Wer in Kitzingen kennt ihn nicht? Erich Gahr, Biogärtner in Etwashausen und Gründer der Kitzinger Solawi, ist seit Jahrzehnten in seiner Mission "gesunde Lebensmittel, gesunde Umwelt" unterwegs. Der Mann mit Mütze und Arbeitshose ist zwar ein ewiger Schaffer, aber mit 70 Jahren hält er den Zeitpunkt nun für richtig, seinen Posten als Gärtner der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) Kitzingen zu übergeben: an die 38-jährige Gemüsegärtnerin Claudia Schlereth. Doch es gibt dabei einen Haken.
Gesunde Ernährung, biologischer Anbau und Frische
Solawi steht für Solidarische Landwirtschaft. Der Verein Solawi Kitzingen besteht derzeit aus gut 120 Menschen jeden Alters, denen gesunde Ernährung, biologischer Anbau und Frische wichtig sind. Sie arbeiten immer wieder zusammen mit dem Gärtner auf dem Acker, lernen Spannendes über Anbaumethoden und Pflanzenschutz. Jede Woche erhalten sie ein Sortiment mit frisch geerntetem Kitzinger Gemüse. Geerntet wird zweimal pro Woche: einmal für die Abholstellen, die sogenannten Depots, in Kitzingen, Volkach und Iphofen sowie für diejenigen in Randersacker, Marktbreit, Heidingsfeld und in der Sanderau.
Urgestein Erich Gahr will die Verantwortung abgegeben
Wenn Solawi-Gründer und -Gärtner Erich Gahr sich nun langsam aus der Verantwortung verabschieden will, bedeutet das im Umkehrschluss: Der Solawi-Verein muss mehr Verantwortung übernehmen. Er muss die Flächen und Maschinen, die Gahr für seinen eigenen Betrieb angeschafft hat, pachten. Und er muss jemanden einstellen, der auch gärtnerisch in Gahrs Fußstapfen treten kann.
Mit Claudia Schlereth hat die Solawi Kitzingen so jemanden gefunden. "Ich hab' Bock auf Solawi", sagt die gebürtige Würzburgerin. Sie hatte zunächst "Europastudien" studiert, ein halbes Jahr davon in Moskau, und ihren Bachelor gemacht. "Aber dann habe ich erkannt, dass ich viel lieber was Sinnvolles tun würde." Was dieses "Sinnvolle" ist, war spätestens nach einem Praktikum auf dem Demeterhof Wörle in Unterpleichfeld klar: "Gemüsebau ist mein Ding!"
Vom Schwarzwald an die Ostsee – und jetzt zurück nach Franken
Nachdem sie die staatliche Ausbildung im Gartenbau – Fachrichtung Gemüsebau – mit einer Auszeichnung für hervorragende Leistungen abgeschlossen hatte, arbeitete Schlereth zwei Jahre lang auf einem Gemüsehof im Schwarzwald, ehe es sie von ganz unten nach ganz oben in Deutschland zog: nach Schleswig-Holstein, wo sie in Rügge an der Schlei acht Jahre lang in einem Biolandbetrieb Erdbeeren und Gemüse anbaute. "Doch der Hof ist immer größer geworden. Irgendwann war das nicht mehr meine Welt."
Also inserierte sie in einem Netzwerk-Magazin ein Stellengesuch. Erich Gahr las es, man traf sich – und es passte. "Unser Solawi-Verein möchte Claudia Schlereth als Gärtnerin anstellen", sagt Georg Theisen, Vorsitzender des Solawi Kitzingen, "aber dafür können wir noch ein paar Mitstreiter brauchen". Derzeit hat der Verein 120 "Mitbauern", also Einzelpersonen und Familien, die für ihren Ernteteil einen festen Obolus zahlen. Wegen einiger nötiger Investitionen werden die Einsatzkosten momentan neu angesetzt.
Fazit: Damit die Solawi den Gemüsebau in Eigenregie übernehmen kann, braucht sie noch ein paar neue Begeisterte. Erich Gahrs Argumente dafür: "Unser Gemüse wird nicht von irgendwo hierher gekarrt. Wir wissen, wo und unter welchen Bedingungen unser Essen gewachsen ist: wassersparend und bodenschonend." Claudia Schlereth ergänzt: "Am liebsten würde ich alle Kitzinger, die kleinen und die großen, zu begeisterten Mitgliedern in unserem landwirtschaftlichen Betrieb machen – zu echten Solawistas."
Theisen wünscht sich das auch. Und er möchte er der neuen Vollzeit-Solawi-Gärtnerin "eine vernünftige Bezahlung" bieten können. Mit ihr teilt er den Wunsch, "dass Erich keine 70-Stunden-Woche mehr hat, sondern nur noch hilft, wenn es für ihn passt". Das neue Basislager der Solawi Kitzingen wäre künftig nicht mehr Gahrs Biobetrieb in der Etwashäuser Ortsmitte, sondern das schon bestehende Domizil am Storchwiesenweg. "Wenn wir 200 Mitbauern – Solawistas – hätten, wäre alles kein Problem."