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Marktbreit
Gegen den Leerstand: Wie Frauen die Marktbreiter Altstadt retten
Selbst ist die Frau – das scheint in Marktbreit zu gelten. Frauen führen viele Geschäfte in der Altstadt. Doch manche Probleme lassen sich auch mit Frauenpower nicht lösen.
Barbara Drochner-Grote, die schon für das niederländische Königshaus gearbeitet hat, verkauft nicht nur Tulpen in ihrem Laden.
Foto: Jutta Schwegler | Barbara Drochner-Grote, die schon für das niederländische Königshaus gearbeitet hat, verkauft nicht nur Tulpen in ihrem Laden.
Jutta Schwegler
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:05 Uhr

Ein Leerstand neben dem anderen – ein Problem in vielen Innenstädten. Nicht so in Marktbreit. Hier reiht sich ein kleiner Laden neben den anderen. Schon allein das ist bemerkenswert, doch noch auffallender ist: Hier herrscht Frauenpower.

Die Stadt ist fest in den Händen von Frauen, zumindest, was die Geschäfte in der Altstadt betrifft. Der Bürgermeister selbst ist nämlich ein Mann, Harald Kopp. Er erklärt sich sich die hohe Frauenquote so: „Frauen sind aktiver als Männer. “ Außerdem sei es "mit Frauen leichter, was Neues zu wagen“.

Stadt fördert Neugründungen

Kopp schätzt die gut gelingende, offene Kommunikation mit den Marktbreiter Geschäftsführerinnen. Vor einigen Jahren noch hatte Marktbreit viele Läden im Innenstadtbereich, nach und nach aber mussten viele schließen. Die Stadt überlegte sich, wie sie dem Missstand entgegensteuern könnte.

Erst war sie Angestellte, jetzt ist sie die Chefin. Cornelia Irmscher im Buchladen und Büromarkt Rauscher.
Foto: Jutta Schwegler | Erst war sie Angestellte, jetzt ist sie die Chefin. Cornelia Irmscher im Buchladen und Büromarkt Rauscher.

Seit einigen Jahren, noch von Altbürgermeister Erich Hegwein mit Kulturreferentin Christiane Berneth auf den Weg gebracht, fördert die Gemeinde Neugründungen mit bis zur Hälfte der Mietkosten im ersten Jahr. Bisher haben immerhin zwei Geschäfte nach diesem Modell geöffnet. Ihre Inhaberinnen sind Frauen: Cornelia Irmscher mit einer Buchhandlung inklusive Bürobedarf und Erika Eisele-Hupp mit einem Näh- und Creativstübchen.

Irmscher stand 2019 als Angestellte vor dem Problem, dass die Buchhandlung Rauscher mitten in Marktbreit schließen sollte. Ein Unding für Irmscher, die den Laden im März 2020 wiedereröffnete. Hierbei erfuhr sie großartige Unterstützung durch andere Geschäftsleute und ehemalige Kunden, eine treue Kundin trug sogar ein Gedicht zur Einweihung vor.

Frauen packten tatkräftig mit an

Erika Eisele-Hupp berät gerne im Näh- und Creativstüble. In ihrem Laden gibt es Nähmaschinenplätze für Hobbyschneider.
Foto: Jutta Schwegler | Erika Eisele-Hupp berät gerne im Näh- und Creativstüble. In ihrem Laden gibt es Nähmaschinenplätze für Hobbyschneider.

Natürlich war der Zeitpunkt schwierig, die Pandemie beutelte nicht nur dieses Geschäft schwer. Dazu kam ein Umbau. Cornelia Irmscher wusste bald kaum noch, wo ihr der Kopf stand. Aber auch hier halfen ihr Frauen: Ihre fünf Mitarbeiterinnen, die im Laden an ihrer Seite stehen und Christiane Berneth von der Stadt sprachen ihr immer wieder Mut zu und packten tatkräftig mit an.

Im Näh- und Creativstüble muss nicht unbedingt genäht werden. Kaffeetrinken, spielen und reden geht auch.  Und anders als es scheint, kommen nicht nur Frauen. 
Foto: Jutta Schwegler | Im Näh- und Creativstüble muss nicht unbedingt genäht werden. Kaffeetrinken, spielen und reden geht auch.  Und anders als es scheint, kommen nicht nur Frauen. 

