
Portugal, Deutschland, Polen oder doch Italien? Pedro Martins da Silva könnte alle vier Länder bei der Fußball-Europameisterschaft anfeuern. Er stammt aus Portugal, ist mit einer Polin verheiratet, führt das italienische Eiscafé Cortina am Kitzinger Marktplatz und in Deutschland fühlt er sich mittlerweile heimisch. Für welche Mannschaft wird der 39-Jährige also jubeln? Der Portugiese lächelt bei der Antwort: "Ich bin nicht so fanatisch, freue mich aber, wenn Portugal gewinnt."
Als er das sagt, sitzt er auf der Terrasse seiner Eisdiele im Schatten der Schirme. Endlich Corona-Lockerungen, endlich Sommer! Endlich EM-Euphorie? "Nicht so wie normal", berichtet der Chef von den Eindrücken seiner täglichen Arbeit. Wegen Corona sei der Fußball für die Menschen nicht so wichtig wie sonst. Aber immerhin ins Café trauen sich die Leute wieder. "Manche Stammkunden hab ich echt lange nicht gesehen, aber langsam wird's."
Der Rentner-Stammtisch ist zurück
Wie zum Beweis füllen sich die Tische hinter ihm immer mehr. Dienstagvormittag ist Rentner-Stammtisch. Endlich wieder! Einen Cappuccino bitte – ein Fingerzeig genügt. Die Bedienung kennt die überwiegend männlichen Gäste der fröhlichen Runde. Aktuelle und ehemalige Stadträte, Gesprächsstoff gibt es reichlich, man kennt sich aus mit Kitzingens Stadtpolitik und drumherum. Und mit der Fußball-EM auch?
"Das ist doch ein Bayern-Spiel", tut einer seine Meinung zum Auftaktspiel der Deutschen am Abend gegen Frankreich kund. Pedro Martins da Silva hält das für einen Vorteil: "Dann sind sie eingespielt." Gereicht hat es bekanntlich dann doch nicht; Deutschland hat 0:1 verloren. Halb so schlimm, wenn man das Spiel gemeinsam mit Freunden gucken konnte. Bei ihm auf der Terrasse sei jedes Spiel zu sehen, verspricht der Chef. Tischchen raus, Fernseher drauf – fertig ist das Public Viewing.
Italienischer Ziehvater
Zum 2. Spiel der Deutschen gegen Portugal am Samstagabend um 18 Uhr ist es vermutlich ratsam, sich rechtzeitig einen Platz im Eiscafé Cortina zu sichern. Seit 2012 lebt und arbeitet der heutige Chef dort. Nach drei Jahren unter der Führung des italienischen Eigentümers Antonio Riccardelli konnte Martins da Silva dessen Eisdiele übernehmen. Der sei "wie ein Vater" für ihn, habe ihm eine Chance gegeben. Der Portugiese hat sie genutzt, wo er doch sowieso immer ins Ausland wollte. 2002 brach er auf nach Deutschland, seine Schwester und Eltern blieben in Vale de Cambra. Eine Stadt so groß wie Kitzingen, 50 Kilometer südlich von Porto.
In der alten Heimat werden am Samstagabend die drei fußballverrückten Neffen von Pedro Martins da Silva mitfiebern und – wie er – auf Ronaldos Stärke bauen. Mit dem Herzen wird er dann ein wenig in Portugal sein, obwohl es doch längst seiner neuen Heimat gehört. Und seiner polnischen Frau Mariola, die er hier kennengelernt hat.
Sofort in Kitzingen verliebt
Erstmals hatte Martins da Silva 2011 Kitzingen besucht, als gerade die Kleine Gartenschau stattfand. Ihn begeisterte, was er sah. Zehn Jahre später will er nie mehr weg: "Ich liebe diese Stadt und mag die deutsche Mentalität." Ob er deshalb auf Deutschland als Europameister tippt? Doch die Entscheidung, wer Portugal nachfolgen könnte, fällt ihm sichtlich schwer. "Es gibt einige junge Mannschaften, die überraschen könnten."
Und für welches der vier Länder wird der viereinhalbjährige Sohn jubeln? Für diese Frage haben seine Eltern eine sehr pro-europäische Antwort gefunden: David hat ein deutsches, ein polnisches, ein italienisches und ein portugiesisches Trikot. Damit dürfte er gut gerüstet sein, um bis zuletzt die passende Farbe parat zu haben.