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Kitzingen
Krankenhausreform: Wenn die "Revolution" für die Klinik Kitzinger Land ausfällt
Was bedeuten die Reformpläne für das Krankenhaussystem für die Kliniken vor Ort? Kitzingens Klinik-Vorstand Thilo Penzhorn zeigt sich reserviert und sagt: nur eine Umverteilung.
Eine Luftaufnahme des Kitzinger Krankenhauses aus dem vergangenen Juni.
Foto: Johannes Kiefer | Eine Luftaufnahme des Kitzinger Krankenhauses aus dem vergangenen Juni.
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:56 Uhr

Diese Woche kündigte Gesundheitsminister Karl Lauterbach eine Reform des Krankenhaussystems vor. Dabei war gar von einer "Revolution" die Rede. Kliniken sollen nicht mehr so stark nach Fallzahlen bezahlt werden. Das Eindampfen der Wegfall der Pauschale soll den finanziellen Druck von den Kliniken nehmen. Wie revolutionär ist das alles? Thilo Penzhorn, Vorstand der Klinik Kitzinger Land, ordnet die Ankündigung ein – und kann sich nur sehr sparsam freuen.

Frage: Haben Sie auf die Krankenhaus-Reform angestoßen?

Thilo Penzhorn: Nein!

Aber Sie müssen doch erleichtert sein! Die Fallpauschale wird eingedampft, alles soll laut Bundesgesundheitsminister für die Krankenhäuser besser, leichter, entspannter werden...

Penzhorn: Erleichtert bin ich nicht. Die Fallpauschale fällt nur für Häuser weg, die keine Notfallversorgung betreiben. Für uns als Notfallversorger bleibt sie bestehen, auch wenn in den nächsten fünf Jahren deren Anteil von aktuell 80 Prozent auf 40 bis 60 Prozent gekürzt werden soll. Die Differenz soll als Vorhaltepauschale gezahlt werde. Wobei klar ist: Es gibt keine zusätzlichen Mittel im System, also nur Umverteilung des bestehenden Mangels.

Was war der große Nachteil dieser Pauschale?

Penzhorn: Sie hat die Vorhaltkosten nicht refinanziert und dazu gezwungen, Prozesse zu optimieren, um mit der Pauschale auskömmlich zu wirtschaften. Kliniken mit Spezialisierungen und keinen hohen Vorhaltekosten hatten den Vorteil, durch hohe Fallzahlen hohe Gewinne zu erwirtschaften. Häuser der Grund- und Regelversorgung, die die Daseinsvorsorge der Region sicherstellen und alle unangemeldeten Notfälle behandeln müssen, haben durch das System Nachteile, da wir 24 Stunden an sieben Tagen die Woche Personal aller Fachabteilungen im Haus haben, auch wenn keine Notfälle kommen. 

Thilo Penzhorn, Vorstand der Klinik Kitzinger Land.
Foto: Thomas Obermeier | Thilo Penzhorn, Vorstand der Klinik Kitzinger Land.
Haben Sie ein Beispiel, wie hoch die Pauschale etwa bei einem Blinddarmdurchbruch ist?

Penzhorn: Um die 3000 Euro.

Wie viel Zeit bleibt für die Behandlung und wie viel Zeit geht für die Dokumentation drauf?

Penzhorn: Jede Behandlung ist individuell und dauert entsprechend unterschiedlich lang. Die Dokumentation nimmt bis zu 40 Prozent der medizinischen Arbeit ein. Tendenz stetig steigend. Immer mehr Regeln und Gesetze mit immer neuen Meldungen, die wir an verschiedene Institutionen machen müssen und die uns täglich die Zeit stehlen.

Was weiß man schon über die „neue“ Abrechnung?

Penzhorn: Nichts.

Wie viel Arbeit, welche Umstellung kommt da auf die Kitzinger Klinik zu?

Penzhorn: Ich fürchte sehr viel. Die sogenannte Revolution könnte möglicherweise mehr Bürokratie als Veränderung und Verbesserung der Situation für die Kliniken bringen.

Karl Lauterbachs Revolutions-Versprechen...

