Libellen schwirren durch die Luft, Frösche geben lautstark ein Konzert, ein Reiher fliegt eine elegante Kurve übers Wasser, und eine Schildkröte sonnt sich im Schilf. Eine Schildkröte? Am Eichelsee in Mainbernheim? "Leider ja", sagt Sandra Malguth, Leiterin der Schildkrötenauffangstation in Hoheim. "Mittlerweile gibt es in fast jedem stehenden oder langsam fließenden Gewässer im Landkreis eine Schildkröte." Regelmäßig rufen Bürger bei ihr an und melden ein Tier. Auch von dem Exemplar im Eichelsee hat sie schon gehört. Es könnten auch zwei oder drei sein, sicher weiß das niemand.
Was exotisch aussieht, ist für die heimische Tierwelt ein Problem. Schmuckschildkröten, dazu gehört das Exemplar aus dem Eichelsee, zählen zu den invasiven Arten. Das heißt, sie fügen hiesigen Tieren und Pflanzen Schaden zu. "Junge Schildkröten fressen vor allem Laich, ältere dann Pflanzen", erklärt Malguth. Kaulquappen, Libellenlarven, kleine Fische und Amphibien stehen ebenfalls auf dem Speiseplan.
Natürliche Feinde: Fehlanzeige. "Der Mensch und eventuell mal ein Hund", nennt Malguth als mögliche Widersacher. Selbst den deutschen Winter überleben die Reptilien oft problemlos, wenn der See tief genug ist. Oder sie verbuddeln sich im Sand am Ufer.
Doch wie kommt die Schildkröte in den Eichelsee? Sehr wahrscheinlich wurde sie dort ausgesetzt. Eigentlich leben Schmuckschildkröten östlich des Mississippi in Amerika. In den Achtzigerjahren wurden die Tiere oft im Baumarkt oder der Zoohandlung verkauft. Was nicht berücksichtigt wurde: Die Tiere brauchen sehr viel Platz, die Haltung kostet viel Geld, und sie werden sehr alt. "40 bis 50 Jahre" nennt Malguth als Hausnummer.
Als immer mehr Schildkröten ausgesetzt wurden und die Europäische Sumpfschildkröte bedrohten, schob erst Deutschland (1994), dann die EU (1998) dem Import einen Riegel vor: Rotwangenschildkröten durften nicht mehr eingeführt werden. Die Folge: Jetzt wurden andere Schmuckschildkröten verkauft. Seit 2017 gilt deshalb für Rot- und Gelbwangen-Schildkröten ein europaweites Verkaufs-, Handels- und Zuchtverbot.
Wer noch eine Schmuckschildkröte hält, muss dafür sorgen, dass die Tiere nicht ausbrechen und sich nicht vermehren. Das erleichtert nicht gerade die Weitervermittlung von Fundtieren. In der Schildkrötenauffangstation ist nur Platz für Landschildkröten. "Aber wir haben ein gutes Netzwerk und helfen auf jeden Fall weiter", erklärt Malguth. Sie bittet, die Tiere nicht einfach in einem See auszusetzen. Auch vom Fangen rät sie ab. "Sie würden die Schildkröte gar nicht erwischen", sagt sie. "Sie sind scheu und unglaublich schnell." Es gibt aber eine Ausnahme. Ist das Tier weit weg von einem Gewässer, kann es sterben und sollte in die Auffangstation gebracht werden.