Wer eine Region als Urlauber kennenlernt, sieht sie meist mit ganz anderen Augen als ihre Bewohner. Was für den Touristen eine Besonderheit ist, ist für den Einheimischen Alltag und Normalität. Gerade wer in einer Gegend wohnt, die nicht zu den Top-Urlaubsregionen zählt, weiß oft wenig darüber, was Besucher in seine Heimat zieht. Das Haßfurter Tagblatt hat sich daher bei Touristen umgehört, warum Menschen bei uns Urlaub machen.
„Unsere Tochter hat in Bamberg studiert“, erzählt Veronika Matysik. Sie und ihr Mann Georg stammen aus Polen, 1988 kamen sie nach Deutschland und leben seitdem in Nürnberg. „Wir haben unsere Tochter in Bamberg besucht und dabei auch was von der Umgebung gesehen. Es war schön hier, deswegen wollten wir auch mal einen längeren Urlaub hier machen.“
Im Juli war es dann so weit. Zwei Wochen verbrachten sie im Landkreis Haßberge, genauer gesagt in der Ferienwohnung der Familie Schuhmann in Köslau. „Unser Sohn hat im Internet geschaut und uns dann ein paar Vorschläge gemacht“, berichten die beiden 70-Jährigen, wie sie auf die Übernachtungsmöglichkeit gekommen sind.
Abgesehen von einem Ausflug nach Bamberg, das sie bereits von früher kannten, verbrachten die beiden den größten Teil ihres Urlaubs in der näheren Umgebung ihrer Ferienwohnung. Unter anderem machten sie sich mit Fahrrädern auf den Weg nach Kirchlauter, wo sie sich das Schloss und die Kirche anschauten. Auch Ausflüge nach Haßfurt und Königsberg standen auf dem Programm. „Wir kommen auf jeden Fall wieder“, kündigt Veronika Matysik an und bekräftigt, wie gut es ihr hier gefällt. Ihr Sohn unternehme dagegen mit seinen Kindern oft sehr weite Reisen. „Aber das muss gar nicht sein“, findet sie.
Eine ganz andere Motivation haben Tom und Jacqueline. Das englische Ehepaar, das nur mit Vornamen genannt werden möchte, ist mittlerweile zum dritten Mal in Deutschland. Nachdem sie auf ihren vergangenen Reisen das Rheintal, den Schwarzwald und den Bodensee besucht haben, war diesmal Coburg der große Anziehungspunkt. Grund dafür ist vor allem die Verwandtschaft zwischen dem britischen Königshaus und den Herzögen von Sachsen-Coburg. Begründet wurde diese Verbindung 1840, als Königin Victoria den Coburger Prinzen Albert heiratete – für viele Briten noch heute ein Grund, sich besonders für die Stadt in Oberfranken zu interessieren.
„Besonders gut hat uns die Veste Coburg gefallen“, berichtet Tom. Da sie auch andere Städte in Ober- und Unterfranken besichtigen wollten, entschieden sie sich für die Suche nach einer Übernachtungsgelegenheit, die relativ zentral zwischen ihren Ausflugszielen gelegen ist. So verschlug es sie in den Landkreis Haßberge. Auf die Ferienwohnung in Köslau, in der sie eine Woche verbrachten, waren sie im Internet gestoßen. Neben Coburg standen auch Ausflüge nach Bamberg, Bayreuth und Würzburg auf dem Programm.
Auch wenn der Besuch im Landkreis Haßberge nicht der eigentliche Grund für die Reise nach Franken war, bekamen sie doch einiges davon mit. „Wir haben Burgen und Ruinen in der näheren Umgebung gesehen“, erzählt Tom. Unter anderem waren sie in Altenstein. Die Menschen in der Region beschreiben er und Jacqueline als „sehr freundlich und hilfsbereit“.
Andere Besucher habe dagegen kein so straff organisiertes Programm. Bettina Müller kommt aus einem Dorf in Hessen mit 4000 Einwohnern. Fünf Jahre ist es her, dass sie und ihr Mann zum ersten Mal in den Haßbergkreis kamen. Mittlerweile haben sie drei mal hier Urlaub gemacht. „Und es war nicht das letzte Mal“, erzählt sie. Von Köslau aus haben die beiden Ausflüge nach Bamberg und Coburg unternommen, ansonsten geht es ihnen aber vor allem darum, „die Seele baumeln zu lassen“. Oft bleibe sie also auch auf der Terrasse der Ferienwohnung, um ein Buch zu lesen.
Auch die Familie aus Hessen ist durch das Internet auf die Ferienwohnung aufmerksam geworden. Besonders gefällt Bettina Müller „der Blick in die Natur“. Mittlerweile gibt es einige Gäste, die regelmäßig kommen und immer wieder in der gleichen Ferienwohnung Urlaub machen. Im Gegensatz zu Großstädten, in denen der Tourismus zu einem großen Teil von einmaligen Besuchen und einer Besichtigung berühmter Sehenswürdigkeiten lebt, hat der Heimatkreis einige Stammgäste.
Zwischen den Betreibern der Ferienwohnungen und ihren wiederkehrenden Besuchern seien so über die Jahre auch einige Freundschaften entstanden, berichtet Silvia Schuhmann. „Für die meisten ist es ein Zweit- oder Dritturlaub“, beschreibt sie den typischen Feriengast. Jemanden für den einen großen Urlaub im Jahr in den Landkreis Haßberge zu locken, gelingt also selten. Wer aber mehrere Reisen im Jahr unternimmt, entscheidet sich oft bei einer der kleineren Touren für diese Region als Ziel. „Üblicherweise bleiben sie etwa eine Woche hier“, erzählt Schuhmann.
„Besonders beliebt sind die Burgen, Schlösser und Burgruinen“, erzählt Luisa Baumgärtner von Haßberge Tourismus. Dabei handelt es sich um einen Gebietsausschuss des Tourismusverbandes Franken. Beliebt seien außerdem die Seen sowie die Fahrrad- und Wanderwege in der Region. Weiter nennt sie Biergärten und Heckenwirtschaften als einen Anziehungspunkt, „gerade, weil man es gut mit den Wanderwegen verbinden kann.“ So sei es durchaus üblich, Bewegung in der Natur mit einer Besichtigung und dem kulinarischen Angebot zu verknüpfen, beispielsweise durch die Wanderung oder Radtour zu einer Burg und die anschließenden Einkehr in eine Gaststätte.
Bei Familien mit Kindern sei vor allem der Märchenwald Sambachshof im Landkreis Rhön-Grabfeld beliebt. Als weitere Attraktion im Landkreis Haßberge selbst nennt sie vor allem die Haßbergkamele und Haßberglamas. Mit einem Anbieter aus Goßmannsdorf können die Besucher hier Reittouren auf den exotischen Tieren unternehmen.
Neben der Recherche im Internet ist es vor allem der Auftritt des Landkreises auf Tourismusmessen, der Menschen auf den Haßbergkreis als Urlaubsregion aufmerksam macht. Daneben sind es Zeitungsartikel und Mundpropaganda, die die Menschen neugierig machen. Insgesamt zeigt sich, dass die Gründe, als Tourist den Haßbergkreis zu besuchen, durchaus vielfältig sind. Silvia Schuhmann sieht die größte Stärke des Heimatkreises in der Landschaft: „Wir haben keine hohen Berge und kein Meer, aber ein besonderes Naturerlebnis.“