Penzhorn: ...unterschreibe ich nicht. Diese plakative Politiksemantik macht nach meinem Eindruck häufig mehr Rauch als Feuer. Revolutionär ist möglicherweise jedoch, dass man in Regierungskreisen erkannt hat, dass die Situation der Kliniken prekär ist und dringender Handlungsbedarf besteht. Dafür, dass die Probleme seit über zehn Jahren bekannt sind, eine recht späte Einsicht. Alles weitere bleibt abzuwarten.

Über zehn Jahre Baustelle: Die Klinik Kitzinger Land wird generalsaniert.
Foto: Andreas Brachs | Über zehn Jahre Baustelle: Die Klinik Kitzinger Land wird generalsaniert.
Was müsste die Fallpauschale aus Ihrer Sicht ersetzen, damit es passgenau ist?

Penzhorn: Es ist wohl daran gedacht, eine Leistungskomponente und eine Vorhaltekomponente zu zahlen. Da das richtige Verhältnis bezogen auf die individuellen Belange jeder Klinik vor Ort zu erreichen wäre sachgemäß, aber auch eine Mammutaufgabe. Es darf auch nicht vergessen werden, dass die Bundesländer ihren Verpflichtungen bei der Investitionsfinanzierung nur nach dem Teilkasko-Prinzip nachkommen und damit auch ursächlich für die schlechte Finanzsituation der Kliniken in Verantwortung stehen. Es hört sich erst einmal viel an, wenn der Freistaat Bayern 630 Millionen Euro jährlich für Krankenhausinvestitionen ausgibt. Fakt ist jedoch, dass die Investitionsmaßnahmen der Kliniken damit nicht durchfinanziert sind.

Rücken durch den Abbau der Pauschalen wieder mehr die Patienten in den Mittelpunkt?

Penzhorn: Ich denke, dass in den Kliniken vor Ort der Mensch schon immer im Mittelpunkt gestanden hat. Die Kliniken haben immer investiert und sich weiterentwickelt. Sie haben zu einem nicht unerheblichen Anteil Defizite in Kauf genommen um, die Versorgung der Patienten stetig und nachhaltig zu verbessern. Es ist gut, wenn politisch nun die auskömmliche Finanzierung dafür umgesetzt wird.

Bei allem Wirbel gibt es da ja auch noch die Klinik-Sanierung – was wird aktuell umgebaut?

Penzhorn: Der OP-Bereich, außerdem Funktionsbereiche im 4. und 5. Stock des Hauptgebäudes.

Könnte man sagen, dass in etwa die Hälfte geschafft ist?

Penzhorn: Ja, das kommt hin. Der zweite Bauabschnitt soll im Frühjahr 2024 beendet sein.

Wie sehr beunruhigt Sie die Inflation im Bezug auf den Umbau?

Penzhorn: Die Steigerungen sind dort genauso hoch wie bei den Betriebskosten, insofern beunruhigt es mich gleichermaßen. Für den geförderten Teil der Baumaßnahme gibt es einen Baupreiskostenindex, der die Steigerungen bei den Fördermitteln mit berücksichtigt. Leider ist das aber, wie erwähnt, nur eine Teilfinanzierung. Der Eigenanteil verbleibt bei uns inklusive der Steigerungen und belastet unser Betriebsergebnis.

Ist schon der letzte Bau-Tag in Sicht?

Penzhorn: Nein.

Ganz ehrlich: Welches Baugeräusch können Sie nicht mehr hören?

Penzhorn: Grundsätzlich finde ich Baugeräusche eher beruhigend, denn dann weiß, dass der Bau voranschreitet. Die Schutzmaßnahme sind auch recht effektiv, so dass eine Lärmbelästigung nicht dauerhaft möglich ist. Persönlich finde ich das Geräusch, wenn eine Flex Stahl durchtrennt, sehr unangenehm.

Zur Person

Thilo Penzhorn ist seit 1. November 2012 Vorstand der Klinik Kitzinger Land. Mit damals 50 Jahren trat er die Nachfolge von Klaus Rihm an. Der diplomierte Betriebswirt war zuvor zehn Jahre lang Geschäftsführer des Klinikums Fränkische Schweiz in Ebermannstadt. Die weit über zehn Jahre dauernde Sanierung der Klinik ist eine der Hauptaufgaben und wohl auch größte Herausforderung für den heute 60-Jährigen. Die Kosten liegen bei voraussichtlich um die 100 Millionen Euro, insgesamt gibt es drei Bauabschnitte.
Quelle: fw
 
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