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Landkreis Kitzingen
Anwalt für die Umwelt: Der Bund Naturschutz im Kreis Kitzingen wird 50 Jahre alt
So wurden aus Schmetterlings- und Orchideensammlern engagierte Aktivisten gegen die Umweltzerstörung. Ein Interview über Krawall und Kompromisse.
Der BN-Pionier: Andreas Pampuch pflanzte Mitte der 70er-Jahre mit dem Naturschutz-Nachwuchs in der Kitzinger Flur Bäume und Sträucher. 
Foto:  Frankenstudio/Rudi Krauß | Der BN-Pionier: Andreas Pampuch pflanzte Mitte der 70er-Jahre mit dem Naturschutz-Nachwuchs in der Kitzinger Flur Bäume und Sträucher. 
Diana Fuchs
 |  aktualisiert: 16.03.2023 03:40 Uhr

Politischer Krawall und Genmais, stehende Windräder und ein windzerzaustes Häuschen im Steinbruch an der A 3: Zum 50. Geburtstag der Bund-Naturschutz-Kreisgruppe Kitzingen sprechen Manfred Engelhardt, der dem Kitzinger BN seit 1990 vorsteht, und Gründungsmitglied Peter Krämer über das turbulente Leben als Umweltschützer. Und darüber, wie umweltfreundlich sie selbst leben und urlauben.

Herzförmige Lindenblätter zieren das BN-Logo, das an die Wand des Kitzinger Büros gemalt ist. Peter Krämer und Manfred Engelhardt (von links) sind seit Jahrzehnten im Zeichen der Linde unterwegs.
Foto: Diana Fuchs | Herzförmige Lindenblätter zieren das BN-Logo, das an die Wand des Kitzinger Büros gemalt ist. Peter Krämer und Manfred Engelhardt (von links) sind seit Jahrzehnten im Zeichen der Linde unterwegs.
60 Jahre nach dem bayerischen BN hat sich im Jahr 1973 auch in Kitzingen eine Kreisgruppe gegründet. Was war der Hintergrund?

Manfred Engelhardt: Kurz gesagt: die Bedrohung der Welt. Allerdings empfindet die ja nicht jeder gleich.

Peter Krämer: 1973 war zwar die formelle Gründung des BN, aber auch vorher ist in Kitzingen schon einiges gelaufen. In den 50er-Jahren gab es eine eher heimatkundlich orientierte Gruppe um den damaligen Landrat Oskar Schad. Später trieb Bezirksheimatpfleger Dr. Andreas Pampuch den Naturschutz voran. Pampuch war allerdings eher ein Einzelkämpfer, bevor er dann die Kreisgruppe gründete.

Wie gewann der Umwelt- und Naturschutz an Fahrt?

Krämer: 80 Prozent aller BN-Kreisgruppen sind in den 70er-Jahren entstanden. Ich selbst bin seit den 60er-Jahren im Umweltschutz aktiv und erinnere mich gut, wie gerade junge Leute den Naturschutzgedanken in die Fläche brachten, Aktivitäten organisierten – und ja, auch die Politik aufmischten.

Klingt fast nach Krawall!

Krämer: Es ging wirklich heiß her. Unser Motto war: Als junger Student darf man sich was erlauben. Umweltschutz hatte in der breiten Bevölkerung noch nicht die Bedeutung wie heute. In Diskussionen ging es hoch emotional zur Sache. Plötzlich war Naturschutz etwas anderes als bisher. Bis dato hatte es die Schmetterlings- und Orchideensammler gegeben, die Vogelfreaks und die Tümpler. Jetzt ging es auf einmal ums große Ganze.

Mahnmal: Das baufällige Häuschen im Steinbruch bei Dettelbach zeugt noch heute von der umstrittenen Flächennutzung. 
Foto: Michaela Stumpf | Mahnmal: Das baufällige Häuschen im Steinbruch bei Dettelbach zeugt noch heute von der umstrittenen Flächennutzung. 
Und die Geschichte gab den BN-Aktiven recht. Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre beherrschten Waldsterben und saurer Regen die Nachrichten.

Engelhardt: Und die Anti-Atomkraft-Bewegung...
Krämer: …und erste Erkenntnisse zum Klimawandel machten die Runde. Der BN machte damals viel Bildungsarbeit. Vorträge und Exkursionen zogen die Menschen noch deutlich stärker an als heute. Gerade auch junge. Die Jugend im Landkreis schloss sich zusammen, auch politisch. Daraus ist Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre die BN-Jugend erwachsen. Wir haben einen kritischen Film zum Thema Natur und Umweltschutz produziert.

Als 'die Jugend die Initiative ergriff' (Ausschnitt aus der Kitzinger Zeitung), war Peter Krämer mittendrin.
Foto: Diana Fuchs | Als "die Jugend die Initiative ergriff" (Ausschnitt aus der Kitzinger Zeitung), war Peter Krämer mittendrin.
Was sind für Sie die größten Erfolge des BN Kitzingen?

