Fragt man Annika Schanow, ob die USA immer noch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten seien, dann setzt ein 16-jähriger Teenager sein charmantestes Lächeln auf und sagt: „Ich finde es cool, wie viele Freiheiten man hier hat.“ Vier Jahre Trump, anderthalb Jahre Corona und eine tiefe gesellschaftliche Spaltung haben dem New Country offenkundig nicht so viel anhaben können, als dass es von vielen nicht immer noch als Sehnsuchtsland empfunden würde. Annika Schanow genügten für diesen Eindruck „ein paar Urlaube“, wie sie im WhatsApp-Gespräch erklärt, und ein nunmehr dreieinhalbmonatiges Auslandssemester. Seit Ende Februar ist die Iphöferin als Gastschülerin in den Vereinigten Staaten.
Jährlich verbringen nach Angaben der Ergo-Versicherung rund 14 000 Schüler zwischen der neunten und zwölften Klasse ein Austauschjahr im Ausland; sie leben dort in Gastfamilien, besuchen eine ausländische Schule und lernen Sprache, Kultur und Bildungssystem kennen. Die USA sind dabei noch immer beliebtestes Ziel der Jugendlichen, etwa 40 Prozent von ihnen entscheiden sich für die Vereinigten Staaten. Kanada und Neuseeland folgen mit weitem Abstand. 1948 gingen die ersten beiden deutschen Schüler in die USA, ein paar Jahre später verbrachten amerikanische Teenager einen ganzen Sommer in deutschen Gastfamilien. Die Idee des Schüleraustauschs war geboren.
Die Schule gründeten einst sieben Benediktinermönche
Annika Schanow lässt kaum einen Zweifel daran, dass sie im Land ihrer Träume angekommen ist. Das mag auch daran liegen, dass sie ihre Heimat nicht im erzkonservativen Milieu des Mittleren Westens oder Ostens gefunden hat, sondern im deutlich liberaleren Kalifornien an der Westküste – jenem Golden State, aus dem auch die demokratische Vizepräsidentin Kamala Harris stammt. Auf halber Strecke von San Francisco ins Silicon Valley liegt die Woodside Priory School, 1957 von sieben benediktinischen Mönchen aus Ungarn gegründet, von denen drei noch immer auf dem Schulgelände leben. Der Aufenthalt dort ist über ein Stipendium gedeckt, für das die Iphöferin ein Auswahlverfahren durchlief.
Der Heilige Benedikt ist sozusagen auch der Verbindungsmann von Woodside/Kalifornien ins rund 9000 Kilometer entfernte Kloster Münsterschwarzach, wo Annika Schanow eigentlich zur Schule geht, derzeit in die zehnte Klasse des Egbert-Gymnasiums. Schon mehrfach sind Schüler von dort zu einem Auslandsjahr in die USA aufgebrochen, noch nie aber unter solch widrigen Umständen und Unwägbarkeiten wie diesmal. Am 18. August 2020 sollte Annika Schanow ihren ersten Tag an der Highschool verbringen, doch es kam anders. Die USA im Lockdown, die Einreise aufgrund der Pandemie nicht möglich. Der lang gehegte Traum, er schien an einem heißen Dienstag im August zu platzen.
Der Start ins Schulabenteuer ist mit Hürden gepflastert
Statt jenseits des Atlantiks saß Annika Schanow diesseits des Großen Teichs – am Laptop ihres Kinderzimmers in Iphofen, wo sie Gelegenheit hatte, live dem Unterricht in Woodside zu folgen. „Nicht optimal“, sagt sie im Rückblick. Und doch war es ihr Fenster in die weite Welt. Über Monate ging das so, jeden Tag sechs Stunden, aufgrund der Zeitverschiebung oft bis 23 Uhr. Dann endlich die Nachricht, auf die sie so lange gewartet hatte: Im Februar, hieß es, könne sie ihre Reise antreten. Weil das Internat wegen der Pandemie noch geschlossen hatte, kam sie in einer Gastfamilie unter. Woodside, 5500 Einwohner, ein Vorort der Metropole San Francisco, laut Wikipedia 18 Kilometer von dort entfernt.
Annika Schanow glaubt die USA zu kennen, und doch ist sie überwältigt von den vielen neuen Eindrücken. Wollte man es auf den Punkt bringen, dann ist es wohl die Weite des Landes und der menschlichen Herzen, die sie sofort gefangen nimmt. „Die Menschen in den USA sind sehr offen, sie sind viel entspannter als in Deutschland, nicht so hektisch und gestresst“, sagt die 16-Jährige. Sofort fühlt sie sich geborgen in ihrer Gastfamilie, sogleich akzeptiert in der Gesellschaft. „Jeder hat hier eine tolle Geschichte zu erzählen, umgekehrt war ich überrascht, wie sehr sich die Leute für mich interessieren.“
In den USA hat Annika plötzlich nur noch sieben Fächer
Anfangs kämpft sie noch mit sprachlichen Hürden, aber die schwinden von Tag zu Tag. An der Schule wird sie mit offenen Armen empfangen, so erzählt sie es am Telefon. 375 Jugendliche gehen auf die Woodside Priory School, etwa halb so viele wie aufs Egbert-Gymnasium, Klassen und Fächerkanon sind deutlich kleiner. Auf sieben Schüler kommt ein Lehrer. Strukturell verengt sich das System in den USA nach der Grundschule auf die Highschool, während es sich in Deutschland in Mittel- und Realschule sowie Gymnasium weitet. Annika hat nicht mehr 16 oder 18 Fächer wie in Münsterschwarzach, sondern nur noch sieben: Mathematik, Englisch, Geschichte, Biologie, Religion, Spanisch und – Theater.
