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Landkreis Haßberge
Drogenkontrolle: War Polizeieinsatz unverhältnismäßig hart?
Weil sich ein Vater nach einer Drogenkontrolle im Landkreis Haßberge schützend vor seinen Sohn stellte, kam es zu einem Gerangel mit zwei Polizeibeamten. Wie das Gericht den Vorfall beurteilt.
Weil sich ein Mann mit der Polizei ein Gerangel lieferte (Symbolbild), musste er sich nun vor dem Amtsgericht Haßfurt verantworten. 
Foto: Ingo Wagner | Weil sich ein Mann mit der Polizei ein Gerangel lieferte (Symbolbild), musste er sich nun vor dem Amtsgericht Haßfurt verantworten. 
Martin Schweiger
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:06 Uhr

Eine Verkehrskontrolle am 20. August 2018 in einem kleinen Ort im Maintal ist völlig eskaliert und führte nun zu einem Prozess vor dem Amtsgericht Haßfurt. Als die beiden Polizeibeamten das Fahrzeug eines jungen Mannes anhielten, ließ der ein Druckverschluss-Tütchen mit Marihuana fallen und ergriff zu Fuß die Flucht. Er versteckte sich im elterlichen Wohnhaus.

Als die Beamten dort eintrafen, forderte sie der Vater des Gesuchten auf, das Grundstück zu verlassen. Dies taten die Ordnungshüter, kehrten aber nach kurzer Zeit zurück und kündigten an, dass Verstärkung und ein Drogenspürhund bald einträfen.

"Ihr habt doch einen Vogel", erwiderte daraufhin der Vater des flüchtigen jungen Mannes. Als er per Handy anschließend mit seinem Sohn telefonierte, eskalierte laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft die Situation.

Polizist ging bei Gerangel zu Boden

Einer der beiden Beamten griff nach dem Handy. Dabei soll sich der Vater weggedreht haben. Danach kam es laut Anklage zu einem Gerangel, bei dem beide zu Boden gingen und der Polizeibeamte sich unter anderem am Ellenbogen verletzte und eine Woche dienstunfähig war.

Als es einem der beiden Beamten gelang, das Handy des heute 59-Jährigen zu ergreifen, soll der den Beamten mit dem rechten Zeigefinger fuchtelnd angeschrien haben. Er wurde schließlich unter erheblichem Kraftaufwand zu Boden gebracht und in das Polizeiauto getragen.

Am Mittwoch musste sich der 59-Jährige am Amtsgericht Haßfurt wegen Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und fahrlässiger Körperverletzung verantworten. "Das stimmt nicht so!", ließ er das Gericht wissen. Er sei "in keinster Weise aggressiv gewesen", gab er zu Protokoll. "Ihr habt doch einen Vogel", habe er gesagt, jedoch nicht gedacht, dass dies eine Beleidigung sei.

Beamter wirkte, als ob er "Schaum vor dem Mund" hat

Beim Versuch, ihm das Handy wegzunehmen, habe ihm der Polizeibeamte das T-Shirt zerrissen und sei zu Boden gestolpert. Dabei seien dessen Utensilien weggeflogen. Anschließend sei der Beamte "wie mit Schaum vor dem Mund" auf ihn losgegangen und habe ihn gegen einen Planwagen gedrückt. Der zweite Beamte habe ihm das Handy weggenommen. Zusammen hätten sie ihn dann zum Polizeiauto gebracht. Dabei habe er sich einige Meter weit schleifen lassen, gab der Angeklagte zu.

Sein Verteidiger Willy Marquardt wertet die Polizeiaktion als unverhältnismäßig. Die Beamten seien völlig über das Ziel hinausgeschossen. Sein Mandant habe sich bereits bei beiden schriftlich entschuldigt und leide seit zweieinhalb Jahren wegen der Aktion. Er sei dabei selbst verletzt worden, was er durch ärztliche Atteste belegen könne, sagte der Anwalt.

Richterin stellt Verhältnismäßigkeit in Frage

Die Vorsitzende Richterin gab ihm ein Stück weit recht. "Ist es erforderlich, den Besitz von zehn Gramm Marihuana so zu verfolgen?", stellte sie in den Raum, wenngleich der Konsum von Marihuana tragisch sei und Psychosen auslöse.

Übrig bleibe jedoch die Beleidigung der Beamten. Die Richterin schlug eine Einstellung des Verfahrens vor, der alle Parteien zustimmten. Als Auflage muss der Angeklagte 800 Euro an das Erich-Kästner-Kinderdorf in Iphofen bezahlen und auch die Kosten seines Anwalts tragen. Der Angeklagte hatte zuvor gegen die Beamten Anzeige wegen Körperverletzung im Amt gestellt. Das Verfahren wurde eingestellt.

 
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  • rusda@web.de
    Mir stellt sich die Frage, warum die Entschuldigung über den Rechtsanwalt? Wäre doch unnötig, wenn er sich nichts vorzuwerfen hat und "ihr habt doch einen Vogel" laut seiner Ansicht keine Beleidigung wäre, außerdem die Polizei völlig unverhältnismäßig überreagiert hat? Dann brauche ich mich doch auch nicht entschuldigen! Doch ein schlechtes Gewissen und vielleicht nicht so gewesen, wie vom Rechtsanwalt geschildert?

