Es hätte eine große Veranstaltung werden sollen, bei der zahlreiche Zuschauer die Gelegenheit bekommen sollten, ein nicht alltägliches Ereignis zu beobachten: Das "Einschwimmen" einer Brücke. Denn am Samstag kommt im Zuge des Neubaus der Mainbrücke bei Horhausen die Stahlkonstruktion, die künftig den Fluss überspannen wird, an ihren Platz. Allerdings lassen die aktuellen Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie es nicht zu, viele Menschen vor Ort bei dem Spektakel zuschauen zu lassen. Daher hat sich das Staatliche Bauamt Schweinfurt etwas anderes einfallen lassen: Per Livestream können die Bürger das Einschwimmen der Brücke von zuhause aus verfolgen.
Großprojekt kostet 28 Millionen Euro
Der Neubau ist ein Großprojekt, das insgesamt rund 28 Millionen Euro kosten soll. Die derzeitige Brücke wurde im Jahr 1966 fertiggestellt und ist mittlerweile sanierungsbedürftig. Allerdings wären neben der aufwendigen Ertüchtigung so viele weitere Arbeiten nötig – unter anderem müsste die Brücke verbreitert werden, um Platz für einen Radweg zu schaffen –. dass das Bauamt sich letztlich für einen kompletten Neubau entschied.
"Interessant ist die Zusammensetzung des zukünftigen Brückenbauwerks bei Horhausen, denn der Brückenzug wird letztendlich aus drei Teilbauwerken bestehen", hieß es dazu im Sommer in einer Pressemitteilung des Staatlichen Bauamts Schweinfurt. Der erste 13 Meter lange Teil überquert die parallel zum Main laufende Bahnstrecke Haßfurt-Schweinfurt, darauf folgt die 40 Meter lange Vorlandbrücke, die das Land zwischen den Gleisen und dem Fluss überspannt, und schließlich die 100 Meter lange eigentliche Flussbrücke.
Eine Behelfsbrücke, die zur dauerhaften Brücke wird
Der Bau erfordert allerdings eine ausgefeilte Planung, denn über die Brücke läuft eine wichtige Verkehrsverbindung, so dass es nicht denkbar wäre, sie für den gesamten Zeitraum der Bauarbeiten zu sperren. Immerhin ist die Staatsstraße 2426, die über das Bauwerk führt, ein Autobahnzubringer zur A70, sowie die Verbindung vom Maintal in Richtung Gerolzhofen. Die Lösung: Derzeit wird neben der bestehenden Brücke eine Behelfsbrücke gebaut. Sobald diese fertig ist, kann der Verkehr über sie fließen, während die bestehende Brücke abgebrochen und an ihrer Stelle eine neue errichtet werden kann. Das gesamte Baufeld hat eine Länge von rund 600 Metern.
Eine Besonderheit: Teile der Behelfsbrücke sind so gebaut, dass sie querverschoben werden können, und somit später auch zur dauerhaften Brücke werden. An diesen Stellen werden also beim Neubau zunächst nur Pfeiler aufgestellt, auf die dann der bereits bestehende Überbau der Behelfsbrücke gesetzt wird. Das betrifft den Teil, der den Main überspannt, sowie die Vorlandbrücke. "Der Einschub bzw. der Querverschieb des montierten Stahlbogens dauert in der Regel nur einen Tag", heißt es dazu in der Pressemitteilung des Bauamts.
Kein Besuch auf der Baustelle
Und eben der erste dieser beiden genannten Schritte steht am Samstag an: Der große, den Fluss überspannende Brückenbogen kommt an seinen vorläufigen Platz als Teil der Behelfsbrücke. Die Stahlkonstruktion ist 100 Meter lang, 15 Meter hoch, 17 Meter Breit und circa 1200 Tonnen schwer. Davon macht der Stahl etwa 1000 Tonnen aus, der Rest entfällt auf Aussteifungsmaterial und die bereits eingebaute Überbauschalung.
Um die Brücke auf die Behelfspfeiler zu bringen, werden die Arbeiter sie "einschwimmen". Das bedeutet: da sich schwere Lasten leichter schwimmend transportieren lassen als auf dem Landweg, werden Brücken oder Brückenteile, die über ein Gewässer führen sollen, mithilfe von Schwimmkränen oder Pontons über das Wasser an ihren Platz gebracht.
Die öffentliche Veranstaltung, die eigentlich zu diesem Anlass geplant war, hätte der Bevölkerung die Gelegenheit geben sollen, dieses Ereignis mit anzusehen. Doch die Corona-Beschränkungen machen das unmöglich. "Um Anwohner, Pendler und Technikbegeisterte auch in diesen Zeiten diesen beeindruckenden Baufortschritt miterleben zu lassen, wird das Einschwimmen am Samstag, 28. November, nun per Livestream übertragen", berichtete das Bauamt Mitte November in einer weiteren Pressemitteilung. "Aufgrund der derzeit geltenden Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie ist von einem persönlichen Erscheinen an der Baustelle unbedingt abzusehen."
100 Meter ohne Brückenpfeiler
Dass sich das Bauamt diesmal für eine Stahlbogenbrücke entschieden hat, hat auch einen Vorteil für die Sicherheit der Schifffahrt: Eine solche Konstruktion kann eine größere Strecke überbrücken als die bisherige Betonbrücke, ohne dazwischen noch einmal abgestützt zu werden. Bisher waren zwei im Fluss stehende Pfeiler nötig, um das Bauwerk sicher zu tragen. Diese machen auf dem Main als Bundeswasserstraße allerdings Maßnahmen nötig, die verhindern, dass Schiffe dagegen stoßen. Bei einer Brücke, die die gesamten 100 Meter stützenfrei überspannt, hat sich dieses Problem dagegen erledigt.
"Die Verkehrsumlegung auf die Behelfsumfahrung ist für Anfang Juli 2021 geplant", teilt Joachim Dietz vom Staatlichen Bauamt auf Nachfrage dieser Redaktion mit. Bis dahin gibt es noch einiges zu tun: Im Januar wird die Behelfsbrücke über die Bahnstrecke eingehoben, was bedeutet, dass für einige Zeit auf diesem Abschnitt keine Züge fahren können. Zudem müssen die Bauarbeiter die Verbindung zwischen den einzelnen Brückenteilen herstellen, eine Fahrbahn aufbringen, die Behelfsumfahrung an die Trasse der Staatsstraße angleichen und zahlreiche andere Arbeiten erledigen. Die neue dauerhafte Brücke soll voraussichtlich bis Ende 2022 für den Verkehr freigegeben werden.
Einen Link zum Livestream gibt es auf der Internetseite mainbruecke-horhausen.de. Der Stream startet morgens um 6 Uhr und wird die Arbeiten bis in die Abendstunden begleiten, so dass Zuschauer jederzeit die Möglichkeit haben, sich zuzuschalten. Das eigentliche Einschwimmen findet voraussichtlich am späten Vormittag statt.