
Seit einem guten Jahr gibt es das Brustzentrum am Maindreieck in der Klink Kitzinger Land. Chefarzt Dr. Andreas Cramer, Gynäkologe und Senologe, leitet die eigenständige Abteilung, die sich nur mit Erkrankungen der Brust beschäftigt. Für Frauen aus dem Landkreis Kitzingen hat das einen großen Vorteil: Ihre Brustkrebserkrankung kann heimatnah therapiert werden. Es war keine Seltenheit, dass Patientinnen vorher für ihre Therapie nach Heidelberg oder Fulda fahren mussten.
Ende Juni 2024 erhält das Brustzentrum eine Zertifizierung, die den Patientinnen die hohe Qualität der Behandlung garantiert. Cramer geht davon aus, dass in Kitzingen im Jahr zwischen 200 und 250 Mammakarzinome, also Tumore in der Brust, therapiert werden.

Unglücklich ist der Chefarzt mit dem neuen offiziellen Namen, den das unabhängige Institut Onkozert vorschreibt: Brustkrebszentrum. Auf der einen Seite, weil das Wort Krebs die Patientin aufschreckt. Auf der anderen Seite, weil Cramer und sein Team alle Erkrankungen der Brust, also auch gutartige Tumore, Entzündungen oder Fehl- und Missbildungen, behandeln.
Was ist ein Brustkrebszentrum?
Die Idee hinter einem Organzentrum ist es, und dazu zählt ein Brustzentrum, einen einheitlichen und hochwertigen Qualitätsstandard bei den Behandlungen zu schaffen. Mit jährlich wiederkehrenden Zertifizierungen werden die formulierten Qualitätsanforderungen streng überprüft. Diese Zertifizierung läuft über Onkozert, ein eigenständiges Unternehmen, das vor über 20 Jahren von der Deutschen Krebsgesellschaft ins Leben gerufen wurde.
In Organzentren arbeiten Mediziner aus unterschiedlichen medizinischen Bereichen zusammen. Dies bezeichnet Cramer als "revolutionär". Krebs sei stets eine sehr komplexe Erkrankung. Für die Heilung müssen laut Cramer das Wissen und die langjährigen Erfahrungen vieler Mediziner gebündelt werden, um gemeinsam an bestmöglichen Lösungen für die erkrankte Patientin zu arbeiten. Aktuell werden bundesweit 87 Prozent der jährlichen Brustkrebs-Neuerkrankungen in einem zertifizierten Brustkrebszentrum behandelt.
Warum wird in Kitzingen ein Brustkrebszentrum etabliert?
Grundlage war eine Bedarfsanalyse. In Deutschland erkranken im Jahr 72.000 Menschen an Brustkrebs. Das heißt, jede achte Frau wird krank. Rechnet man das auf die erweiterte Region Würzburg hoch, kommt man auf eine Neuerkrankungszahl von ungefähr 800 Mammakarzinomen pro Kalenderjahr in der Region. Die Uniklinik Würzburg behandelte bisher etwa 350 Brustkrebs-Erkrankungen im Jahr, die Missioklinik Würzburg etwa 200. Weil das Therapieangebot nicht ausreichte, wurden Patientinnen nach Bamberg, Erlangen, Fulda, Frankfurt oder Heidelberg geschickt.
"Wir wollten die Versorgung heimatnah mit einem hohen Qualitätsstandard anbieten", sagt Cramer und sieht sich bewusst nicht als Konkurrenz zu den Brustkrebszentren in Würzburg. "Jahrelang haben Frauenärzte ihre Patientinnen weit weg schicken müssen", sagt Cramer. "Sie sind jetzt glücklich und zufrieden, dass ihre Patientinnen zu uns kommen können."
Welchen Vorteil hat das Brustkrebszentrum an der Klink Kitzinger Land?

Das Zentrum in Kitzingen ist kleiner und familiärer. "Es gibt Menschen, die sich bewusst die universitäre Maximalversorgung wünschen. Und es gibt welche, die wollen gute Qualität, aber beschaulicher", erklärt Cramer. Er sieht den Kitzinger Vorteil im übersichtlichen Team. "Bei uns kann sich die Patientin darauf verlassen, dass sie immer die gleichen Gesichter zu sehen bekommt." Er als Arzt lege hohen Wert darauf, die Frau ganzheitlich zu betrachten. Durch die anstehende Zertifizierung ist die Qualität auch in Kitzingen garantiert.
Wer kann sich im Brustzentrum behandeln lassen?
Wer ins Brustzentrum geht, hat eine Erkrankung an der Brust. Es muss sich dabei nicht ausschließlich um Krebs handeln. Und es kommen nicht nur Frauen. Cramer rechnet, dass unter den etwa 200 Brustkrebsfällen im Kitzinger Zentrum etwa zwei bis fünf Männer jährlich behandelt werden. Vorsorgeuntersuchungen werden im Brustzentrum in aller Regel nicht durchgeführt. Hier besteht eine enge Kooperation zu den Gynäkologen und Radiologen der Region.
Wie wird die Therapie im Brustkrebszentrum organisiert?

Im Brustkrebszentrum sind Mediziner unterschiedlicher Fachgebiete tätig. So arbeiten in einem Netzwerk drei Senologen, also Fachärzte für Brusterkrankungen – ab Januar 2024 sind es vier –, Radiologen, Pathologen, internistische Onkologen, Strahlentherapeuten und eine Psycho-Onkologin eng zusammen. Dazu kommen eine medizinische Dokumentarin und eine Chefarzt-Sekretärin. Bei Pflegekräften und Anästhesisten greift das Brustkrebszentrum auf Personal der Klinik zurück.
Konkret kann man sich die Arbeit so vorstellen: Jede Woche findet eine Konferenz statt, in der alle Mediziner über die Patientin und ihre Therapie beraten. "Da wird auch kontrovers diskutiert", sagt Cramer. "Aber am Ende besteht immer ein Konsens." Ein klarer Lösungsansatz ist laut Cramer "extrem wichtig, zumal die Patientin sich in einer existenziellen Krise befindet". Cramer und sein Team erklären den Frauen ausführlich die Therapie mit allen Vor- und Nachtteilen, damit sie die richtigen Entscheidungen treffen können. Dabei gilt aber: "Die Patientin hat stets das letzte Wort."
Können Frauen etwas gegen Brustkrebs tun?
Nur bedingt. "Die Frau kann sich gegen Brustkrebs letztlich nicht wehren. Es ist ihr genetisch in die Wiege gelegt", sagt Cramer. "Sie kann ihm nicht entkommen, aber sie kann Vorsorge treffen." Zum einen ist da die allgemeine gynäkologische Krebsvorsorge beim Frauenarzt, zum anderen werden Frauen zwischen 50 und 70 alle zwei Jahre zum Mammographie-Screening, also einer speziellen Röntgenuntersuchung der Brust, eingeladen. "Noch immer werfen aber 40 Prozent der Frauen die Einladung achtlos in den Papierkorb", bedauert Cramer. "Im Erkrankungsfall kann die Patientin mit dem Behandlungsteam das Beste daraus machen. Ziel ist immer eine langfristige Heilung der Erkrankung."
Zwar sterben jedes Jahr immer noch circa 18.000 Menschen in Deutschland an Brustkrebs, aber je früher diese Erkrankung erkannt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man Brustkrebs langfristig überlebt. Cramer nennt Zahlen: Nach fünf Jahren leben fast 85 Prozent der Patientinnen noch, nach zehn Jahren sind es über 80 Prozent.