Ihr Schultag beginnt um 9.40 Uhr und endet gegen 14.45 Uhr, der Laptop gehört im Unterricht zu den wichtigsten Utensilien. Nachmittags treibt sie Sport, danach trifft sie sich mit Freundinnen. Hausaufgaben seien etwas umfangreicher, dafür „weniger anspruchsvoll“. Vom Distanzunterricht hat die Schule mittlerweile Abstand genommen, die Corona-Lage in den USA ist deutlich entspannter als zuletzt in Deutschland, was auch daran liegt, dass das Land mit den Impfungen schneller war. Annika Schanow hat sich in einem lokalen Drogeriemarkt impfen lassen – ohne großen Aufwand und viel Bürokratie.
Dreieinhalb Monate ist sie nun in Amerika. Einmal beginnt sie am Telefon englisch zu sprechen, an anderer Stelle sagt sie: „Mein Deutsch ist im Moment nicht so gut.“ Das spricht für ihre rasanten Fortschritte, nicht nur sprachlich. Auch in ihrer Persönlichkeit sieht sie sich gereift. Sie hat ihr Selbstbild poliert, hat sich fern der Heimat und ihres Elternhauses behaupten gelernt. Offener und interessierter sei sie geworden, aufgeschlossener und selbstsicherer, sagt sie selbst. Das deckt sich mit einer Studie der Uni Münster, in der es heißt: „Dabei haben wir festgestellt, dass bei den Schülern, die im Ausland waren, die positiven Bewertungen zur eigenen Person mit der Zeit angestiegen sind.“
Das ist es, was sie mit nach Hause bringen wird. An diesem Freitag ist ihr letzter Schultag in den USA. Am Montag wird sie wieder in der Heimat sein und den Rest des Schuljahres in der zehnten Klasse verbringen. Doch schon im August will sie erneut in die USA reisen, dann zu einem echten Auslandsjahr und im Internat der Woodside Primary School. Die elfte Klasse muss sie im Herbst 2022 zwar noch einmal in Deutschland machen, aber sie hat die USA, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, zu sehr ins Herz geschlossen, als dass sie auf diese Chance verzichten würde.
also für mich (und für weite Teile der Menschheit) sind Kosten sehr wohl relevant. Hier im Speziellen deutet sich mit einer katholisch-benediktinischen Reichenschule eine Allianz der Benediktiner mit den ‚Schönen und Reichen’ an.
Dass die Allianz von Religion und Macht, die auch mit einer Elitenbildung auf solchen christlichen Reichenschulen zu tun hat, von gesellschaftlicher Relevanz ist, zeigen gerade die USA.
Ohne die evangelikalen Christen wäre der pussy-grabber Donald Trump nicht 45. Präsident der Vereinigten Staaten geworden…
Aber ich gebe zu, solche Überlegungen sind in einer Lokalredaktion vielleicht fehl am Platz.
Nichts für ungut
Und mit freundlichen Grüßen
MP-log
die Woodside Priory School ist eine Partnerschule des Egbert-Gymnasiums, die schon häufiger Schüler/innen aus Münsterschwarzach zu Gast hatte. Für das Auslandsjahr kann sich Jede/r bewerben, das Auswahlverfahren leitet die Highschool in Woodside. Das Stipendium deckt den Aufenthalt an der dortigen Schule ab. Weshalb die Kosten deshalb eine Rolle spielen sollen (noch dazu einen fiktiven Gegenwert in Euro zu errechnen), erschließt sich mir nicht.
Eike Lenz, Reporter, Lokalredaktion Kitzingen
wie verhält es sich denn nun mit dem Stipendium? Was wird durch das Stipendium abgedeckt? Wer vergibt das Stipendium? Wie läuft das Auswahlverfahren? Wer wir für das Auswahlverfahren zugelassen? Wie hoch Gegenwert in Euro? Ist jeder Jugendliche zugelassen oder nur 'Handverlesene'?
Kommt noch etwas 'Butter an die Fische'?
ich habe Ihren Artikel sehr aufmerksam gelesen und so verstanden, dass lediglich das jetzige dreieinhalbmonatige Auslandssemester durch das Stipendium gedeckt ist.
Weiter unten schreiben Sie aber: "Doch schon im August will sie erneut in die USA reisen, dann zu einem echten Auslandsjahr und im Internat der Woodside Primary School."
