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Dornheim
Der Dorfplatz spaltet die Dornheimer
Mit seinen Ideen versucht der Stadtplaner, den ungeliebten Ortskern zu beleben und Geschichte greifbar zu machen. Aber manche wollen lieber dem Bürgermeister ein Denkmal setzen.
Gelegentlich kehrt Leben ein am Dornheimer Dorfplatz. Vielen ist dieser Ort mit seinem an das alte Rathaus erinnernden Fachwerk-Fragment aber zu kahl und unwirtlich. 
Foto: Brummer | Gelegentlich kehrt Leben ein am Dornheimer Dorfplatz. Vielen ist dieser Ort mit seinem an das alte Rathaus erinnernden Fachwerk-Fragment aber zu kahl und unwirtlich. 
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:30 Uhr

Als der Stadtplaner Franz Ullrich am Donnerstagabend den Saal des Dornheimer Schützenhauses betritt, läuft er wie alle anderen Besucher der Bürgerversammlung erst einmal gegen eine Wand. Irgendein Klimaexperte hat die Heizung voll aufgedreht, die Luft steht, es ist warm und stickig. Ullrich nippt kurz an seiner Cola, dann tritt er nach vorne, vorbei an den Leuten, die ihn später in seinem Vortrag stören werden, so dass er sagen wird: „Lassen Sie mich doch erst mal ausreden, bevor Sie mich rausschmeißen.“ Jetzt wirft Ullrich auch noch sein Jackett ab, was nicht so häufig vorkommt bei ihm, aber es ist einfach zu warm. Der Saal beruhigt sich rasch, kein Orkan der Entrüstung, noch nicht mal ein Sturm im Wasserglas. Es geht um die Gestaltung des Dorfplatzes, mal wieder. Da ist Dornheim einiges gewohnt.

Die Sicht des Planers erheitert die Leute

Es ist Jahre her, dass die Stadt dort das Fragment eines Fachwerks hat aufstellen lassen – just an der Stelle, an der einst das prachtvolle Rathaus stand, das Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Bomben der Alliierten fielen, in Schutt und Asche gelegt wurde. Ein Mahnmal soll es sein, doch seit das Holzgerippe steht, polarisiert es. Ullrich kennt die Diskussion im Dorf, er hat sie quasi geerbt von seinem Vorgänger Hartmut Schließer – und er versucht nun selbst, ihr eine Richtung zu geben. „Dieser Platz ist in Ihren Augen unwirtlich, kahl und unbelebt“, sagt er und es folgt jener Satz, der für einen Moment Unruhe in die Versammlung bringt. „Wenn man sich die Situation vom alten Schulhaus aus betrachtet, sieht der Platz viel schöner aus.“ Da bricht Gelächter aus unter den 70 Dornheimern im Saal.

Ullrich hat es fortan schwer, mit seiner Botschaft durchzudringen. Der Mann aus Bamberg, der dort nach eigenen Worten im Kunstverein sitzt, wirbt wortreich für seine Pläne. Doch für viele hört es sich an, als predige er über die Waschkraft von Persil. Er will den Platz aus dem toten Winkel holen und ihm Leben einhauchen. Das Fachwerk könnte um ein halbes Stockwerk erhöht, um einen Zwischenboden ergänzt und so zu einer Art Aussichtsplattform ausgebaut werden. Kinder könnten dort spielen und hochklettern. Und: Man könnte in das Fachwerk eine begehbare Box integrieren mit einem Monitor, auf der die Geschichte des Dorfes als Film läuft. „Das“, so sagt Bürgermeister Josef Mend, „wäre mal was anderes.“ Und im Saal ruft einer: „Machen wir doch lieber ein Bürgermeister-Mend-Denkmal.“

Der Bürgermeister flüchtet sich in Ironie

Der so Geadelte gibt sich keiner Illusion hin, dass er das Problem noch lösen kann, ehe er nächstes Jahr in den Ruhestand geht. Also versucht er es mit Ironie: „Am besten wäre, wenn ihr alle zusammenlegt und euer Rathaus selbst wieder aufbaut.“ Das wird vermutlich nicht passieren. Pragmatischer klingt da schon die Idee von Susanne Klein: „Warum macht man nicht die Bushaltestelle am Dorfplatz?“ Darüber, so sagt Mend, könne man zumindest diskutieren.

Auf eine lebendige Debatte hat sich der Bürgermeister auch in Sachen Friedhof eingestellt – ein „heikles Thema“, wie er aus 29 Dienstjahren weiß. Der „Konflikt“, von dem Mend an diesem Abend spricht, besteht darin, dass ein Teil der Grabeinfassungen – die Rede ist von sieben oder acht Gräbern – nicht jenen Regeln entspreche, die sich die Dornheimer selbst gegeben hätten. Wegen der unterschiedlichen Materialien – die Bandbreite reicht von Holz über Naturstein bis Blech – sehe es am Friedhof „kunterbunt“ aus, sagt auch der von der Stadt eingesetzte Friedhofsplaner Ralph Schäffner.

Kleine Grabhügel könnten die Lösung sein

Obwohl sich die „Abweichler“, wie Mend sie nennt, bislang nicht bewegt hätten, will er nicht zu Zwangsmaßnahmen greifen, sondern die Sache mit „vernünftigen Ansätzen“ lösen. Schäffner stellt dazu vier Varianten vor – von der wie mit dem Lineal gezogenen Grabeinfassung aus Muschelkalksteinen bis zu Grabfeldern aus Rasenfläche. Manche sympathisieren mit Einfassungen aus Stahl, andere möchten flexibel bleiben und den Höhenunterschied wegen des leicht am Hang liegenden Friedhofs lieber mit kleinen „Grabhügeln“ ausgleichen, die Schäffner „charmant“ findet.

Eines aber ist Planer und Bürgermeister wichtig: dass sich hinterher alle an die Regeln halten. Irene Ruß sagt in der Versammlung: „Vielleicht ist die Zeit noch nicht reif, und einige hängen noch den Steineinfassungen.“ Die Stadt will das Projekt nun „Schritt für Schritt“ mit dem Planer entwickeln, wie Mend sagt. Doch bis eine Lösung für den 50 Jahre alten Friedhof gefunden ist, kann es dauern. So lange soll an den Gräbern alles beim Alten bleiben.

 
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