Politischer Krawall und Genmais, stehende Windräder und ein windzerzaustes Häuschen im Steinbruch an der A 3: Zum 50. Geburtstag der Bund-Naturschutz-Kreisgruppe Kitzingen sprechen Manfred Engelhardt, der dem Kitzinger BN seit 1990 vorsteht, und Gründungsmitglied Peter Krämer über das turbulente Leben als Umweltschützer. Und darüber, wie umweltfreundlich sie selbst leben und urlauben.
Manfred Engelhardt: Kurz gesagt: die Bedrohung der Welt. Allerdings empfindet die ja nicht jeder gleich.
Peter Krämer: 1973 war zwar die formelle Gründung des BN, aber auch vorher ist in Kitzingen schon einiges gelaufen. In den 50er-Jahren gab es eine eher heimatkundlich orientierte Gruppe um den damaligen Landrat Oskar Schad. Später trieb Bezirksheimatpfleger Dr. Andreas Pampuch den Naturschutz voran. Pampuch war allerdings eher ein Einzelkämpfer, bevor er dann die Kreisgruppe gründete.
Krämer: 80 Prozent aller BN-Kreisgruppen sind in den 70er-Jahren entstanden. Ich selbst bin seit den 60er-Jahren im Umweltschutz aktiv und erinnere mich gut, wie gerade junge Leute den Naturschutzgedanken in die Fläche brachten, Aktivitäten organisierten – und ja, auch die Politik aufmischten.
Krämer: Es ging wirklich heiß her. Unser Motto war: Als junger Student darf man sich was erlauben. Umweltschutz hatte in der breiten Bevölkerung noch nicht die Bedeutung wie heute. In Diskussionen ging es hoch emotional zur Sache. Plötzlich war Naturschutz etwas anderes als bisher. Bis dato hatte es die Schmetterlings- und Orchideensammler gegeben, die Vogelfreaks und die Tümpler. Jetzt ging es auf einmal ums große Ganze.
Engelhardt: Und die Anti-Atomkraft-Bewegung...
Krämer: …und erste Erkenntnisse zum Klimawandel machten die Runde. Der BN machte damals viel Bildungsarbeit. Vorträge und Exkursionen zogen die Menschen noch deutlich stärker an als heute. Gerade auch junge. Die Jugend im Landkreis schloss sich zusammen, auch politisch. Daraus ist Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre die BN-Jugend erwachsen. Wir haben einen kritischen Film zum Thema Natur und Umweltschutz produziert.
Engelhardt: Ein sichtbarer Erfolg ist in jedem Fall, dass der Steinbruch an der A 3 bei Dettelbach noch immer nicht verfüllt ist. Auch der Kampf gegen den Genmais – damals Mon810 – und der Einsatz gegen die Ansiedlung eines Centerparks im Landkreis haben Landschaften gerettet. Die Kleine Gartenschau in Kitzingen und etliche Volksbegehren gehören für mich auch dazu.
Krämer: Der Einsatz für den Naturschutz macht die Welt an vielen Stellen jeweils ein bisschen besser. Nehmen wir eine der ersten großen Aktionen als Beispiel: den Rodenbach, der zwischen Giltholz und Klosterforst im Zuge der Flurbereinigung ausgebaggert werden sollte. Was haben wir uns da reingehängt, um zumindest einen Kompromiss zu finden. Nur die feldseitige Böschung wurde gesichert, der Rest blieb natürlich erhalten. Wir haben den Bach vor den Arbeiten ausgekeschert und Böschungspflanzen ausgegraben. Auch durch solche Rettungsaktionen hat ein generelles Umdenken stattgefunden. Seit etwa 25 Jahren nimmt die Wasserwirtschaft Rücksicht auf Naturschutzbelange.
Krämer: Die Nutzung von Atomenergie ist hoch riskant, die Frage nach einem Endlager für den Atommüll noch immer ungeklärt. Wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen. Die jetzige Politik ist eine Politik der Notlösungen. Aus meiner Sicht ist die Investition in regenerative Energien weltweit das einzig Richtige.
Engelhardt: Ich bin sehr neugierig auf die Welt, kann aber sagen: Viele Flüge, die ich gerne gemacht hätte, habe ich nicht gemacht. Das heißt jetzt aber nicht, dass ich gar keine gemacht hätte. Der Umweltschutz gedeiht, wie vieles im Leben, auf der Basis von Kompromissen.
Krämer: Ich habe noch nie eine Flugreise gemacht. Wir fahren immer mit dem Zug in Urlaub und am Ziel laufen und wandern wir dann. Lange Zeit bin ich mit Bus und Zug auf die Arbeit gependelt. Das Auto nutze ich nur, wenn ich ins Gelände muss. Unser Essen besteht aus regionalen Bioprodukten. Ich bin schon der Meinung, dass wir in Zeiten des Klimawandels speziell in Sachen Artenschutz jedes Opfer bringen müssen, wenn Homo sapiens überleben soll.
Krämer: Es gibt nichts umsonst, klar. Aber warum stehen denn bei uns zum Beispiel die Windräder so oft still, obwohl der Wind weht? Weil unser Netz überlastet ist! Der regenerative Strom kann nicht eingespeist werden, obwohl wir seit Jahrzehnten um das Problem wissen – auch um das Problem der Speichertechnik. Das ist der eigentliche Skandal. Man kann mit umweltschonenden Techniken Geld verdienen, wenn die Rahmenbedingungen passen.
Krämer: Viele Leute, die klug, engagiert und mutig sind!
Engelhardt: Dass wir überflüssig werden, weil all das eintritt, wofür wir uns einsetzen. Und für mich persönlich, weil mich das auch emotional sehr bewegt: dass im Bereich der erneuerbaren Energien endlich richtig was vorangeht!
BN im Landkreis Kitzingen
Peter Krämer: Diplombiologe, Kitzinger Siedler, Urgestein und "Wasserfrosch" des Kitzinger BN.