
Dass "ihre" Gemeinde jetzt überregionale Schlagzeilen schreibt, ist Bürgermeisterin Gertrud Bühl erkennbar unangenehm. Breitbrunn im Landkreis Haßberge ist die einzige Kommune in Unterfranken, in der auf dem Stimmzettel zur Bürgermeisterwahl am 15. März kein Kandidat zum Ankreuzen steht. In ein leeres Feld können die Wähler aber eine Mitbürgerin oder einen Mitbürger ihrer Wahl handschriftlich eintragen. Wer bei einer solchen Urwahl die absolute Mehrheit der Stimmen erhält, ist Bürgermeister. Falls es im ersten Wahlgang für keinen Bürger reicht, kommt es zwischen den beiden Erstplatzierten zu einer Stichwahl.
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Den Eindruck, Breitbrunn sei eine Gemeinde, die für Kommunalpolitiker zu klein und uninteressant ist, will Gertrud Bühl im Gespräch unbedingt vermeiden. In der Tat steht das 1000-Einwohner-Dorf nach Bühls zwölfjähriger Amtszeit sehr solide da: Die Gemeinde ist schuldenfrei, die Sanierung von Kindergarten und Dorfgemeinschaftshaus ist abgeschlossen, für die laufenden Vorhaben müssen keine Kredite aufgenommen werden. Breitbrunn ist als Dorfgemeinschaft mit dem ehrenamtlichen Bürgerdienst, der unter anderem pflegende Angehörige und Kita-Eltern unterstützt, gut aufgestellt. Zuletzt erst hat die Gemeinde den Kreisentscheid im Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" gewonnen. Auch bei jungen Familien ist Breitbrunn beliebt: "Mit 41,5 Jahren Altersdurchschnitt sind wir das jüngste Dorf in den Haßbergen", sagt die Freie-Wähler-Politikerin.
Kandidatensuche trägt tragische Züge
Man kann Gertrud Bühl und der Dorfgemeinschaft auch nicht vorwerfen, sie hätten sich nicht um Bürgermeister-Kandidaten bemüht. Die gescheiterte Suche trägt eher tragische Züge: Schon frühzeitig hatten sich die bisher vier im Gemeinderat vertretenen Gruppierungen zusammengesetzt und entschieden, zum Wohle der Dorfgemeinschaft diesmal bei der Gemeinderatswahl mit einer gemeinsamen Liste anzutreten, aus der dann die Bürger zwölf Räte auswählen können. Gleichzeitig hatte ein aktuelles Ratsmitglied signalisiert, sich parteiübergreifend als Bürgermeister zu bewerben. Im Januar sollte die offizielle Nominierung sein.
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Kurz vor Weihnachten dann ist bei dem Kandidaten eine schwere Krankheit diagnostiziert worden, die ihn zum Rückzug zwang, berichtet Bühl. "Da hat ein jeder natürlich Verständnis." Allerdings wurde die Zeit knapp, Ersatz zu finden. Es habe einen Interessenten gegeben, so Bühl, doch der habe von seinem Arbeitgeber signalisiert bekommen, dass er seine Arbeitszeit im Falle der Wahl nicht reduzieren könne. "Mehr als ein 20-Stunden-Job ist neben dem Ehrenamt Bürgermeister aber kaum drin", weiß Bühl aus eigener Erfahrung. Anfangs noch in einer Steuerkanzlei tätig, habe sie 2013 gekündigt, so die 69-Jährige. "Im Grunde ist ehrenamtlicher Bürgermeister ein Vollzeitjob."

Wäre ein hauptamtlicher Bürgermeister die Lösung? Bislang sei man im Gemeinderat der Meinung gewesen, die rund 60 000 Euro Mehrkosten pro Jahr seien anderweitig besser investiert, so Bühl. Vielleicht denke der neue Gemeinderat ja um, aktuell geht die Suche weiter. Gertrud Bühl und ihre Kollegen im Gemeinderat sind weiter unterwegs, doch noch jemanden als (inoffiziellen) Kandidaten zu motivieren. Der stünde dann zwar nicht auf dem Stimmzettel, könne aber mit Wurf-Zetteln und Aushängen noch vor dem 15. März bekannt gemacht werden. Bühl ist optimistisch, so doch noch einen Nachfolger zu finden.
Niemand kann zum Bürgermeister-Amt gezwungen werden
Gezwungen werden zum Bürgermeister-Amt kann übrigens niemand. "Wer zum ersten Bürgermeister gewählt wird, muss die Wahl nicht annehmen", heißt es im bayerischen Innenministerium. Nimmt eine gewählte Person das Amt nicht an, muss die Wahl so oft wiederholt werden, bis eine Person gewählt ist, die es annimmt. In der Zwischenzeit übt der vom Gemeinderat gewählte zweite Bürgermeister vertretungsweise die Amtsgeschäfte aus. Eine Art Zwangsverwaltung von bürgermeister-losen Gemeinden durch die Verwaltungsgemeinschaft oder das Landratsamt sieht das Gesetz nicht vor.

Die Bürgermeisterin, die zuletzt in Unterfranken per Urwahl ins Amt gekommen ist, ist Katharina Fries. Seit dem 1. Februar 2019 ist die 58-Jährige Rathaus-Chefin in der 900-Einwohner-Gemeinde Tauberrettersheim (Lkr. Würzburg). Nach dem Rücktritt von Amtsinhaber Hermann Öchsner habe man im Dorf entschieden, keine Kandidaten zu nominieren und stattdessen zu einer Urwahl aufzurufen. Daraufhin hätten alle Gemeinderäte, die sich den Job vorstellen konnten, im Gemeindeblatt ihre Bereitschaft erklärt und seien "ganz locker" in ein offenes Rennen gestartet, erzählt Fries. Am Ende fanden sich gar 61 verschiedene Namen auf den Stimmzetteln.
Urwahl zuletzt auch in Tauberrettersheim
"Ich habe eigentlich nicht damit gerechnet, weit vorne zu landen", sagt die gelernte Erzieherin, die seit 2008 dem Gemeinderat angehört. Dann aber führte sie schon im ersten Wahlgang mit klarem Vorsprung. Weil es für die absolute Mehrheit nicht reichte, ging es mit ihrem Kollegen Paul Wunderlich in eine Stichwahl, bei der sich Katharina Fries mit 75 Prozent der Stimmen durchsetzte.
Zurück nach Breitbrunn. "Wir wollen und wir werden im Mai einen Bürgermeister haben", bleibt Gertrud Bühl zuversichtlich. Und wenn es nicht klappt? Dass sie im Notfall zu ihrer eigenen Wiederwahl aufruft, schließt sie derzeit aus. "Ich werde im Mai 70", sagt sie zur Begründung, lässt aber doch ein ganz kleines Hintertürchen offen: "Ich lasse die Gemeinde nicht im Stich."