Den Landkreis Haßberge traf am vergangenen Freitag ein außergewöhnlich intensiver Starkregen, der innerhalb kürzester Zeit enorme Schäden anrichtete. Besonders betroffen waren die Städte Zeil und Ebern sowie die Gemeinde Knetzgau mit mehreren Ortsteilen. Die Zeiler wurden von dieser Flutwelle völlig unvorbereitet getroffen. Immerhin ist es inzwischen einhundertzwölf Jahre her, dass letztmals die Innenstadt von Zeil dermaßen überflutet worden war.
Stadtchronist Ludwig Leisentritt erinnert sich: "Meines Wissens war die Entenweidgasse seit dem Hochwasser von 1909 nicht mehr überflutet. Eigentlich war die Altachsanierung gedacht, die Altstadt vor einem sogenannten hundertjährigen Hochwasser zu schützen."
Harald Kuhn, Zeiler Stadt- und Kreisrat der Grünen, pflichtet ihm im Gespräch mit der Redaktion bei. "Es wurde schon einiges getan - zum Beispiel die Fassung der Altach erhöht." Kuhn erinnert sich auch daran, dass diese Altacheinfassung früher deutlich niedriger gewesen sei. Das habe zur Folge gehabt, dass etwa zur Schneeschmelze regelmäßig die Anwesen der Anlieger am Bach überschwemmt wurden. Nur habe man damals eben damit gerechnet, da dies regelmäßig passierte, und Vorkehrungen wie durch das Kacheln der unteren Geschosse getroffen. Das sehe heute anders aus. Deshalb seien auch die Schäden ungleich höher.
"Ein weiteres Mal wurde Zeil im August 1909 vom Hochwasser heimgesucht. Hinter Krum ging ein Wolkenbruch nieder, der in kurzer Zeit die sonst gemächliche Altach zu einem reißenden Strom werden ließ. Die schmutzig-gelben Wassermassen stauten sich bis in die Entenweidgasse. In der Werkstatt des Schneiders Hofmann stand das Wasser 42 Zentimeter hoch. Im gegenüberliegenden Haus Zink schleppte man die Ziegen in das Obergeschoß", schreibt Stadtchronist Leisentritt in seinem 1983 erschienenen Buch "Zeil in alten Bildern" über das letzte Hochwasser dieser Intensität - bis vergangenen Freitag.
Allerdings, so Kuhn, komme es inzwischen verstärkt zu "extremen Niederschlagsereignissen mit Abflüssen, die nicht mehr zu bewältigen sind". Kuhn sieht hier die Notwendigkeit für den Bau von Rückhaltesystemen, um die Abflussgeschwindigkeit des Wassers zu reduzieren. "Das Problem am Freitag war die Riesenspitze, die sich aufgetürmt hat." Um solche "Spitzen" zu vermeiden, gelte es Umleitungen oder Ausdehnungsflächen zu schaffen. "Hier sehe ich Stadt und Landkreis in der Verantwortung. Man muss jetzt untersuchen, was geht", so der Stadt- und Kreisrat.
Kein Urteil möchte der Grünen-Politiker darüber abgeben, ob die immer wieder geäußerten Vorwürfe, das ungemähte Schilf im Bachbett trage Schuld an der Katastrophe, gerechtfertigt seien. Das müsse man überprüfen, er glaube jedoch nicht, dass das Schilf ein Problem darstelle. Genauso sieht es Bürgermeister Thomas Stadelmann, der im Gespräch mit der Redaktion darauf verwies, dass die Schilfhalme komplett auf den Boden des Bachbetts gedrückt worden seien, demzufolge also nicht im Weg hätten stehen können. Auf jeden Fall werde aber auch dieses Thema im Rahmen einer Nachbesprechung der Katastrophe behandelt.
Für Stadelmann habe zunächst die Unterstützung der Bürger Vorrang besessen. "Es ging jetzt erst einmal darum, den Menschen unbürokratisch zu helfen." Die Stadt habe in Zusammenarbeit mit dem Landkreis sofort Rollcontainer zur Verfügung gestellt, damit das durch die Flut beschädigte oder zerstörte Inventar beseitigt werden konnte. Zwar seien inzwischen die Wohnungen wieder weitgehend geräumt, der Schutt beseitigt, doch das Wasser sei nach wie vor in den Böden, Decken und Wänden. Es werde lange dauern, bis alles wieder in Ordnung ist. "Es ist nicht leicht, Normalität wiederherzustellen."
Stadelmann betonte in diesem Zusammenhang, dass in Zeil nicht nur die Unterstützung durch die Hilfsorganisationen, durch Stadt und Kreis funktioniert habe. "Es war schon toll, wie die Leute aus der Nachbarschaft geholfen haben, aus den Vereinen, Freunde, wie sie einander geholfen haben beim Auspumpen von Kellern und Räumen oder beim Füllen der Sandsäcke."
Dank an alle Helfer
Und auch der Landrat dankte in einer Mitteilung an die Redaktion allen Einsatzkräften und Helfern. "Viele Bürgerinnen und Bürger hatten Angst um ihr Leben, ihre Lieben und ihr Hab und Gut. Das schnelle Handeln und unermüdliche Engagement der Einsatzkräfte hat gezeigt, dass der Landkreis Haßberge im Ernstfall zusammensteht. Dafür gilt den mutigen Männern und Frauen mein größter Dank", so Wilhelm Schneider. „Die Zusammenarbeit zwischen den Feuerwehren, dem THW und dem Roten Kreuz hat reibungslos funktioniert und verdeutlicht, wie gut die Koordinierungsmechanismen im Ernstfall greifen. Alle Einsatzkräfte haben einen großartigen Dienst gemacht und das ist keine Selbstverständlichkeit“, lobte der Landrat.