
Martin Deutsch ist Bayer, mit Leib und Seele. In Nordbayern geboren, in Südbayern aufgewachsen. Und dann dieser Werdegang: Ausbildung in Weihenstephan zum Bierbrauer, danach ein Diplom als Ökonom, berufliche Stationen bei der Kulmbacher Brauerei, bei Paulaner und Schneider.
Sein Karriereweg führte den Bayern Deutsch auch zu Apollinaris und schließlich zum Einbecker Brauhaus in Südniedersachsen. Doch für Deutsch gilt: einmal Bayer, immer Bayer. Er pendelt seit Jahren am Wochenende zu seiner Familie nach Fürstenfeldbruck.
Der Mann, der mit allen Bieren gewaschen zu sein scheint, kehrt nun zwar auch beruflich zurück in seine Heimat, betritt aber dennoch Neuland: Seit November leitet er als Geschäftsführer die Winzergemeinschaft Franken eG (GWF) in Repperndorf. Es könnte seine letzte Arbeitsstelle werden, zumindest als Angestellter. Denn Deutsch hatte sich schon zur Ruhe setzen, vielleicht noch einzelne Projekte als Selbstständiger übernehmen wollen, als er die Stellenanzeige der GWF las.
Daraufhin entschied sich der Getränke- und Vermarktungsexperte, in seinem 60. Lebensjahr nochmals durchzustarten. "Ich bin auch Weintrinker", bekennt Deutsch im Gespräch mit der Redaktion. Zugleich räumt er ein, dass er die Wein-Produktion den Fachleuten überlässt: den 890 aktiven Winzern der größten Winzergenossenschaft Frankens und den GWF-Beschäftigten in der Repperndorfer Zentrale.
Vermarktungsexperte Deutsch soll vor allem die GWF-Weine verkaufen

Damit wird schnell klar, warum die GWF Deutsch aus dem Quasi-Ruhestand rekrutierte: Die Winzergemeinschaft suchte keinen Weinexperten, der ihr sagt, wie man bessere Weine produziert. Sie suchte einen Vermarktungsexperten, der ihre Produkte gewinnbringend verkauft. Genau darin sieht Deutsch auch seine Stärke – egal, ob bisher beim Bier oder jetzt beim Wein.
Beide Getränke sind in Deutschland seit Jahren von zurückgehenden Verkaufszahlen betroffen, erklärt Deutsch. Gründe dafür liegen in der billigen internationalen Konkurrenz, im Vormarsch der Misch- oder der alkoholfreien Getränke. Beim Wein kommt dazu: schwankende Ernteerträge und schwankende Qualitäten. "Beim Bier musste ich mir um die Produktion keine Gedanken machen", sagt Deutsch.
Beim Wein erlebte die GWF in den vergangenen Jahren wiederholt Einbußen durch starke Fröste. Deutsch zitiert daher den Aufsichtsratsvorsitzenden Frank Ulsamer: Nach sieben mageren Jahren brauche die GWF nun sieben fette.
Doch während die Arbeit für die Winzerinnen und Winzer immer gleich bleibt, schwankt ihr Erlös, das sogenannte Traubengeld, in Abhängigkeit der verkauften Menge Wein. Da die GWF in den vergangenen fünf Jahren rote Zahlen geschrieben hat, sanken die Auszahlungen an die Traubenerzeuger kontinuierlich.
Ein Teufelskreis: Denn sollte sich der geringe Erlös auf die Motivation der Winzer auswirken, würde es am Ende bei Qualität und/oder Ertrag hapern. Wer mag die anstrengende Arbeit im Wengert noch gern leisten, wenn er nicht angemessen dafür bezahlt wird? Spätestens die kommende Generation stellt sich diese Frage.
Den produzierten Wein für auskömmliche Preise abzusetzen, hat für den neuen Mann an der Spitze deshalb Priorität. Das sei in der Vergangenheit vernachlässigt worden, erklärt Deutsch. Bei seinem Ziel sollen ihm sein Netzwerk in der Lebensmittelhandel- und Discounter-Branche sowie sein neuer Vertriebsleiter Sven Bautsch helfen. Obwohl die GWF ihre Weine schon heute von Hamburg bis München, von Berlin bis Köln vertreibt, geht laut Deutsch noch mehr.
So will der GWF-Chef künftig verstärkt den Getränkehandel für den Franken-Wein gewinnen. Dort sieht er Wachstumspotenzial. Andere Neukunden will Deutsch auf Messen gewinnen. Und sogar Vertriebswege ins Ausland möchte er anbahnen.
Alkoholfreier Wein und Mischgetränke erweitern die Produktpalette der GWF