Engelhardt: Ein sichtbarer Erfolg ist in jedem Fall, dass der Steinbruch an der A 3 bei Dettelbach noch immer nicht verfüllt ist. Auch der Kampf gegen den Genmais – damals Mon810 – und der Einsatz gegen die Ansiedlung eines Centerparks im Landkreis haben Landschaften gerettet. Die Kleine Gartenschau in Kitzingen und etliche Volksbegehren gehören für mich auch dazu.
Krämer: Der Einsatz für den Naturschutz macht die Welt an vielen Stellen jeweils ein bisschen besser. Nehmen wir eine der ersten großen Aktionen als Beispiel: den Rodenbach, der zwischen Giltholz und Klosterforst im Zuge der Flurbereinigung ausgebaggert werden sollte. Was haben wir uns da reingehängt, um zumindest einen Kompromiss zu finden. Nur die feldseitige Böschung wurde gesichert, der Rest blieb natürlich erhalten. Wir haben den Bach vor den Arbeiten ausgekeschert und Böschungspflanzen ausgegraben. Auch durch solche Rettungsaktionen hat ein generelles Umdenken stattgefunden. Seit etwa 25 Jahren nimmt die Wasserwirtschaft Rücksicht auf Naturschutzbelange.

Ich habe noch nie eine Flugreise gemacht. Das Auto nutze ich nur, wenn ich ins Gelände muss.
Peter Krämer, Naturschützer
Was halten Sie davon, angesichts der Energiekrise am Ausstieg aus der Atomenergie festzuhalten?

Krämer: Die Nutzung von Atomenergie ist hoch riskant, die Frage nach einem Endlager für den Atommüll noch immer ungeklärt. Wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen. Die jetzige Politik ist eine Politik der Notlösungen. Aus meiner Sicht ist die Investition in regenerative Energien weltweit das einzig Richtige.

Wie oft sind Sie in Ihrem Leben geflogen?

Engelhardt: Ich bin sehr neugierig auf die Welt, kann aber sagen: Viele Flüge, die ich gerne gemacht hätte, habe ich nicht gemacht. Das heißt jetzt aber nicht, dass ich gar keine gemacht hätte. Der Umweltschutz gedeiht, wie vieles im Leben, auf der Basis von Kompromissen.
Krämer: Ich habe noch nie eine Flugreise gemacht. Wir fahren immer mit dem Zug in Urlaub und am Ziel laufen und wandern wir dann. Lange Zeit bin ich mit Bus und Zug auf die Arbeit gependelt. Das Auto nutze ich nur, wenn ich ins Gelände muss. Unser Essen besteht aus regionalen Bioprodukten. Ich bin schon der Meinung, dass wir in Zeiten des Klimawandels speziell in Sachen Artenschutz jedes Opfer bringen müssen, wenn Homo sapiens überleben soll.

Im Juli 2011 begutachteten Interessierte den Steinbruch an der Autobahn bei Dettelbach, ein  Biotop für bedrohte Arten.
Foto: Ottmar Deppisch | Im Juli 2011 begutachteten Interessierte den Steinbruch an der Autobahn bei Dettelbach, ein  Biotop für bedrohte Arten.
Was antworten Sie, wenn jemand behauptet, Umweltschutz gehe zu Lasten des Wirtschaftswachstums?

Krämer: Es gibt nichts umsonst, klar. Aber warum stehen denn bei uns zum Beispiel die Windräder so oft still, obwohl der Wind weht? Weil unser Netz überlastet ist! Der regenerative Strom kann nicht eingespeist werden, obwohl wir seit Jahrzehnten um das Problem wissen – auch um das Problem der Speichertechnik. Das ist der eigentliche Skandal. Man kann mit umweltschonenden Techniken Geld verdienen, wenn die Rahmenbedingungen passen.

Was ist Ihr sehnlichster Wunsch für die Zukunft des BN?

Krämer: Viele Leute, die klug, engagiert und mutig sind!
Engelhardt: Dass wir überflüssig werden, weil all das eintritt, wofür wir uns einsetzen. Und für mich persönlich, weil mich das auch emotional sehr bewegt: dass im Bereich der erneuerbaren Energien endlich richtig was vorangeht!

BN im Landkreis Kitzingen

 BN-Pionier Andreas Pampuch pflanzte Mitte der 70er-Jahre mit dem Naturschutz-Nachwuchs in der Kitzinger Flur Bäume und Sträucher.
Foto: Frankenstudio/Rudi Krauß |  BN-Pionier Andreas Pampuch pflanzte Mitte der 70er-Jahre mit dem Naturschutz-Nachwuchs in der Kitzinger Flur Bäume und Sträucher.
Manfred Engelhardt: gebürtiger Niedersachse, zog als Kind mit seinen Eltern nach Höchberg und später mit seiner Familie nach Dettelbach, wo er 1984 die LBV-Ortsgruppe mitgründete. Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Kitzingen ist er seit 1990.
Peter Krämer: Diplombiologe, Kitzinger Siedler, Urgestein und "Wasserfrosch" des Kitzinger BN.
50 Jahre BN Kitzingen: Am 15. Juli wird der runde Geburtstag am Kitzinger Bleichwasen mit Ausstellungen, Aktionen, Reden, Verköstigung und Musik gefeiert.
BN Bayern: 1913 gegründet, ist der Bund Naturschutz Bayern e. V. der älteste und größte Umweltschutzverband des Freistaates. Der BN ist in allen bayerischen Landkreisen aktiv und versteht sich als wirtschaftlich, parteipolitisch und konfessionell unabhängiger Anwalt der Natur. Ziel ist es, die natürlichen Lebensgrundlagen für Menschen, Tiere und Pflanzen zu erhalten. Aktuell hat der BN gut 265.000 Mitglieder und Förderer, organisiert in einem flächendeckenden Netz von 76 Kreis- und über 500 Ortsgruppen.
Kontakt: Bund-Naturschutz-Kreisgruppe Kitzingen,  Ritterstraße 16, 97318 Kitzingen, Tel. 09321/24757, Mail: kitzingen@bund-naturschutz.de
Quelle: BN/Manfred Engelhardt
 
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    Vielen Dank für das Engagement und viel Erfolg!
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