Für einen Moment wirkte dieser Kitzinger Kreistag wie die Miniausgabe der Spielshow „Wer wird Millionär?“ Dabei ging es um ein ernstes Thema. Dirk Albrecht stand vorne am Podium der Wiesentheider Steigerwaldhalle und zog den Publikumsjoker. „Wer von Ihnen nutzt die Katastrophen-Warn-App?“, fragte der Kreisbrandrat in die Runde. Zögerlich gingen ein paar Hände nach oben; zehn der etwa 50 anwesenden Kreistagsmitglieder meldeten sich. Kein gutes Ergebnis, aber es fügt sich in die Argumentation Albrechts.
Der oberste Feuerwehrmann im Landkreis, seit Anfang Juni im Amt, wollte sensibilisieren. Die Bilder der jüngsten Flutkatastrophe im Ahrtal im Kopf, sagte er: „Warnen ist das A und O.“ Und er schob den Satz hinterher: „Voraussetzung ist, dass der Bürger sich warnen lässt.“ Was genau meint er damit?
Die bisherigen Katastrophenszenarien im Landkreis gingen immer eher von einem Unfall im benachbarten Atomkraftwerk Grafenrheinfeld aus. „Viele Verschlussakten“ liegen dazu laut Landrätin Tamara Bischof noch im Landratsamt. Hätte es dort einen Unfall gegeben, wäre der Krisenstab des Landkreises im Katastrophenschutzkeller des Landratsamtes zusammengezogen worden. Auch einen Schutzbunker aus der Zeit des Kalten Krieges gibt es dort noch. Dass in Deutschland einmal mehr als 100 Menschen an den Folgen von Starkregen und Hochwasser sterben würde, war bis vor kurzem undenkbar. Jetzt wird der Fall als Bedrohungslage landauf, landab durchgespielt, auch im Kitzinger Kreistag, wo der SPD-Kreisrat Robert Finster am Dienstag die Frage stellte: „Sind wir gewappnet?“
Die Lehre aus der großen Flut: Bürger müssen informiert sein
133 Menschen kamen bei der Flutwelle Mitte Juli im Ahrtal ums Leben, viele könnten vermutlich noch leben, wenn die Alarmierung besser geklappt hätte. Eine der Lehren aus der jüngsten Katastrophe ist deshalb, das Bewusstsein der Bevölkerung zu schärfen. „Wir können informieren“, sagt Albrecht auf Nachfrage, „aber wenn der Bürger nichts davon wissen will, sind wir machtlos.“
Wer bis vor Kurzem mit den Broschüren zum Bevölkerungsschutz gekommen sei, den habe man „belächelt“. Der Landkreis Kitzingen wird demnächst drei weitere mobile Katastrophenschutzsirenen beschaffen. Albrecht sagt: „Dazu müssen die Bürger natürlich auch die Warntöne kennen.“ In Bayern weist ein einmütiger Dauerheulton der Sirenen laut Innenministerium auf „schwerwiegende Gefahren für die öffentliche Sicherheit“ hin.
Präziser und effektiver als Sirenen sind digitale Warn-Apps. Die App Nina des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sendet bei einem Unwetter oder Großbrand eine Push-Nachricht aufs Smartphone. Dafür ist eine Datenverbindung über Mobilfunknetz oder WLAN erforderlich. Die von Fraunhofer Fokus entwickelte und schon seit Längerem verfügbare App Katwarn funktioniert dagegen nicht nur auf Smartphones. Nutzer älterer Handys können sich die Warnungen auch als SMS schicken lassen. Der Deutsche Wetterdienst verfügt laut Albrecht ebenfalls über „hervorragende Werkzeuge“ – eingefärbte Wetterkarten etwa, die Farbe lila steht für Gewitter und Starkregen.
Für Kreisrat Finster ist klar: „Wir müssen die Bürger sensibilisieren.“ Da hakte Albrecht ein und sagte: „Mit Wir sind auch die Bürgermeister und Kommunen gemeint.“ Die Gemeinden müssten selbst präventiv tätig werden, müssten Fragen stellen wie: Welche Szenarien könnten uns treffen? Wie muss die Infrastruktur verbessert werden? Albrecht sagt: „Es gibt einen Punkt, wo mit Abwehr nichts mehr zu machen ist. Da geht es nur noch um Warnen und Evakuieren.“ Letztlich gehe es auch um kommunale Krisenstäbe, die im Notfall wichtige Ansprechpartner für Hilfs- und Rettungskräfte seien.
Wie viel verdienen der Kreisbrandrat und sein Führungsstab?
Als Mitte Juli die Flutkatastrophe über Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hereinbrach, war Albrecht gerade sechs Wochen im Amt. Mittlerweile hat er seinen engeren Führungsstab beisammen: drei Kreisbrandinspektoren in der ersten Hierarchieebene, neun Kreisbrandmeister in der zweiten, alles Männer, zuständig für bis zu 13 Ortswehren. Fragt man Albrecht, warum es keine Frau in seinem Team gibt, dann sagt er: „Das hat sich nicht ergeben.“ Zusammengestellt hat er seine Mannschaft selbst, es sind in der Regel Vertraute, mit denen der 46-jährige Marktstefter zum Teil seit Jahrzehnten arbeitet.
Der Kreistag hat jetzt auch die Aufwandspauschale für die ehrenamtlich Tätigen festgelegt. So erhält der Kreisbrandrat monatlich 1700 Euro, die Kreisbrandinspektoren jeweils 754 Euro und die Kreisbrandmeister zwischen 357 und 310 Euro. Alle diese Sätze liegen laut Landratsamt im staatlich vorgegebenen Rahmen.
Darum sollten verantwortungsvolle Politiker beides im Blick haben. Vor allem aber den Blick stärker auf die Vorsorge richten.
Prävention hiesse Flächenentsiegelung statt weiterer Versiegelung, Nationalpark Steigerwald, der ein Vielfaches an Wasserspeichervermögen hätte wie der jetzige Wald.
Teilumwandlung der riesigen Wein-Plantagen für das gefährliche Rauschgift Alkohol in Waldfäche. Etc.