Wie ein Projekt eine Eigendynamik entwickelt, davon können Katharina und Sebastian Finster aus Geusfeld manche Geschichte erzählen – und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Aus dem Stall und dem dazugehörigen Hof des früheren landwirtschaftlichen Anwesens in dem Rauhenebracher Gemeindeteil machten sie eine Ferienwohnungs-Anlage der besonderen Art mit einem besonderen Namen: die "Schlafstaelle" waren bereits in den ersten Wochen seit der Eröffnung fast komplett ausgebucht.
Wie in so vielen ehemaligen Landwirtsfamilien nicht nur im Steigerwald, hatte Sebastian Finster Senior ein neues Haus im hinteren Bereich des landwirtschaftlichen Anwesens errichtet. Die Stallungen vorne wurden noch lange genutzt. Sebastian Finster Junior erinnert sich, dass hier noch bis in seine Jugendzeit ein bis zwei Schweine für den Eigenbedarf großgezogen wurden. Der Gedanke der Nachhaltigkeit gehörte in der Familie Finster schon immer zur Lebenseinstellung und so konnten Katharina und Sebastian Finster auf vieles zurückgreifen, was die vorherige Generation grundgelegt hatte. "Ohne die Bäume, die mein Vater hier vorne gepflanzt hat, wäre das Ganze nicht halb so schön", erzählt Sebastian Finster.
Als die Kinder in Richtung Schulalter wuchsen, überlegte Katharina Finster, wieder ins Berufsleben einzusteigen. Als Erzieherin hätte sie vermutlich nicht lange suchen müssen. Doch da war auch die Überlegung, aus dem großen ungenutzten Teil des Anwesens etwas zu machen. "Das sind ja enorme Flächen, die auch Kosten verursachen", so Sebastian Finster. Und so kam es zur ersten Bauvoranfrage an die Gemeinde Rauhenebrach. Eher an ein Bettenlager, eine Übernachtungsmöglichkeit für Radfahrer oder Wandergruppen, hatten sie damals gedacht. Im Gemeinderat fand diese Idee Anklang und so machten sich die Finsters erstmal daran, die Umnutzung des Stallgebäudes einzuleiten.
Außen blieb der ursprüngliche Charakter erhalten
Ziel war es von Beginn an, das Gebäude nur innen zu verändern und außen den ursprünglichen Charakter zu erhalten. Über 20 Zentimeter dicker Putz musste von den Wänden abgeschlagen werden – immer in der Furcht, dass die dahinter liegende Wand vielleicht nicht besonders stabil sein könnte. Und dann stand sie da: Eine Bruchsteinmauer über die gesamte Rückseite des langgestreckten Gebäudes – ein 250 Jahre altes Schmuckstück, das jetzt zusammen mit dem original erhaltenen und offenen Dachstuhl den Charakter der großzügigen Ferienwohnung ausmacht, die im Stallgebäude Platz fand.
Zu dieser Wohnung gesellen sich "Herbert" und "Heiner", zwei Stelzenhäuser zwischen zehn Meter hohen Tannen, verbunden mit einer Holzbrücke. Die Idee dazu entstand aus dem Stelzenhaus, das Sebastian Finster für seine Kinder baute "und der Platz zwischen den Bäumen hat sich angeboten", erinnert er sich an die Vorüberlegungen. Gegenüber dem Bett hat jedes Haus ein großes Panorama-Fenster mit Blick direkt auf die Bäume. Obwohl mitten im Dorf gelegen, haben die Gäste den Eindruck, im Wald zu schlafen.
Zwischen den drei Gebäuden liegt ein überdachter Aufenthaltsbereich, wo sich die Gäste selbst versorgen und ihre Mahlzeiten einnehmen können. Katharina Finster bietet hier die Produkte regionaler Erzeuger an, wie von der Naturbäckerei Oppel und von Bauer Reinhart aus Untersteinbach, aus dem Bauernlädla Prölsdorf oder vom Weingut Loos in Donnersdorf. Wer die ganze Anlage bucht, kann den alten Holzbackofen nutzen "und natürlich ist es ideal, dass mit dem Gasthaus Wengel auch noch eine Gaststätte im Ort ist", so Katharina Finster.
Erfahrung im Gastronomie- oder Hotellerie-Gewerbe haben die beiden nicht – aber Sebastian konnte auf den guten Rat von Bruder Manuel zurückgreifen. Der ist Restaurantleiter und arbeitete schon im exklusiven Hotel Adlon in Berlin. "Wegen des Lockdowns hat er das Ergebnis zwar noch nicht live erleben können, aber wir waren stets in Kontakt", erzählt Sebastian Finster. Vom Bruder stammt der Titel "Schlafstaelle", während Sebastian Finster die Unterzeile "wohlfühlen, wenn's finster wird" beisteuerte.
Viele kreative Ideen für die Einrichtung
Katharina Finster lebte ihre ganze Kreativität bei der Gestaltung der Wohnungen aus. Sie baute ganz individuelle Garderoben, beispielsweise aus Weinflaschen oder einem kleinen Baum. Allerhand wertvolles, altes Holz hatte Sebastian Senior eingelagert, das kam jetzt zum Einsatz – beim Bau der Stelzenhäuser ebenso wie als Waschbecken-Unterschrank. Die Brücke zwischen den Stelzenhäusern und auch das Podest im Stall haben Ausschnitte mit Glasböden. "Das sind die Scheiben vom Schalter der früheren Raiffeisenbank in Geusfeld, die hat der Papa gekauft und eingelagert", erzählt der Junior. Viel haben die Finsters in den vergangenen eineinhalb Jahren selbst gemacht. Wo sie an ihre Grenzen stießen, fanden sie auf kurzem Weg Fachleute bei heimischen Handwerkern, und so wird hier Nachhaltigkeit in allen Facetten gelebt, auch bei Warmwasserbereitung und Heizung über Solarthermie.
Dass das Ergebnis gut ankommt, das zeigte sich direkt nach der "Eröffnung". Mitte Mai war endlich das Beherbergungsverbot aufgehoben "und umgehend kamen die ersten Gäste", freut sich Katharina Finster. Seitdem sind die acht Schlafplätze fast durchgehend ausgebucht. "Die ersten Gäste saßen hier und stellten plötzlich fest: das Grundrauschen der Stadt fehlt. Und dann genießen sie hier einfach ihren Schoppen". In den wenigen Wochen beherbergten die Finsters schon jüngere und ältere Gäste. Familien mit Kindern buchen eher die Stelzenhäuser, die Wohnung im Stall wird gerne von etwas älteren Paaren genutzt. "Die machen dann Radtouren nach Bamberg oder an die Mainschleife", von Rauhenebrach aus sind beide Richtungen durchgehend mit Radwegen erschlossen.
Sie sind selbst überrascht, wie schnell sie bekannt wurden, denn die Werbung lief bisher ausschließlich über die eigene Homepage www.schlafstaelle.de und Online-Buchungsportale.
"Wir sind das anfangs vielleicht etwas blauäugig angegangen, aber an der Herausforderung gewachsen", erinnert sich Sebastian Finster. Doch sie hätten auch viel Unterstützung erfahren, auch durch die Nachbarn und nicht zuletzt bei der Regierung von Unterfranken, die Fördermittel beisteuerte.