus übertragen.
Auf Wunsch der Verstorbenen gab es keine Nachrufe. Weder die Ehrengäste aus Politik und Wirtschaft noch die Verwandten ergriffen das Wort. Insgesamt waren alle 32 Enkel und 68 Urenkel zugegen, außerdem Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, die Landtags- und Bundestagsabgeordneten Barbara Becker und Anja Weisgerber, der frühere Wirtschaftsminister Michael Glos und Landrätin Tamara Bischof.

Die Verstorbene hatte schon zu Lebzeiten darum gebeten, dass Günther Klöss-Schuster, der jahrelang als Dekan in Castell wirkte, ihr Leben nachzeichne. Das tat er auf anschauliche, berührende Weise. Dazwischen ertönten Choräle, begleitet von Organist Walter Kreß, dem Casteller Posaunenchor sowie dem Kirchenchor.
Ergriffen lauschten die Gäste den Fürbitten, die sechs Enkelkinder vortrugen. Sie dankten Gott für ihre "wundervolle Omama" und baten ihn, deren Wunsch nach kirchlicher Einheit wahr werden zu lassen.
Keine Angst, keine Ungewissheit, kein Zögern oder Zaudern
Mit Marie-Louise zu Castell-Castell sei eine "wunderbare Persönlichkeit abgetreten". Eine Ära gehe zu Ende, blickte der ehemalige Dekan Klöss-Schuster auf ein 94-jähriges, bewegtes Leben. Sie sei bereit zum "Heimgehen" gewesen: Da sei keine Angst gewesen, keine Ungewissheit, kein Zögern oder Zaudern, nicht der geringste Zweifel.

Günther Klöss-Schuster erzählte, dass Marie-Louise sich gewünscht habe, auf "ihren" Vers aus dem Hebräerbrief – "Jesus Christus gestern, heute und derselbe auch in Ewigkeit" – einzugehen. Sie selbst und ihr Mann Albrecht hätten durch eine wachsende persönliche Verbindung zu Jesus nach einer tiefen Krise zu Beginn ihrer Ehe einen starken Halt für ihr ganzes Leben gefunden.
Marie-Louise Bathildis Elfriede Olga Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont wurde am 3. November 1930 in Kiel geboren. Mit ihren drei jüngeren Geschwistern wuchs sie in Lensahn (Schleswig-Holstein), auf, wo ihr Vater ein landwirtschaftliches Gut der Herzöge von Oldenburg leitete. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Familie im hessischen Arolsen, dem Sitz der Familie Waldeck, ansässig.

Nach der Mittleren Reife trat Marie-Louise nahe Hannover eine Lehrstelle in ländlicher Hausarbeit an. Als sie 20 Jahre alt war, lernte sie bei einem Faschingsball den jungen Albrecht Fürst zu Castell-Castell kennen. "Als er bei meinen Eltern um meine Hand anhielt, haben wir uns noch gesiezt", erzählte Marie-Louise später. Im Mai 1951 fand in Arolsen die Hochzeit statt.
Nach der sogenannten Heimführung ins Schloss Castell leitete sie den großen Haushalt, machte gern Hausbesuche bei ihren Mitbürgern, unterrichtete häusliche Krankenpflege, hielt Kindergottesdienste und Vorschule und schenkte zwischen 1952 und 1966 acht Kindern das Leben.

