Nur schwer vorstellbar, aber doch Wirklichkeit. Eine Küche aus Beton? Durchaus, mit einer Oberfläche aus Betonspachtel. Gewöhnlich werden aus diesem Werkstoff zwar Häuser gebaut und Fundamente gegossen, aber neuerdings sogar Küchen. "Wer kauft denn sowas?", fragen wir Martin Tully, Vertriebsleiter Inland des Zeiler Küchenherstellers Allmilmö. Der antwortet spontan mit einem Schmunzeln: "Gerne Architekten." Aber zurück zu Allmilmö. Nach der Betonküche gleich das nächste Rätsel. Gibt es die Firma denn überhaupt noch? Ja, die gibt es. Und gar nicht schlecht. Rund 70 Mitarbeiter arbeiten derzeit in Zeil, mehr als die Hälfte fertigen nach wie vor Küchen für Kunden mit mittlerem bis unerschöpflichem Geldbeutel.
Insolvenz war unvermeidlich
Aber da war doch was? Noch gar nicht allzu lange her? Auch das stimmt. Im Jahre 2017 hatte die La Cour Gruppe, zu der Allmilmö gehört, Insolvenzantrag für Allmilmö gestellt. Damals waren in dem Unternehmen noch knapp 160 Leute beschäftigt. Zunächst hatte Insolvenzverwalter Dr. Hubert Ampferl sich dereinst noch zuversichtlich gezeigt. Schließlich hatten die verbliebenen Mitarbeiter doch ihre Kündigung erhalten.
Zu den Gründen äußerte sich die Kanzlei von Dr. Ampferl damals: „Die Ausgangslage war komplex, da die Zeiler Möbelwerk GmbH Co. KG selbst zwar die Mitarbeiter beschäftigte, die betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände, wie die Betriebsimmobilie in Zeil am Main, die Markenrechte Allmilmö sowie die wesentlichen technischen Anlagen und Maschinen im Dritteigentum stehen. Trotz dem Bemühen aller Parteien konnte letztendlich keine Einigung zwischen Interessenten und der Verkäuferseite gefunden werden. Hinzukam, dass der Standort mit seiner Infrastruktur auf ehemals 1500 Mitarbeiter ausgelegt war und damit für die heutigen Umsatzgrößen völlig überdimensioniert ist.“
Ein neuer Anlauf
Was 2017 nach dem endgültigen Aus für die Zeiler Küchentradition ausgesehen hatte, dauerte aber nur rund drei Monate an. Wie der Insolvenzverwalter festgestellt hatte, waren die Fertigungsanlagen, die Produktionsstätten und der Markenname "Allmilmö" trotz Insolvenz im Besitz von Johannes la Cour verblieben. La Cour und die fünf langjährigen Führungskräfte Martin Tully (Vertrieb Inland), Siegfried Pohli (Vertrieb Objekte Inland), Martin Diedrich (Vertrieb Export), Franz Betz (Organisation) und Michael Krines (Controlling) setzten sich zusammen und gründeten - in einer speziellen Form von Management-Buy-out nach Insolvenz - eine neue Firma, die heute unter dem Namen Allmilmö Küchen GmbH & Co. KG firmiert. Los ging's mit einer rund 20 Mitarbeiter starken und eingespielten Mannschaft in Vertrieb und Verwaltung, die dann nach kurzer Zeit mit dem Re-Start der Produktion auf rund 60 und bis heute 70 angewachsen ist - und noch weiter wachsen soll. Ein Teil dieser Truppe war damals noch nicht wieder in Lohn und Brot, ein weiterer Teil ließ sogar den neuen Job sausen, um wieder zurückzukehren und in Zeil Küchen bauen zu können.
Dieser Schritt war für alle Beteiligten sicher ein gewisses Risiko. Mitverantwortlich für die Entscheidung war auch ein Signal aus Japan, erklärt Tully. Das Handelsunternehmen Koizumi hatte den Verantwortlichen in Zeil signalisiert, dass man in Fernost sehr daran interessiert sei, weiterhin Küchen aus Zeil vertreiben zu können. Koizumi war nämlich schon seit langen Jahren Kunde in Zeil und unterhält inzwischen zahlreiche Küchenstudios in Japan, Korea und Vietnam. Die Japaner deuteten an, mit einer Beteiligung - die dann später auch erfolgte - ihre Stellung im asiatischen Markt bezüglich der Ausstattung von Wohn- und Hotelanlagen im oberen Preissegment weiter stärken und ausbauen zu wollen.