Zusätzlich möchte er dem Zeitgeist entsprechend die Produktpalette erweitern: Erste Versuche mit alkoholfreiem Wein unternimmt die GWF bereits mit einem externen Produzenten. Deutsch hat aber das Ziel, dass die GWF irgendwann selbst die Technik und das Know-how besitzt, für sich und andere Winzer aus Franken alkoholfreien Wein herzustellen.
Bislang erinnert dieses Produkt noch wenig an Wein. Aber auch hier zieht Deutsch eine Parallele zum Bier: Anfangs von den Biertrinkern geschmäht, hat sich die Qualität der Alkoholfreien immer weiter verbessert, bis sie zum Alltagsgetränk geworden sind. Diese Entwicklung habe der alkoholfreie Wein noch vor sich, glaubt der GWF-Geschäftsführer. Auch Mischgetränke wie "Hugo" will Deutsch forcieren, um die GWF auf mehrere Standbeine zu stellen.

Gegen eine weitere Steigerung der Wein-Qualität positioniert sich der Marketing-Fachmann hingegen klar. "Die Qualität stimmt." Mehr Qualität bedeute mehr Aufwand und weniger Ertrag, rechnet er vor. Und sagt zugleich: "Für hochpreisige Weine gibt es nur eine kleine Käuferschicht." Diese "Genießer", wie er sie nennt, kann die GWF durch ihre Vinotheken erreichen; und daher will Deutsch gern noch mehr von ihnen eröffnen.
Für den Handel aber muss er Weine zu Preisen anbieten, die mit denen anderer Produkte aus dem In- und Ausland mithalten können. Gilt beim Bier ein Kastenpreis von 9,90 Euro als Untergrenze im Endverkauf, liegt der Kampfpreis bei der Flasche Wein bei 3,33 Euro, nennt Deutsch ein Beispiel. Also ist bei den Lebensmittelmärkten und Discountern Masse gefragt, denn 50 Prozent des Verkaufserlöses erzielt die GWF dort. "Der Erfolg steht und fällt mit dem Umsatz", bringt es Deutsch auf den Punkt.
Ein schmaler Grat: Es gab Zeiten, in denen der Ruf der GWF wegen des Vorrangs von Masse statt Klasse im Supermarktregal gelitten hat. Lange währte der Kampf zu beweisen, dass die Genossenschaft auch Qualität liefern kann. Und auch der Kundschaft gilt es zu vermitteln, warum der Bocksbeutel in den GWF-Vinotheken zu anderen Preisen angeboten wird als die Flasche Wein bei Aldi, Lidl & Co.
Der Geschäftsführer hat jedenfalls ein klares Ziel vor Augen: "GWF 70". Wenn die Winzergemeinschaft im Jahr 2029 ihr 70-jähriges Bestehen feiert, will er sie stabilisiert haben. Die Zeit bis dahin wird er brauchen, erklärt er zurzeit den Winzerinnen und Winzern auf seiner Vorstellungsrunde. In einem einzigen Jahr ließe sich die Entwicklung nicht drehen. Aber, so der Geschäftsführer, in einem Jahr müsse man Fortschritte sehen.
Martin Deutsch will so lange an Bord bleiben, bis er die GWF aus der Krise geholt hat, sagt aber auch: "Ich bin kein Zauberer." Und was wünscht er sich für die Zukunft? "Eine gute Ernte!"
mit besten Grüßen
Ihr mainpost.de-Team
Und die Winzer sollen z. B. in Iphofen mit erheblichen Beträgen die Bewässerung finanzieren. Das wird nicht funktionieren.
gez Lorenz Hofmann
Man braucht billigere Rohstoffe als die Konkurrenz.
Man braucht billigeres Personal als die Konkurrenz.
Also muss die GWF versuchen in ein Land auszuwandern wo beide Bedingungen erfüllt sind. Dieses Land müsste aber auch Franken heißen. Keine einfache Aufgabe.
Gesundschrumpfen geht ja leider nicht weil ja erst kürzlich in die Massenproduktion investiert wurde. Nur auf die ganz harte Tour wäre es möglich.
Gibt es nicht.