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Iphofen
Ein Mann kämpft um die "Restschule"
Welche Zukunft hat die Mittelschule? Keine allzu rosige, wenn man sich etwa die Zahlen in Iphofen anschaut. Doch Jürgen Wolff will sich nicht mit dem Niedergang abfinden.
Rektor Jürgen Wolff geht (wie hier bei einer Veranstaltung im März 2019) auch schon mal auf die Bühne, um sich für die Iphöfer Grund- und Mittelschule Iphofen ins Zeug zu legen.
Foto: Caroline Münch | Rektor Jürgen Wolff geht (wie hier bei einer Veranstaltung im März 2019) auch schon mal auf die Bühne, um sich für die Iphöfer Grund- und Mittelschule Iphofen ins Zeug zu legen.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:47 Uhr

Da war es wieder, das "böse Wort", das Jürgen Wolff an diesem Tag eigentlich vermeiden wollte. Als es am Ende um die Zukunft der Iphöfer Mittelschule ging, nahm es der rastlose Rektor doch noch in den Mund: Restschule. Die Zahlen, die Wolff am Montag dem Stadtrat präsentierte, waren alarmierend, und vermutlich gerieten der erfahrene Pädagoge und das Gremium nur deswegen nicht in Alarmstimmung, weil sich beide Seiten längst an die Realität gewöhnt haben. Dass die frühere Hauptschule heute Mittelschule heißt, konnte an den Tatsachen nichts ändern: In der Mitte der Gesellschaft ist diese Schulform längst nicht mehr verankert. Und Wolff sagt: "Das ist so von den Eltern gewollt."

Seit fast zwei Jahren leitet Wolff nun die Dr.-Karlheinz-Spielmann-Schule in Iphofen, eine kombinierte Grund- und Mittelschule. Während es der Grundschule dank neu ausgewiesener Baugebiete und vieler Zuzüge noch gut geht (oder zumindest nicht schlechter als vor 20 Jahren), kämpft die Mittelschule mit massiven Problemen. Diese entstehen an der Schnittstelle, also wenn es an den Übertritt von der Grundschule auf weiterführende Schulen geht. Laut Wolff gibt es in diesem Schuljahr 28 Viertklässler. Für die Mittelschule bleiben ihm davon: ganze drei. Damit überhaupt eine fünfte Klasse zustande kommt, braucht es Kinder aus umliegenden Orten. Ihre Existenz verdankt die Schule dem vor mehreren Jahren geschlossenen Mittelschulverbund, dem neben Scheinfeld inzwischen auch Marktbreit angehört.

Bei der Mittelschule hören Eltern weg

Wolff sagt, Iphofen habe schon einmal "mehr als 400 Schüler" an der Mittelschule unterrichtet. Josef Mend sagt: "Als ich Bürgermeister wurde, hatten wir 550 Schüler." Das war 1990. Aber zehn Jahre später kam die erste Pisa-Studie – und mit ihr die Ansage der Vereinten Nationen, dass Deutschland zu wenig Akademiker habe. Seither ist die Zahl der Abiturienten fast jedes Jahr gestiegen, fast jeder zweite Schüler in Deutschland macht heute Abitur. Triebfeder hinter dieser Entwicklung sind für Wolff vielfach die Eltern; das erlebte er erst neulich wieder bei einem Informationsabend, bei dem die verschiedenen Schularten vorgestellt wurden. Als das Gymnasium an der Reihe war, seien die Eltern hellhörig geworden. Und die Mittelschule? Bekommt am Ende, was übrig bleibt. Sie wird zur "Restschule".

Zwischen 150 und 180 Schüler besuchen derzeit die Mittelschule Iphofen. Die Zahl schwankt, weil die leistungs- und lernwilligeren Schüler des M-Zugs, der zur Mittleren Reife führt, im Jahreswechsel in Iphofen und Scheinfeld unterrichtet werden. Peggy Knauer, selbst Lehrerin an der Grundschule und Stadträtin, sieht den "Todesstoß" für die Mittelschule in der zu frühen Auswahl. Während Haupt- und Realschüler in Bayern vor der Reform im Jahr 2000 bis zum Ende der sechsten Klasse gemeinsam lernten, werden sie seither nach der vierten Klasse am Ende der Grundschule getrennt. Dadurch wüchsen der Leistungsdruck auf die Kinder und der Entscheidungsdruck für die Eltern.

Vom Hühnerstall bis zum digitalen Angebot

Ein Schulleiter wie Jürgen Wolff, ein Mann von kräftiger Statur, erinnert in seinem Bemühen an den sagenhaften König Sisyphos, der immer wieder denselben Stein bergauf wälzen musste, ohne jemals den Gipfel zu erreichen. Er lässt Wände streichen, das Schulhaus entrümpeln, einen Garten anlegen, einen Hühnerstall oder eine Bühne in der Aula bauen. Er initiiert und moderiert den digitalen Wandel an der Schule, setzt sich für ein besseres Miteinander von Schule und Eltern ein – alles, um das Angebot möglichst attraktiv und reizvoll zu machen. Die Iphöfer Mittelschule bietet individuelle Förderung und sprachliche Hilfen, sie kooperiert mit regionalen Unternehmen wie Knauf oder Fritsch, arbeitet mit Partnern wie der Polizei und der Uni Würzburg zusammen, sie hilft und berät Schüler bei der Berufsfindung. Dies geht aus dem jüngsten Schulentwicklungsprogramm hervor, das regelmäßig dem Schulamt in Kitzingen vorzulegen ist.

Wolff hat die Mittelschule nicht aufgegeben. Er kämpft um sie – mit Ideen und Visionen. Er will "weg von starren Klassenzimmern und hin zu Lernlandschaften", wie sie in neueren Pisa-Studien empfohlen werden. Er weiß, dass es noch ein weiter und harter Weg sein wird und es längst nicht ausgemacht ist, ob die Trendwende beim Niedergang der Mittelschule gelingen wird. Er muss es mit Vorurteilen und mit Stimmen aufnehmen, wie der des Iphöfer Stadtrats Rupert Maier: "Es ist sehr enttäuschend, wenn ich Absolventen der Mittelschule sehe, die kaum ihren eigenen Namen schreiben können." Wolff hält dagegen. "Ich weiß nicht, wen Sie kennen." Er kenne eine Mittelschulabsolventin, die als Rechtsanwaltsgehilfin angefangen, später Jura studiert habe und nun als Anwältin arbeite. Und Wolff macht deutlich, dass dieser Fall sicherlich genauso wenig repräsentativ sei wie der von Maier geschilderte.

 
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