Was für eine bittere Ironie des Schicksals: Wieder an einem Faschingsfreitag, allerdings rund zwei Jahrzehnte später, trifft Zeil die Nachricht, dass der bekannte Küchenhersteller „Allmilmö“ vor dem Aus steht.
Die La-Cour-Holding, mit Sitz in Schweinfurt, hatte die Insolvenz für das „Zeiler Möbelwerk“ angemeldet. Das Unternehmen hatte vor zwei Jahrzehnten das insolvente „Milewski Möbelwerk“ übernommen. Als „Zeiler Möbelwerk“ hatte sich das Unternehmen seitdem einen Namen bei Premiumküchen gemacht. Rund 200 Mitarbeiter sind derzeit am Standort in Zeil tätig.
Weitere Insolvenzanträge
Am Freitag nun wurde „vorläufige Insolvenzverwaltung“ angeordnet, bestätigte auf Anfrage dieser Redaktion Amtsgerichts-Direktorin Gudrun Göller in Bamberg. Geprüft werde nun, ob das Unternehmen zahlungsunfähig ist, so Göller. Eingesetzt als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde der Nürnberger Rechtsanwalt Hubert Ampferl von der Kanzlei Dr. Beck und Partner.
Neben „Allmilmö“ haben auch weitere Töchter der La Cour-Gruppe Zahlungsunfähigkeit angemeldet: Wie die Kanzlei in einer Pressemitteilung erklärte, haben die Premiumküchen-Hersteller „Zeyko“ und „Nolff“ Insolvenzantrag gestellt. „Die Geschäftsbetriebe laufen nahtlos weiter. Alle Gesellschaften wollen die Möglichkeiten des Insolvenzrechts zur Sanierung aktiv nutzen“, heißt es weiter.
Das „Zeiler Möbelwerk“, das „Zeyko“-Möbelwerk sowie das „Nolff“-Möbelwerk haben sich auf die Fertigung von Küchen im Premiumsektor spezialisiert. Die Marken „Allmilmö“, „Zeyko“ und „Nolff“ haben internationale Bekanntheit erlangt. Unter der Marke „Nolff“ werden zudem hochwertige Bäder vertrieben.
„Keine Auswirkung auf laufenden Geschäftsbetrieb“
„Die Insolvenzantragstellung hat keine Auswirkungen auf den laufenden Geschäftsbetrieb“, erklärte der vorläufige Insolvenzverwalter Ampferl, der am Freitag die Arbeit vor Ort aufgenommen hat und auch am Dienstag vor Ort in Zeil war.
„Grund für die jetzige Situation war ein immer schwierigeres Wettbewerbsumfeld mit stetig steigendem Kostendruck“, wird von der Nürnberger Kanzlei der Geschäftsführer Johannes la Cour zitiert. Die weiteren Unternehmen der La-Cour-Gruppe sind laut Mitteilung der Kanzlei nicht von der Insolvenz betroffen.
Die Belegschaft werde im Rahmen von Betriebsversammlungen an den verschiedenen Produktionsstandorten in Zeil, Mönchweiler und Murrhardt über die aktuelle Lage informiert. Die Löhne und Gehälter der rund 300 Beschäftigten sind laut Ampferl über das Insolvenzgeld bis Ende April gesichert.
Alle Aufträge und neuen Bestellungen würden weiterhin in der gewohnten Qualität und Zuverlässigkeit ausgeführt. Bereits in wenigen Tagen werde es wie geplant Kundenbesuche aus China und Japan geben.
Bürgermeister Stadelmann: „Es trifft die Stadt und mich ins Herz“
In den nächsten Wochen will der vorläufige Insolvenzverwalter gemeinsam mit der Geschäftsleitung eine Sanierungslösung erarbeiten, um die Geschäftsbetriebe als Ganzes, und damit die Arbeitsplätze zu erhalten. Diese soll bis 1. Mai umgesetzt sein. Zu den Sanierungschancen erklärt Ampferl, dass „auf Grund des hohen technischen Know-How der Mitarbeiter und der Innovativität“ die Unternehmen sowohl für strategische als auch für Finanzinvestoren äußerst attraktiv seien.
„Es trifft die Stadt und mich ins Herz“, kommentierte Zeils Bürgermeister Thomas Stadelmann die Entwicklung beim Zeiler Möbelwerk, das immerhin einer der größten Arbeitgeber in der Stadt ist. Für ihn ist es eine „Ironie des Schicksals“, dass der Insolvenzantrag wie bei der ersten Insolvenz am Faschingsfreitag bekannt wurde. Damals hatte er die Situation nach dem Konkurs hautnah miterlebt – Stadelmann war selbst 17 Jahre Mitarbeiter bei „Allmilmö“. Von 700 Mitarbeitern schrumpfte damals das Unternehmen auf rund 210 Mitarbeiter, erinnert er sich und sagt weiter: „Es war eine schlimme Zeit.“ Er kann mitempfinden, wie sich die Mitarbeiter derzeit fühlen, er kennt noch viele aus seiner Zeit beim Unternehmen.
