Die Polizei ermittelt noch. Viele Fragen sind offen und müssen von den Behörden überprüft werden, weswegen das Ergebnis auf sich warten lässt. Erst dann, sagt eine Polizeisprecherin des Präsidiums Würzburg, könne man Auskunft geben, was zum Tod von 357 Schweinen geführt hat. Ihr Besitzer fand sie am frühen Morgen des 23. April in seinem Schweinemastbetrieb im südlichen Landkreis Kitzingen verendet vor. Nach bisherigen Ermittlungen war die Lüftungsanlage ausgefallen, die den Bestand von rund 600 Tieren mit Frischluft versorgt.
Dem Halter bescheinigen sowohl Politiker seines Heimatorts als auch Behördenvertreter, "als ordentlicher und gewissenhafter Landwirt" bekannt zu sein. Der Hof sei bislang nicht negativ aufgefallen; vor einem Jahr hatte ihn das Veterinäramt kontrolliert. Die Polizeisprecherin erklärt: "Der Landwirt hat unverzüglich gehandelt, als er den Tod der Tiere feststellte. Er hat sich vorbildlich verhalten, die Polizei informiert und mit ihr zusammen das Veterinäramt." Ob der Schweinemäster den Ausfall seiner Lüftungsanlage nicht bemerkt oder ob er fahrlässig gehandelt hat, müssen allerdings die Ermittlungen klären.
Wie Schweinehaltung funktioniert
Doch wie kann es überhaupt zu einem unbemerkten Systemausfall kommen? Thomas Schwarzmann, Leiter des Versuchs- und Bildungszentrums für Schweinehaltung in Schwarzenau (Lkr. Kitzingen) erklärt, dass es unterschiedliche Formen der Schweinehaltung gebe: im Freiland, in teils offenen und in geschlossenen Ställen. "Die meisten Ställe sind wegen ihrer abgedichteten Bauweise zwangsbelüfet", sagt Schwarzmann. Der Vorteil: Darüber könne der Landwirt das im Stall herrschende Klima genau regulieren, also Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Denn je nach Bestand hätten die Tiere einen anderen Bedarf. Ferkel bräuchten andere Temperaturen als ausgewachsene Mastschweine.
Lüftungssysteme saugen die schlechte Luft ab und frische ein. Das allerdings müsse ohne Untebrechung funktionieren. Denn je nach Dichte des Tierbestands und Alter der Schweine könne bei einem Ausfall der Lüftungsanlage nach vier bis fünf Stunden der Sauerstoff knapp werden. Damit es nicht so weit kommt, sind autarke Alarmanlage vorgeschrieben, die bei Stromausfall reagieren. Sie informieren den Landwirt, zum Beispiel über Anrufe auf sein Handy und Festnetz-Telefon. Für diesen Fall haben viele Landwirte eine Notstromversorgung. Diese wird manchmal automatisch aktiviert; manchmal muss sie der Bauer manuell in Betrieb nehmen.
Fatale Folgen bei Systemausfall
Fällt in so einem Fall neben der Stromversorgung auch die Alarmanlage aus und der Landwirt bekommt keinen Anruf, sind die Folgen fatal. Deshalb gibt es Kontrollen: Die QS Qualität und Sicherheit GmbH ist eine von der Landwirtschaft eingeführte Kontrollinstitution, die sich die Anlagen der angeschlossenen Betriebe regelmäßig anschaut. Auch das Veterinäramt im Landkreis Kitzingen überprüft die Schweinehalter und lässt sich bei einem Probealarm die Funktionsfähigkeit des Systems zeigen. Allerdings wird die Behörde nach Auskunft ihrer Leiterin, Dr. Claudia Baldauf, in vielen Fällen nur anlassbezogen aktiv. Sprich: wenn schon einmal etwas vorgefallen ist. Selbst dann kann das Amt nur zehn Prozent der Betriebe in einem Jahr besuchen.
Was aber, wenn bei der Kontrolle alles funktioniert, irgendwann aber doch das System ausfällt? "Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht", sagt Schwarzmann, der seit mehr als 25 Jahren als Berater von Schweinehaltern arbeitet und selbst Schweine besitzt. Aber er betont: "Diese Fälle sind ganz, ganz selten." Seiner Erfahrung nach sind sie meist auf "die Verkettung von unglücklichen Umständen" zurückzuführen und daher "die absolute Ausnahme".
Verlust von rund 70 000 Euro
Schwarzmann und Baldauf erklären, dass die Landwirte schon aus eigenem Antrieb ihre Tierbestände und Anlagen überwachen. Schließlich liege das in ihrer Verantwortung und dabei gehe es auch um wirtschaftliche Interessen. Das bestätigt ein Ferkelerzeuger aus dem Landkreis, der nicht genannt werden will. "Es wird kontrolliert, aber Du musst auch selbst dahinterher sein."
Er beziffert den Verlust des Landwirts durch die verendeten Mastschweine mit rund 70 000 Euro, allein durch den entgangenen Verkauf. Die Kosten für die Entsorgung nicht mitgerechnet. Aber bei aller Technik und Kontrolle betont auch der Ferkelerzeuger: "Man kann nie sagen: Das würde mir nicht passieren." Ein Restrisiko bleibe immer. Deswegen würden viele Schweinehalter nicht in den Urlaub fahren. Die Gefahr, bei einem Systemausfall nicht rechtzeitig reagieren zu können, sei zu hoch.