Die Welle der Erkältungsviren war auch über Josef Mend mit Wucht hereingebrochen – und eigentlich hatte sich Iphofens Bürgermeister vorgenommen, die ohnehin lädierte Stimme zu schonen und mit möglichst wenigen Worten auszukommen. Am Ende aber musste er doch wieder die ganze Litanei herunterbeten, die er in Dornheim seit Jahren predigt. Der erhöhte Standort auf dem Podium des Schützenhauses bekam Symbolkraft: Mend sprach an diesem Abend von der Kanzel herab, und als regelmäßigem Besucher von Bürgerversammlungen in Dornheim kam einem diese Predigt bekannt vor.
„Sperrt die Straße einfach für Autos und lasst bloß noch Fahrräder zu.“
Diskussionsbeitrag Bürgerversammlung Dornheim
Wieder ging es um die Gestaltung der Ortsmitte, also jenen Bereichs, an dem einst das prächtige, mit Eichen-Fachwerk verzierte Rathaus des Ortes stand. Seitdem es kurz vor Kriegsende 1945 niedergebrannt worden ist, diskutiert man in der kleinen Gemeinde um einen Wiederaufbau. Weil es kein schlüssiges Nutzungskonzept für das Gebäude gibt, hat die Stadt schon vor Jahren die „große Lösung“ mit einem Neubau des Hauses verworfen. Nicht, ohne den Dornheimern eine Alternative anzubieten. An der Stelle, an der das Ratsgebäude stand, soll mit Balken aus Eichenholz ein Teil des Fachwerks nachempfunden werden. Das fertige, über Eck gebaute Werk sei zumindest ein Symbol, indem es die alten Fundamente aufnimmt.
Als der Bürgermeister am Dienstag die überarbeiteten Pläne präsentierte, war er guten Gewissens davon ausgegangen, dass auf dieser Grundlage im Sommer mit den Arbeiten begonnen werden könne. Doch die Signale, die er aus den Reihen der etwa 70 Dornheimer im Schützenhaus ortete, waren keineswegs so eindeutig, wie er es sich erhofft hatte. Es mag das sechste oder siebte Modell gewesen sein, das Mend nach eigenen Angaben in den vergangenen zwei Jahren mitbrachte, und doch stellte mancher wieder die ganze Planung in Frage.
Vor allem an der drei Meter in die Höhe ragenden Holzattrappe, die an das Rathaus erinnern soll, schieden sich die Geister. Ein „Klettergerüst für die Jugend“ erkannte nicht nur Oskar Albert in der Konstruktion. Und als aus einer anderen Ecke die Frage kam, ob es das Werk überhaupt brauche, fiel Mend nicht mehr ein als das: „Man braucht nichts zum Leben, außer Wasser und Brot.“
Einig: Brunnen rekonstruieren
Trotz intensiver Erörterung war es Mend am Ende nicht gelungen, die Gretchenfrage dieses Abends zu aller Zufriedenheit zu beantworten: „Wie stelle ich das Rathaus dar, ohne dass ich es wieder aufbaue?“ Mancher argwöhnte deshalb, halb belustigt, halb ernüchtert: „Fortsetzung folgt.“ Weitgehend einig waren sich Mend und die Dornheimer immerhin in einem anderen Punkt: Der ehemalige Dorfbrunnen soll ebenfalls rekonstruiert werden und wieder plätschern.
Einen dritten Brennpunkt im Dorf konnte der Bürgermeister zwar unter dem Sprichwort abhaken: „Was lange währt, wird endlich gut.“ Doch auch nach Sanierung der Friedhofsmauer, die rund 80 000 Euro gekostet hat, ist an dieser Stelle Handlungsbedarf angesagt. Es gibt keine Parkplätze – und da viele Friedhofsbesucher ihre Fahrzeuge auf dem Wirtschaftsweg direkt vor dem Eingang parken, beschweren sich Landwirte häufig über Behinderungen. Zu lösen war der Konflikt an diesem Abend nicht, mag die Diskussion auch ein breites Echo gefunden und Vorschläge wie diesen geboren haben: „Sperrt die Straße für Autos und lasst bloß noch Fahrräder zu.“
Am Schluss wurde es noch einmal hitzig, und Mend bekam einen Eindruck davon, warum er bei der Bürgermeisterwahl in Dornheim das mit Abstand schlechteste Ergebnis erzielt hat. Bei den 330 Bewohnern hatte er schon immer einen schweren Stand, und auch diesmal musste er sich von manchem Kritik gefallen lassen. Einige warten seit geraumer Zeit auf ihr Brennholz, das ihnen von der Stadt versprochen ist und das noch im Wald verstreut liegt – „eine Unverschämtheit“, rief einer. Zur Verteidigung sprang dem Bürgermeister Stadtförster Rainer Fell zur Seite.
Witterung behindert Holzabfuhr
Die Stadt, so machte Fell deutlich, habe sich zunächst auf das Wertholz konzentriert, weil damit die höchste Rendite erzielt werde. Das Brennholz solle als nächstes geliefert werden. Es sei aber wegen der schlechten Witterung derzeit problematisch, im Wald mit schwerem Gerät, also mit Rücke-Fahrzeugen, zu hantieren. Nicht alle wollten dies so hinnehmen, sehnten sich nach den alten Zeiten, als sie ihr Holz noch selbst machten. Für Mend klang das nach zu viel Nostalgie, aber zu einem kraftvollen Plädoyer reichte die Stimme nicht mehr.