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Kitzingen/Würzburg
Geldbotin vor Gericht: Falsche Polizei will Seniorin um 20 000 Euro erleichtern
Eine Kitzingerin erhält Anrufe von Betrügern – und schaltet die Polizei ein. Deshalb schnappt die Falle zu, als die kriminelle Geldbotin die Ersparnisse abholen will.
Mit Plakaten wie diesem versucht die Polizei vor 'falschen Polizisten' zu warnen.
Foto: Martin Gerten, dpa | Mit Plakaten wie diesem versucht die Polizei vor "falschen Polizisten" zu warnen.
Franz Barthel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:44 Uhr

Wenige Tage vor Weihachten 2020. Eine 63-jährige Kitzingerin bekommt einen Anruf – angeblich von der Polizei. Die Frau wird eindringlich gewarnt, ihre Ersparnisse seien in Gefahr. Clevere Einbrecher mit Kontakten zu ihrer Hausbank hätten es auf das Geld der 63-Jährigen abgesehen, behauptet der vermeintliche Polizist am anderen Ende der Leitung.

Es soll nicht der einzige Anruf bleiben an diesem Tag: Immer und immer wieder warnen unterschiedliche Anrufer vom möglichen Verlust ihrer Ersparnisse. Worauf es hinaus läuft, ist schnell klar: Die Frau soll ihr Geld vor den – erfundenen – Einbrechern sichern und der Polizei geben. Eine hanebüchene Lügengeschichte, die zum Glück von der 63-Jährigen schnell durchschaut wird. Sie wendet sich umgehend an die echte Polizei, um dann nach deren Anweisung und unter Kontrolle mitzuspielen. Zum Schein lässt sie sich auf die Anrufer ein.

Die Betrüger am Telefon geben unterschiedliche polizeiliche Dienstränge an. Sie sind Profis im Einlullen und Märchen erzählen. Ihr Angebot an die Seniorin: Sie würden das Eigentum der Frau sichern und vorübergehend in Verwahrung nehmen. Es sei Gefahr im Verzug, erzählen sie. Bei der Festnahme einer Einbrecherbande habe man nämlich die Anschrift der Frau als geeignetes Einbruchsziel gefunden.

Es ist ein fast perfektes Lügengebäude, das da am Telefon aufgebaut wird. Und: Die Täter sind beharrlich. Einen ganzen Tag lang wird die Frau am Telefon abwechselnd von zwei Männern und zwei Frauen "bearbeitet". In Erinnerung bleibt dem Opfer, dass einer der falschen Polizisten starken thüringischen Dialekt sprach.

Zum Schein Geld geholt

Da man davon ausgeht, dass die Betrüger ihr Opfer bereits beobachten, holt die Frau in einer Bank-Filiale in der Kitzinger Siedlung vermeintlich 20 000 Euro zum Schein. Tatsächlich aber bekommt sie nur ein pralles Kuvert mit Papierstreifen.

Zu dem falschen Spiel gehört auch eine Geldbotin: Eine damals 47-Jährige soll die Ersparnisse der Seniorin "im Auftrag der Polizei" abholen. Die Botin ist jedoch nicht, wie oft in solchen Fällen, von weither angereist – sie wohnt in Kitzingen und lässt sich mit dem Taxi zum Tatort fahren. Am 18. Dezember 2020 gegen 15.15 Uhr nimmt die Botin dann laut Anklage und Ersturteil den Briefumschlag an sich, der für sie auf der Treppe vor einem Hauseingang abgelegt ist.

Danach schnappt die Falle zu und sie wird von den echten Polizeibeamten festgenommen, die sie in der Wohnung des Opfers erwartet haben. Die erste Reaktion der verhafteten Frau: "Ich hab nix gemacht; ich kann nix dafür!"

"Ich habe nix gemacht; ich kann nix dafür!"
Die Angeklagte will es nicht gewesen sein

In der Folge kam es zum Prozess: Vom Schöffengericht in Kitzingen ist die Frau, die freigesprochen werden wollte, vor einiger Zeit zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Dass sie fest in eine der Banden integriert war, die meist über Call-Center in der Türkei diese Delikte steuern, hat man der Angeklagten nicht nachweisen können. Daher wurde sie nur wegen versuchten Betrugs verurteilt. Die Staatsanwaltschaft war bei ihrer Anklage von einem Beitrag zum gewerbs- und bandenmäßigem Betrug ausgegangen. In der Verhandlung beschränkte die Angeklagte sich auf die Einlassung, dass sie mit der Geldübergabe, bei der sie festgenommen worden war, nichts zu tun habe. Irgendjemand habe ihre Personalien für die Tat verwendet, ohne dass sie davon etwas wusste.

Am Repperndorfer Berg gewendet

Bei der damaligen Verhandlung kam auch zur Sprache, dass die Angeklagte nicht zum ersten Mal Geld bei Opfern falscher Polizisten abholen sollte. Bei einer Fahrt zu einem "Einsatz" in Kist im Landkreis Würzburg sei am Repperndorfer Berg die Anweisung gekommen umzukehren, da die Sache abgebrochen wurde. Auch in Wörth am Main und Aschaffenburg sei die Frau für Übergaben vorgesehen gewesen, die ebenfalls nicht zustande kamen.

Jetzt sollte der Fall in der Berufungsinstanz beim Landgericht Würzburg noch einmal "durchgespielt" werden – aber die Anklagebank blieb leer. Zehn Minuten vor Beginn der Verhandlung rief die Angeklagte bei der Geschäftsstelle des Landgerichts an und teilte mit, dass um Kitzingen herum derzeit Stau auf den Straßen sei und sie deswegen etwas später kommen werde. Der Anruf kam aus ihrer Wohnung; beim Rückruf hat dort niemand mehr abgehoben.

Mehrere Verlegungen

Knapp eine Stunde lang hat die zweite Große Strafkammer des Landgerichts auf die Angeklagte oder eine weitere Rückmeldung gewartet, dann verkündete der Vorsitzende Richter Michael Schaller den Beschluss: "Die Berufung wird verworfen."

Gegen Mittag soll die Angeklagte erneut angerufen und mitgeteilt haben, sie sei inzwischen im Gericht, aber da sei keiner mehr. Die Verhandlung war schon wiederholt angesetzt und verlegt worden: Einmal wurde ein Attest vorgelegt, in dem es um die "seelische Gesundheit" ging, einmal ging es um einen internistischen Eingriff und dann um starke Schmerzen im Knie und dass sie niemanden kenne, der sie nach Würzburg fahren könnte.

Damit gilt jetzt das Urteil vom Kitzinger Amtsgericht – es bleibt bei der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.

 
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