Drei Jahre später ist, so Martin Tully, dem Unternehmen mit dem Neustart eine Wende zum Positiven gelungen. "Wir können jetzt wöchentlich 30 bis 40 Küchen produzieren", je nach Komplexität der einzelnen Modelle. "Allmilmö hat von jeher in hoher Qualität gefertigt", unterstreicht Tully. Man rechne grob, eine Küche aus Zeil halte doppelt so lange wie die eingebauten Geräte.
Qualität ist das eine, Individualität das andere Standbein des Erfolgs. "Mit der Marke Allmilmö verbinden sich richtungsweisende Innovationen, unabhängige Formgestaltung und beste Qualität", beschreibt Martin Tully den Anspruch der Marke.
Sein Geschäftsführer Johannes la Cour wird noch deutlicher, so Tully, wenn er betont, dass sich "Allmilmö in Zukunft noch mehr auf Küchenmodelle konzentriert, welche nicht an jeder Ecke zu finden sind". Die Zeiler sehen sich als Partner für den gehobenen Fachhandel, für Architekten, Immobilienentwickler und Inneneinrichter. Denn ein nicht unerheblicher Teil der Küchen wandert derzeit in gehobene Wohn- und Hotelanlagen, wo größere Stückzahlen verbaut werden. Dabei bleibt "Allmilmö" die bekannte Premiummarke, "denn mit Billigküchen von Massenherstellern wollen und können wir gar nicht konkurrieren", so Martin Tully.
Stein, Metall, Edelhölzer
Um sich von der Masse abzuheben, lässt sich der Zeiler Hersteller immer wieder etwas Neues einfallen. Nicht nur ständig neue Oberflächen aus Materialien wie Stein, Metall oder Edelhölzern, je nach Gusto, auch die Arbeitsplatten sind geradezu symbolhaft für die Innovationskraft des Unternehmens.
Derzeit der Renner ist eine Oberfläche mit dem bildhaften Namen "elephant skin", welche gleichermaßen für Fronten wie auch für Arbeitsplatten gefertigt wird. Nicht nur unempfindlich für Fingerabdrücke. Zur Demonstration greift Tully nach einem Messer aus einem schwebend aufgehängten Messerblock. Er wird doch nicht? Doch! Er zieht die Klinge gnadenlos über die Elefantenhaut, hinterlässt dicke Striemen. "Das ist nur der Abrieb des Messers", feixt der Vertriebsleiter Inland, wischt mal kurz drüber - und der Kratzer ist wie von Geisterhand verschwunden. Dieses Material wird bei der Firma Melaplast in Schweinfurt hergestellt. "Exklusiv für uns", schmunzelt Tully: "Gehört zur La-Cour-Gruppe, bleibt quasi in der Familie."
Es gibt nichts, was es nicht gibt im Angebot der Zeiler Premiummarke. Sechs Meter lange Holzwände, durchgängig mit einem zusammengehörigen Furnier verkleidet - und auf Wunsch verschwindet das ganze Holz unauffällig im Nirgendwo und die eigentliche Küche kommt zum Vorschein. Natürlich auch ausgestattet mit allem, was gut und teuer ist. Hier bewegen wir uns dann aber schon "im sechsstelligen Bereich", sagt Tully. Und so eine Küche ist auch nicht in zwei Wochen gebaut. Da muss man schon bis zu zehn Wochen Wartezeit einplanen.
Neue Mitarbeiter gesucht
Und trotz aller positiven Zeichen: auch an Allmilmö ist Corona nicht ganz spurlos vorbeigegangen. In Zeil wird ebenfalls das Mittel der Kurzarbeit genutzt. Die Mitarbeiter in der Produktion arbeiten täglich eine Stunde weniger. Grund ist derzeit der Rückgang beim Geschäft mit den Endverbrauchern, da die Küchenhändler geschlossen haben. Zudem leidet auch das Exportgeschäft. "Aber ein gewisser Rückgang ist am Anfang des Jahres auch saisonal bedingt", erklärt Martin Tully, "wir gehen davon aus, dass ab März wieder Vollbeschäftigung herrscht." Und nicht nur das. Allmilmö will dann seinen derzeitigen Personalbestand an Mitarbeitern noch einmal aufstocken und sucht dringend nach neuen Mitarbeitern.
Was auch den Zeiler Bürgermeister glücklich macht. Ich war ja früher selbst bei dem Unternehmen beschäftigt, darum liegt mir diese Firma besonders am Herzen", sagt Thomas Stadelmann. "Ich freue mich, dass es Allmilmö wieder gibt. Für den Standort Zeil und die ganze Region ist das wichtig. Früher war das Unternehmen einmal einer der größten Arbeitgeber im Landkreis. Das ist heute nicht mehr der Fall. Aber ich wünsche mir, dass das Pflänzchen, das hier zu sprießen begonnen hat, wächst und gedeiht."