    Wo kommen wir den außerdem hin, wenn 10 g "unbedeutend" werden und polizeiliche Maßnahmen, welche vermutlich mit der Staatsanwaltschaft abgesprochen waren, unverhältnismäßig werden? Da fanden doch schon wegen wesentlich weniger Durchsuchungen statt?

    Ich hoffe mal, der Staatsanwalt geht in Revision?
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  • p.kriebel@gmx.net
    Unausweichlich sicherlich nicht, aber sie wären nicht der Erste, der trotz einer beeindruckenden Vita so endet.
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  • haba2908
    Wenn jemand 10 g dabei hat, kann man davon ausgehen, dass in der Wohnung noch mehr sein könnte. Die folgenden Maßnahmen wie Hausdurchsuchung werden dann vom StA angeordnet u von der Polizei vollzogen. Es könnte sich ja auch um einen Jugendlichen Dealer handeln, der das Zeugs an andere Jugendliche vertickert. Die Polizisten haben nur ihren Job gemacht, wie es von ihnen erwartet wird. Genauso, wie erwartet wird, dass alle volltrunkenen Fzg-Führer aus dem Verkehr gezogen werden oder dass die Polizei gegen Steinewerfer bei Demos vorgeht. Ich weiß nicht, was die Richterin da nicht versteht oder als unverhältnismäßig ansieht?! DA liegt das Problem!
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  • rainergaiss
    Dass zwei starke Polizeibeamte zusammen einen fast 60-jährigen kaum überwältigen konnten klingt jetzt doch nicht so furchtbar plausibel.
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  • Hery.Mennig@web.de
    Ich finde, dass die Einstellung des Verfahrens ein falsches Signal der Richterin ist. Die Polizisten haben ihren Job gemacht. Schließlich ist der junge Mann geflüchtet. Deshalb mussten ihn die Polizisten verfolgen! Wo soll da eine Unverhältnismäßigkeit vorliegen?? Wenigstens kann sich das Kinderdorf über 800 € freuen. Hoffentlich kostet der Rechtsanwalt des Vaters eine ordentliche Summe.
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  • d.temming@gmx.de
    "Wenngleich der Konsum von Marihuana tragisch sei und Psychosen auslöse." Tatsächlich so tragisch? Wie Viele sind denn daran schon gestorben... und wie viele an legalem Alkoholmissbrauch oder legalem Tabakkonsum?
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  • Arcus
    @Coladeris. Da haben die Beamten sicher überreagiert. Aber ich will die Schuld für derartige Vorgänge nicht alleine auf die Polizei abwälzen. Es ist die verlogenen Drogenpolitik der regierenden Parteien in Bayern und im Bund, die zu solchen Auswüchsen führt. Mittlerweile weiß jedes Kind, daß die harte Droge Alkohol deutlich gefährlicher ist als Cannabis.
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Anstatt Polizeibeamte zu beleidigen, hätte der Herr Papa sich mal lieber seinen verzogenen Sohnemann zur Brust nehmen sollen, um ihm klar zu machen, dass das mit den Drogen gar nicht geht!
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  • Albatros
    Ein Land schafft sich ab.
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  • dbuettner0815@gmail.com
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  • kleinhenz_philipp@web.de
    Soll der „Herr Papa“ seinem volljährigen Sohn erklären, dass Cannabis ganz schlimm ist und zwangsläufig zum goldenen Schuss auf dem Bahnhofsklo führt?
    Was gar nicht geht ist der Versuch der Polizei, dem Vater das Handy aus der Hand zu reißen! Was sollte damit bezweckt werden?
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  • Albatros
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    Zitat trevor_ochmonek: "Was gar nicht geht ist der Versuch der Polizei, dem Vater das Handy aus der Hand zu reißen! Was sollte damit bezweckt werden?"

    ...ist eigentlich ganz einfach, die Polizeit kündigte dem Vater das Erscheinenen eines "Drogenspürhunds und Verstärkung" an. Der Vater, nicht blöd versuchte wohl daraufhin mit seinem Sohn zu telefonieren, vermutlich um ihn zu warnen... Das hat den Polizisten scheinbar nicht gepasst...

    Mir scheint als hätte sich hier alle Beteiligten ziemlich unklug angestellt, der Sohn weil er wegen einer Lapalie flüchtete, der Vater der die Polizisten beleidigte und seinen Sohn vor deren Augen vorwarnen wollte und letztlich die Polizisten die das weitere Vorgehen dem Vater verraten haben und letztlich möglicherweise aufgrund ihrer eigenen Gedeankenlosigkeit im Anschluss überreagiert haben...
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  • Albatros
    @trevor_ochmonek, ja, ich würde alles daran setzen und zwar auch dann, wenn mein Sohn 40 Jahre alt wäre, dass er nicht irgendwann auf einem Bahnhofskloo verreckt.
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  • kleinhenz_philipp@web.de
    Das ist sehr ehrenwert von Ihnen, auch wenn Cannabiskonsumenten nicht zwangsläufig als Drogenopfer enden - wie von Ihnen indirekt behauptet.
    Kaum zu glauben: Ich nehme seit einigen Jahren THC-reiche Cannabisblüten (aus der Apotheke) zu mir, habe einen Universitätsabschluss und gehe einer geregelten Arbeit nach. Ist mein Weg zum Bahnhofsklo Ihrer Meinung nach dennoch unausweichlich?
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  • Albatros
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