Für das Näh- und Creativstüble renovierte Erika Eisele-Hupp mit Frauenpower den Laden in der Pfarrgasse selbst, verlegte neue Bodenbeläge, baute eine Küche ein. Das Ganze wirkt heute gemütlich, Nähmaschinen, Bügelbretter, Stoffe, Garnrollen und nebenan ein Raum, der vermietet wird. In dem man sich aber auch zweimal die Woche zum Kartenspielen, Kaffee trinken und Reden treffen kann, auch einen Ü-60-Treff gibt es.

Nähkurse für Kinder und Erwachsene

Mit der Unterstützung zweier Damen wird Kaffee gekocht und selbstgebackene Kuchen werden serviert, in Konditorqualität versteht sich. Dazu gibt es Nähkurse für Kinder und Erwachsene und sogar Kindergeburtstage mit Nähen und Waffelbacken.

Maria Maglia im Café Dolce Ambiente bäckt selbst und bietet auch Deftiges an.
Foto: Jutta Schwegler | Maria Maglia im Café Dolce Ambiente bäckt selbst und bietet auch Deftiges an.

Eine andere Newcomerin ist Maria Maglia mit dem Café Dolce Ambiente. Die temperamentvolle Italienerin übernahm das Café mit Außenterrasse am Schlossplatz 2018, modernisierte alles, schuf eine Atmosphäre zum Wohlfühlen: schöne Einrichtung, italienische Musik, gute Kuchen, auch was Deftiges, alles selbstgemacht. Sie startete mit großem Elan, musste aber bald merken, wie schwierig es ist, durchzuhalten: „Man arbeitet nur, um den Winter zu überleben.“

Die Touristen bringen den Umsatz

Die Touristen sind es, die den Umsatz bringen, hört man von ihr und in anderen Geschäften. Die Einheimischen fahren meist woanders hin. Aber auch sie betont den Zusammenhalt der Marktbreiter Geschäftstreibenden: Man mache sich Sorgen, wenn es bei einem Kollegen nicht so gut läuft, und hilft sich gegenseitig.

Brigitte Klauß hofft wie alle Geschäftsinhaberinnen auf bessere Zeiten trotz Corona.
Foto: Jutta Schwegler | Brigitte Klauß hofft wie alle Geschäftsinhaberinnen auf bessere Zeiten trotz Corona.

Seit 40 Jahren hat Brigitte Klauß ihren Friseursalon neben dem Schloss, etwas weiter hinten findet man in der Pfarrgasse Gabi’s Beauty  & Hair von Gabi Koch. Und man kennt sich gut, versteht sich, geht gemeinsam auf Lehrgänge, hilft sich gegenseitig. Tochter Verena arbeitet auch schon im Salon mit. Brigitte Klauß sagt: „Man muss viel PS in den Ellenbogen haben – und Köpfchen.“

Doch es gibt noch mehr geschäftstüchtige Frauen in der Marktbreiter Innenstadt. Seit elf Jahren beleben zwei weitere Geschäfte das Zentrum: das Salto Florale und das Tragbar und Allerliebst. Barbara Drochner-Grote fühlt sich sehr wohl in Marktbreit. Sie hat hat Anfang des Jahrtausends in den Niederlanden gelebt und dort bei den Hochzeiten des jetzigen Königs Willem-Alexander und seiner Brüder Johan Friso und Constantijn den Blumenschmuck dekoriert.

Heute in Marktbreit wird von Kunden weit über die Stadt hinaus gut angenommen und konnte in Corona-Zeiten durch fantasievolle Konzepte überleben. Aber auch hier gab es einen schlechten Start mit einem aufgegrabenen Schlossplatz im ersten Jahr, Durchhaltevermögen war gefragt.