Zwei starben in jungen Jahren. Auf den Tag genau 50 Jahre vor ihrer eigenen Beerdigung war Maximilian, der älteste Sohn und Erbgraf, am 21. Dezember 1974 bei einem Unfall ums Leben gekommen. Trotz aller Trauer: Marie-Louise zweifelte nicht an ihrem Gott. Klöss-Schuster sagte: "Diesen Glauben hat sie nicht nur für sich gelebt, sondern hat ihn nach außen getragen. Sie hat für unzählige Menschen gebetet, im Alter noch mehr als vorher."
Für Marie-Louise war jede Form von Antisemitismus eine Beleidigung Gottes
Überhaupt sei für sie, wie auch für ihren 2016 verstorbenen Ehemann, Versöhnung ein Schlüsselbegriff gewesen. Da Jesus von Nazareth Jude war und die Juden Gottes auserwähltes Volk "und unsere älteren Brüder und Schwestern" seien, folgerte sie: "Jede Form von Antisemitismus ist eine Beleidigung Gottes."
Im Lauf von über sieben Jahrzehnten empfing Marie-Louise unzählige Gäste aus dem In- und Ausland. Sie war eine geschätzte Gesprächspartnerin, deren pfiffigen Humor auch viele Casteller mochten. So erzählte sie manchmal, sie habe innerhalb von zwei Jahren drei Kinder zur Welt gebracht. Dass die ersten beiden Zwillinge waren, verschwieg sie – und genoss sichtlich die Verwirrung ihres Gegenübers.

Klöss-Schuster erntete Schmunzeln, als er an die Worte erinnerte, die Fürst Albrecht kurz vor seinem Tod zu seiner Frau sagte: "Du wirst mal eine gute Witwe." Klöss-Schuster bestätigte: "Das war sie auch." Sie tat dann Dinge, die sie vorher nicht getan hatte, "zum Beispiel Spielfilme schauen und auch mal Bier trinken".

Nachdem ein langer Trauerzug, angeführt von den Casteller Schützen, den Großlangheimer Musikanten und gesäumt von der Feuerwehr, den Sarg zum Fürstenfriedhof begleitet hatte, erfolgte die Grablegung. Viele Trauergäste tröstete Marie-Louise selbst durch die Worte, die sie zuletzt immer wieder gesagt hatte: "Wenn du dich an Jesus hältst, werden wir uns wiedersehen!"
Der Trommelschlag hallte in den historischen Mauern wider

Am Vorabend hatte ein Fackelzug die Trauerfeierlichkeiten eingeleitet. Vertreter der örtlichen Vereine standen Spalier, ebenso die Angestellten der Castell'schen Betriebe. Marie-Louises große Familie und viele Casteller Bürger geleiteten den in die weiß-rote Casteller Fahne gehüllten Sarg vom Schlösschen in den Schlosshof und dann in die Kirche.
Unter die Haut ging vielen der Abschied im Innenhof des Schlosses, als die Bürgerwehr der Fürstin im Schein der Fackeln ein letztes Mal die Ehre erwies. Der Trommelschlag hallte in den historischen Mauern wider. Der Männergesangverein intonierte ein Lieblingslied der Verstorbenen: Mit "Mein Waldeck lebe hoch!" ging ein Gruß in ihre alte Heimat.
Was mir an der Beerdigung der Verstorbenen gefällt, ist die Art und Weise wie sie zu Grabe getragen wurde. Das sollte eigentlich Standard bei jeder Beerdigung jedes Menschen sein. Aber das ist eine Sache, die nur die Angehörigen etwas angeht. Leider wird ja oftmals das Requiem ohne den Verstorbenen selbst gefeiert - obwohl es ja um ihn geht. Statt dass der Sarg/die Urne ebenfalls in der Kirche ist und dann anschließend in einer Prozession zum Friedhof getragen wird (wie es früher immer war), spart man sich dies und lässt den Sarg/die Urne lieber gleich in der Aussegnungshalle stehen. Die Ausnahme ist zur Regel geworden.
Daher finde ich derartige Beerdigungen sehr gut und würdevoll. Sie zeigen, dass es auch anders geht. Ich glaube, dass man mit einer derartigen Feier und solchen Ritualen besser durch die eigene Trauer kommt. Aber das ist bei jedem anders.
Der Familie wünsche ich viel Kraft!
es ist sehr schade, dass Sie über eine Person urteilen, die Sie offensichtlich gar nicht gekannt haben. Sonst würden Sie so etwas nämlich nicht schreiben.
Die einschlägigen Klatschblätter aus dem Springer-Verlag werden vor Neid erblassen!