Ist dieses nachfolgende "echte Auslandsjahr" auch durch ein Stipendium deckt?
Nebenbei lässt das 16jährige Mädchen einfließen, dass sie ihre Eindrücke auch auf „ein paar Urlaube“ im "Sehnsuchtsland" stützt.
Also, ich kann mir nicht helfen, aber das klingt doch nach dem ganz dicken elterlichen Geldbeutel.
Und hier schließt sich für mich die Frage an, warum jemand, der aus so gut betuchtem Elternhaus stammt, sich noch für ein Stipendium bewirbt.
Die Benediktiner könnten es wissen: „Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat. “ Mt 25,29
wenn Sie den Text aufmerksam gelesen haben, werden Sie auch gelesen haben, dass der Aufenthalt der Schülerin in den USA über ein Stipendium gedeckt ist und sie dafür ein Auswahlverfahren absolviert hat. Die Kosten spielen in diesem Fall also nur eine Nebenrolle.
Eike Lenz, Reporter, Lokalredaktion Kitzingen
"Der unterfränkische Baustoffhersteller Knauf aus Iphofen muss wegen verbotener Absprachen bei Rigipsplatten ein EU-Bußgeld von 85,8 Millionen Euro zahlen. Die Luxemburger EU- Richter bestätigten eine sechs Jahre alte Entscheidung der EU-Kommission. «85,8 Millionen Euro sind eine Menge Geld (...) und tun natürlich weh», sagte Unternehmenssprecher Jörg Schanow. "
Da sind 0, 078480 Millionen US-Dollar natürlich Peanuts.
Wer 78.480 US-Dollar für ein Schuljahr an der Katholisch-benediktinischen Privatschule aufbringen kann, der hat gut freilich gut und "charmant" Lachen.
Aber er bekommt auch etwas für sein Geld: „Auf sieben Schüler kommt ein Lehrer.“ Die „Persönlichkeit“ „reift“ im Turbo-Modus. Und das „Selbstbild“ wird auf Hochglanz „poliert“.
Doch Vorsicht: Es drohen auch Nebenwirkungen: Nach dreieinhalb Monaten muss man vielleicht sagen: „Mein Deutsch ist im Moment nicht so gut.“
Hoffentlich habe ich das Idyll jetzt nicht allzu sehr getrübt – oder gar gegen die Netiquette verstoßen. Doch die Kosten für diesen Spaß zu verschweigen ist zumindest eine gravierende Unterlassung.
78.480 US-Dollar Schulgeld pro Jahr sind mehr als eine Randnotiz.
Das ist ein Betrag, den die allermeisten Eltern nicht erübrigen können.
Die Woodside Primary School ist eine katholisch-benediktinische Reichenschule, die nur einer winzigen sozialen Schicht überhaupt offen steht.
Insofern ist der ‚Blick über den Tellerrand’ auch sehr relativ: Die reiche Oberschicht bleibt unter sich und lässt das Leben der Normalbürger außen vor.
Lesen Sie meinen Kommentar weiter unten, vielleicht verstehen sie es dann.
Wenn nicht, auch nicht schlimm.
Gottes Garten ist bunt…
Da ‚reift’ die ‚Persönlichkeit’ im Turbo-Modus. Da wird „das Selbstbild“ „poliert“ was das Zeug hält. Da scheint einem die Sonne aus dem A…
Ein bisschen Vorsicht ist trotzdem angezeigt: Nach dreieinhalb in Amerika heißt es: „Mein Deutsch ist im Moment nicht so gut.“
Diese junge Dame hat das Glück ein anderes Land und eine andere Kultur unbeschwert kennenlernen zu dürfen.
Ich bin überzeugt, das hier ein toleranter, weltoffener junger Mensch heranwächst.
Ich gönne der jungen Frau diesen Aufenthalt und auch das nachfolgende Jahr. Es ist nie vekehrt andere Länder und Kulturen kennenzulernen. Wie tief man darin eintaucht und wie sehr man sich damit beschäftigt und was man davon für sein Leben und sein Denken mitnimmt liegt an jedem einzelnen selbst!
Diese werden übrigens meistens von Kirchen betrieben. An vielen Kirchen sieht man die Tafeln mit den "Dienstleistungen" wie Vorschule für Kinder, Grundschule usw. in denen um Gemeindemitglieder geworben wird.
Leider gibt es auch noch ein anderes Amerika mit öffentlichen Schulen, deren Besuch oft schon die Aussicht auf die berufliche Zukunft sehr einschränkt. Was die unbegrenzten privaten Möglichkeiten betrifft sollte sich die 16-jährige vorher kundig machen, ich selbst (69) habe da schon ein paar Fettnäpfchen erwischt. Die Offenheit, das Interesse und die Freundlichkeit der Amerikaner ist da, aber leider oft auch sehr oberflächlich. 20 x am Tag zu hören "how are you" oder "your wellcome" ist nett gemeint, aber die wenigsten wollen darauf auch eine Antwort!