Ein Wunsch der Chefinnen: weitere Kurzzeitparkzonen

Die Floristin liefert noch einen interessanten Aspekt: Ist das Tor zur Stadt wegen Bauarbeiten eine Zeitlang geschlossen, brechen die Umsätze zu 50 Prozent ein. Was deutlich macht, dass die Möglichkeit, das Auto in der Nähe eines Geschäftes abzustellen, eminent wichtig ist. Mehrfach wurde in verschiedenen Gesprächen von den Ladeninhaberinnen angeregt, weitere Kurzparkzonen einzurichten.

Kerstin Schad, Inhaberin von Tragbar und Allerliebst, im Gespräch mit Kundin Hilde Rode. 
Foto: Jutta Schwegler | Kerstin Schad, Inhaberin von Tragbar und Allerliebst, im Gespräch mit Kundin Hilde Rode. 

Kerstin Schad von Tragbar und Allerliebst begann zunächst als Modedesignerin und Hutmacherin, verkaufte dann allerlei Schönes, um schließlich ein Café mit Innen- und Außenbereich in einem kleinen Hinterhof anzuhängen. „Man wird nicht reich dabei“, sagt sie, „man muss das schon mit Herzblut machen“. Ein Aspekt, der vielleicht eher Frauen liegt?

Hilde Rode aus Hüttenheim, die gerade im Geschäft einkauft, besucht gerne in der Adventszeit die kleinen Läden, auch die in Marktbreit. „In den größeren Städten gibt es so viel Stress, hier kann ich mich in aller Ruhe umschauen“, sagt sie. Nebenan in der Marktstraße stellt Brunhild Schwertner ihre Bilder im nun leerstehenden Geschäft Söder aus, getupfte Farbflecke im impressionistischen Stil.

Wird die Schustergasse zur Kunsthandwerkergasse?

Dann die Schustergasse: Sie hat Potenzial zu einer Kunsthandwerkergasse. Im Fadenreich von Ute Scherer werden Tücher und Schals, Tischwäsche, Kissenbezüge und vieles mehr gewebt und handgearbeitet. Ein Schritt zurück in alte Zeiten mit Zukunftsperspektive. Nebenan ist eigentlich ein Leerstand, die Schaufenster beherbergen aber eine Ausstellung von Artbreit.

Weiter hinten finden sich zwei Häuser, die Familie Beutler sorgsam restauriert hat und im Untergeschoss für Ausstellungen und Konzerte zur Verfügung stellt. Sie wollen das Leben in Marktbreit mit bereichern. Und wieder einer Frau, nämlich Susanne Braterschofsky, dienen derzeit die Flächen als Ausstellungsraum. Und so bringt sie mit ihren Bildern, mit denen sie Kunst und Designvereinen will, Farbe in die Gasse.

Hilde Rode geht gerade in der Adventszeit gerne in Städten mit kleinen Geschäften einkaufen.
Foto: Jutta Schwegler | Hilde Rode geht gerade in der Adventszeit gerne in Städten mit kleinen Geschäften einkaufen.

Das ist noch längst nicht alles: Die Adler-Apotheke führt Brigitte Schmitt, Andrea Schneider hat die Schloss Apotheke, Ilona Müller das IM-Foto, Marion Strauss ihr Reisebüro, alles Läden mit Geschäftsinhaberinnen. Auch in der im März kommenden Vinothek Weindreieck wird mit Jasmin von Dungern eine Frau das Sagen haben.

Dazu kommen in der Innenstadt noch diejenigen, die als Paar arbeiten: Optik Röper und Ballwießer, die Haarmacherei von Carter und Dillamar, Friseur Mäder, Foto Schönherr von Edda und Wolfgang Mader, Telekommunikationsladen Mrass und Raumausstatter Kopp, wo Christiane Höfer den Laden führt, da ihr Lebensgefährte der oben zitierte Bürgermeister ist.

Doch ganz unter sich sind die Frauen nicht. In Toni’s Blumenladen hat Burkard Kuntzsch das Sagen, auch wenn die „alte Chefin“ Christa Stadler noch eifrig mitbestimmt und auch im gerade eröffneten Antiquitätenladen und in der Eisdiele Cremamarena haben die Männer das Sagen. Den Kunden ist es egal: Hauptsache es ist Leben in der Altstadt. 

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version stand, dass die neue Vinothek von einem Mann geführt wird. Das ist falsch und wurde ausgebessert. 

 
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