Auf Berg- und Talfahrt
Noch im Hebst hatte er bei einem Gespräch mit der Geschäftsleitung den Eindruck gehabt, dass es in den Monaten zuvor „gut gelaufen“ sei. Es sei viel investiert worden, die Geschäftsleitung habe sich „durchaus optimistisch“ gezeigt. Aber offenbar habe es nun einen„drastischen Einbruch“ gegeben. Auch zuvor hatte es zwar immer wieder einmal geheißen, dass es im Unternehmen nicht so gut laufe, „es war wohl öfters eine Berg- und Talfahrt“.
Sobald es geht, will Stadelmann nun mit Geschäftsleitung, Betriebsrat und vorläufigen Insolvenzverwalter Kontakt aufnehmen. Ziel: „Dass es für die Mitarbeiter vernünftig weitergeht.“
Firmengeschichte von „Allmilmö“ gleicht Berg- und Talfahrt
Über 50 Jahre reicht die Geschichte des Zeiler Küchenherstellers zurück: Im Jahr 1965 hat der Zeiler Ehrenbürger Heinz Milewski „Allmilmö“ gegründet. Der Firmenname steht für „Alles von Milewski Möbelwerke“. In den folgenden Jahren erwarb sich der Küchenhersteller den Ruf, erstklassige Möbel zu fertigen. Das Zeiler Unternehmen liefert weltweit Küchen aus und erhielt in den vergangenen Jahren unter anderem immer wieder auch Großaufträge, etwa im arabischen Raum oder in China. Ein prestigeträchtiges Projekt war eine „Contura“-Küche, die von 1991 bis 1993 neun Wissenschaftlern in der Salzwüste von Arizona in ihrem von der Außenwelt abgeschlossenen Ökosystem des Forschungsprojekts „Biosphäre II“ ein Stück Lebenskultur bot. Das Unternehmen stand von Anfang an für Neuentwicklungen, wie sie heute Standard sind im Küchenbau, wie die erste grifflose Küche mit Falttürentechnik im Jahr 1967.
In Glanzzeiten bot die Firma über 1400 Arbeitsplätze und war einer der wichtigsten Arbeitgeber im Landkreis Haßberge. Ins Trudeln geriet „Allmilmö“ Mitte der 1990er Jahre wegen des hohen Dollarkurses, der den hohen Exportanteil des Küchenherstellers in die roten Zahlen drückte, sowie starke Überkapazitäten auf dem Markt, der nach den ersten Boom-Jahren nach der Wiedervereinigung in Deutschland eine Sättigungsphase erreicht hatte. Zum Fiasko kam es im Jahr 1996: „Allmilmö“ war insolvent. Das drohende Aus traf damals 740 Beschäftigte.
Im selben Jahr übernahm die La-Cour-Gruppe das Unternehmen. Um überhaupt eine Chance zum Fortbestand zu haben, wurden jedoch zahlreiche Mitarbeiter entlassen. Am Ende blieben etwa 200 übrig. Doch dank deren Erfahrung und einem Arbeitszeitsystem, das es erlaubte, kundenorientiert zu arbeiten, schaffte „Allmilmö“, was wenige geglaubt hatten: Das Unternehmen kam wieder auf die Füße. Bereits im zweiten vollen Geschäftsjahr schrieb man wieder schwarze Zahlen; das Geschäftsjahr 1999 verbuchte rund 25 Millionen Euro Umsatz. Auch die Mitarbeiterzahl war wieder leicht gestiegen, auf 230.
Im April 1999 hatte die La-Cour-Gruppe auch einen weiteren insolventen Küchenhersteller übernommen, „Zeyko“ in Mönchweiler im Schwarzwald. Seit September 2000 gehörte auch der Küchen- und Badmöbelhersteller „Nolff“ in Murrhardt (Baden-Württemberg) zum Unternehmensverbund; „Zeyko“ und „Nolff“ sind jetzt wie „Allmilmö“ zahlungsunfähig, Zur Unternehmensgruppe zählen daneben die nicht von der Zahlungsunfähigkeit betroffenen Firmen Deelmann, Melaplast, Melatec und MFB (Möbelfolien Biesenthal).
Während die Küchenmöbel-Branche um die Jahrtausendwende Absatzrückgänge im zweistelligen Prozentbereich verkraften musste, wuchsen Umsatz und Gewinn bei „Allmilmö“ noch, wenn auch im unteren einstelligen Bereich. Das Unternehmen erklärte sich das damals damit, dass man sich nicht auf „Schnäppchen-Schlachten“ eingelassen, sondern am Image der Marke im höherpreisigen Marktsegment gefeilt hat. Diese Rechnung scheint letztendlich doch nicht aufgegangen zu sein. Text: mim