In den Sozialen Netzwerken macht seit Dienstag ein Aufruf die Runde, der Schlimmes befürchten lässt. Darin ist die Rede davon, dass im Seniorenzentrum St. Elisabeth in Ebern (Lkr. Haßberge) offenbar ein Großteil des Personals ausgefallen ist. Wer helfen möchte, etwa um Essen an die Bewohner zu verteilen, könne sich telefonisch an Stefan Dünkel wenden, den Leiter der Pflegeeinrichtung. Der bestätigte auf Nachfrage dieser Redaktion noch am Dienstagabend die kritische Situation in seinem Haus, in dem derzeit 62 Seniorinnen und Senioren untergebracht seien. "Die Lage ist nicht gut, aber sie ist auch nicht aussichtslos", sagt er.
Einen Tag später, am Mittwochnachmittag, kann von Entspannung noch keine Rede sein. Dünkel steht vor dem Eingang seiner Pflegeeinrichtung in Ebern, die er seit rund zweieinhalb Jahren führt. Betrieben wird sie von der Diakonie Bamberg-Forchheim. Eine Kollegin öffnet die Tür - und winkt mit einem gelben Zettel in der linken Hand: "Ich habe da eine Krankmeldung", sagt die Frau. "Die ist noch von gestern und betrifft nicht die Pflege", erwidert Dünkel. Heute, erklärt er mit Zuversicht in der Stimme, sei der erste Tag gewesen, an dem keine solche Bescheinigung auf seinem Schreibtisch gelandet ist.
Von 53 Mitarbeitern 35 mit Corona infiziert
Doch die Zahlen sind tatsächlich beunruhigend. Von 53 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pflege seien derzeit 38 krankgemeldet, sagt der Heimleiter. Jedoch nicht nur wegen Corona. Über die Anzahl des mit dem Coronavirus infizierten Personals gibt das Landratsamt Haßberge als zuständige Aufsichtsbehörde am Mittwochmorgen Auskunft: 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien betroffen. Sie befinden sich derzeit in häuslicher Isolation oder Quarantäne.
Stefan Dünkel ist sich sicher: "Von den positiv getesteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wären einige arbeitsfähig." Und der Heimleiter klagt weiter. "Sie haben ein Kratzen im Hals und würden gerne arbeiten - doch sie dürfen nicht." Bis auf eine Person sei die gesamte Belegschaft seiner Pflegeeinrichtung geimpft. Um die Versorgung und Pflege der Bewohnerinnen und Bewohner zu gewährleisten, hangele man sich nun von Tag. Noch gelinge das, "aber das verbliebene Personal arbeitet jetzt natürlich am Anschlag", so Dünkel.
Ausnahmegenehmigung für infiziertes Personal
Tatsächlich erwägt das Landratsamt Haßberge nun, mit einer Sonderregelung gegen die Personalnot im Eberner Seniorenheim vorzugehen. Am Mittwoch heißt es hierzu aus der Behörde: "Wir sind im Austausch mit der Einrichtung für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung, damit diese schnellstmöglich erfolgen kann." Sprich: Wer symptomfrei ist, soll trotz Corona-Infektion arbeiten dürfen. Allerdings nur unter harten Auflagen.
So werde die Quarantäne nur für die Arbeit und den direkten Weg dorthin aufgehoben. "Soweit möglich, sollen positive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur positive Bewohnerinnen und Bewohner pflegen", heißt es aus der Behörde weiter. Getrennte Mittagspausen müssten beachtet werden, zudem die entsprechenden Hygienemaßnahmen. Sobald die Einrichtung mitgeteilt habe, welche infizierten Mitarbeiter keine bis geringe Symptome haben, könne das Landratsamt die Ausnahmegenehmigungen erteilen - im besten Fall noch am Mittwoch.
Dass eine Ausnahmegenehmigung durchaus Sinn ergibt, dafür spricht auch ein anderer Umstand. Denn nicht nur das Pflegepersonal scheint vom Corona-Ausbruch in dem Seniorenheim betroffen. Von 62 Bewohnerinnen und Bewohnern seien derzeit 26 mit dem Virus infiziert, heißt es aus dem Landratsamt. 97 Prozent sind geboostert. Bisher scheint es so, dass vor allem die Geimpften sehr milde Verläufe haben. Das Virus hat die Pflegeeinrichtung in Ebern längst im Griff. Eine Verlegung, das betont die das Landratsamt jedoch, werde derzeit nicht in Betracht gezogen.
Mehrere Einrichtungen im Landkreis betroffen
Aber nicht nur im Seniorenzentrum St. Elisabeth in Ebern wütet das Virus. Im Haßbergkreis erreichte die Inzidenz zuletzt ein neues Allzeithoch. Laut Robert Koch-Institut lag sie am Dienstag bei einem Wert von 3225,2, der zu diesem Zeitpunkt zweithöchste im gesamten Bundesgebiet. Stefan Dünkel ist sich sicher: "Wir werden nicht die einzige Pflegeeinrichtung bleiben, die es trifft." Und tatsächlich liegt der Heimleiter damit richtig. Das offenbart eine Nachfrage beim Landratsamt. "Im Landkreis sind aktuell mehrere Einrichtungen betroffen", heißt es hierzu. Die Behörde stehe mit den Heimen im engen Austausch. "Dass es trotz der Ausbruchsgeschehen zu keinem unüberwindbaren Pflegenotstand kam, ist dem großen Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Führungskräfte der Einrichtungen zu verdanken."
Einsatz, den zeigen auch andere. Das Hilfegesuch hat inzwischen im Netz die Runde gemacht. Zahlreiche Menschen boten dort in den Kommentaren ihre Unterstützung an. Aber nicht nur. "In den vergangenen zwei Tagen habe ich sicher 200 Anrufe erhalten, von Menschen, die unsere Einrichtung unterstützen möchten", sagt Stefan Dünkel am Mittwoch. Heute seien bereits sieben Freiwillige in drei Schichten im Einsatz, sie verteilen Essen an die Bewohnerinnen und Bewohner, helfen bei einfachen Aufgaben.
Auch die Feuerwehr Ebern hat der Aufruf bereits erreicht. Das bestätigt Pressesprecher Fabian Weber. So gebe es zwar kein offizielles Ersuchen, aber "einige Ehrenamtliche, die bei uns aktiv sind, haben als Privatpersonen Hilfe zugesagt". Zuvor hatte Eberns Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD) auf dem kurzen Dienstweg um Unterstützung gebeten.
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