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Stettfeld
Vom Pech verfolgt? Warum eine Familie aus dem Haßbergkreis einen Hilferuf sendet – und um Spenden bittet
Anja Maier ist unheilbar krank. Als wäre das nicht genug, wurde nun das Auto, auf das sie und ihre Familie angewiesen sind, zum Raub der Flammen. Das ist ihre Geschichte.
Das Auto brennt lichterloh in der Ausfahrt bei Knetzgau: Die Familie bleibt wohl auf dem Schaden sitzen.  
Foto: Steven Maier | Das Auto brennt lichterloh in der Ausfahrt bei Knetzgau: Die Familie bleibt wohl auf dem Schaden sitzen.  
Lukas Reinhardt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:25 Uhr

Eigentlich ist es ein normaler Freitagabend. Steven Maier ist auf der Maintalautobahn in Richtung Bamberg unterwegs, auch sein Sohn und dessen Freund sitzen im Fahrzeug. Plötzlich ein lauter Knall. Rauch steigt auf aus dem Motorraum seines Ford Focus. Maier reagiert, die Ausfahrt Knetzgau ist nicht weit. Er steuert das Fahrzeug, das inzwischen eine Fahne aus dunklem Qualm hinter sich herzieht, gerade noch von der Autobahn. Ein zweiter Knall. In der Kurve der Ausfahrt kommt der Ford zum Stehen.

"Wir haben uns die wichtigsten Sachen gegriffen, sind aus dem Fahrzeug gesprungen, in dem schon der Rauch stand – dann sind die ersten Flammen aus dem Motorraum geschlagen", wird sich Maier später erinnern. Das Fahrzeug brennt Lichterloh. Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst rücken an. Bis auf eine leichte Rauchvergiftung, erzählt Maier, bleiben er und die zwei Jugendlichen unverletzt. Das war in den Abendstunden des 25. August diesen Jahres.

Doch damit endet die Geschichte nicht.

Auf das Auto angewiesen

Der Vorfall hat die Familie – Mutter Anja, Vater Steven und den gemeinsamen Sohn – stark getroffen, für sie bedeutet er beinahe den finanziellen K.o. Die Versicherung übernimmt den Schaden nicht. Doch die Maiers, die in Stettfeld leben, am östlichen Rand des Landkreis Haßberge, sind dringend auf ein Auto angewiesen. Auch und besonders wegen Anja Maiers unheilbarer Krankheit. Nach langem Überlegen haben sie sich nun für einen Schritt entschieden, der nicht leicht gefallen sei, wie die Familie im Gespräch erzählt. Im Internet hat die Familie einen Spendenaufruf gestartet: um die Schulden für den ausgebrannten Wagen, ihr einziges Auto, zu begleichen, und um einen neuen anschaffen zu können.

Steven und Anja Maier blättern sich durch die zahlreichen Ordner und Krankenakten.
Foto: Lukas Reinhardt | Steven und Anja Maier blättern sich durch die zahlreichen Ordner und Krankenakten.

Ein Rückblick: Es ist das Jahr 2013. Anja Maier arbeitet als Qualitätskontrolleurin in einem Unternehmen, das Bremskraftverstärker herstellt. Unter dem Mikroskop begutachtet sie die Bauteile mit prüfendem Blick. Eines Tages, so erinnert sich die heute 39-Jährige, spürt sie plötzlich starke Schmerzen im rechten Auge. "Ich dachte, dass ich wohl überarbeitet bin." Doch die Schmerzen lassen nicht nach. Der Arzt schickt Anja Maier ins Krankenhaus. Zwei Wochen dauern die Untersuchungen, dann folgt die erschütternde Diagnose: Multiple Sklerose, kurz: MS. "Im ersten Moment war ich erleichtert endlich zu wissen, was es ist", sagt sie rückblickend. "Nach einigen Wochen erst habe ich realisiert, was es wirklich bedeutet."

Eigenes Immunsystem greift an

Die perfide Erkrankung wird Anja Maier ihr gesamtes Leben lang begleiten: Das eigene Immunsystem greift die isolierenden Schutzhüllen der Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark an. Endzündungen sind die Folge, die sich in Schüben und in unterschiedlichen Krankheitsverläufen äußern. Im Fall der 39-Jährigen sind unter anderem die Sehnerven betroffen. "Auf dem rechten Auge sehe ich nur noch drei bis fünf Prozent", sagt sie, "auf dem linken etwa 60 Prozent." Anja Maier führt heute einen Schwerbehindertenausweis, ist ein Pflegefall der Stufe 1. Die Nerven und Muskeln schmerzen, das Laufen fällt mitunter schwer.

"Bei uns treten die unwahrscheinlichsten Dinge ein, den Sechser im Lotto gewinnen wir aber nicht."
Steven Maier, 43, Stettfeld

Wenige Wochen nach der Diagnose führen Medikamente bei Anja Maier beinahe zu einem Leberversagen. Eine Transplantation steht im Raum und kann gerade noch abgewendet werden, erzählt die 39-Jährige. "Da fühlt man sich vom Leben – Entschuldigung – so richtig verarscht", sagt sie zehn Jahre später kopfschüttelnd. Ihr Mann Steven Maier sitzt daneben und nickt: "Bei uns treten die unwahrscheinlichsten Dinge ein, den Sechser im Lotto gewinnen wir aber nicht." Damit meint der 43-Jährige auch den Vorfall, der sich Ende August auf der A 70 zugetragen hat, und von dem er bis heute nicht wirklich weiß, wie es dazu kommen konnte.

Keine Kaskoversicherung abgeschlossen

Fest steht: Den Ford, der zum Raub der Flammen wurde, hatte die Familie erst wenige Monate zuvor gebraucht angeschafft. "Es war ein ordentliches Fahrzeug mit moderner Technik wie einem Einparkassistenten", sagt Steven Maier. Rund 11.000 Euro habe das etwa zehn Jahre alte Auto demnach gekostet. Erspartes floss in das Fahrzeug, doch knapp 8000 Euro mussten die Maiers sich borgen. Und weil sie beim Ummelden ihres in die Jahre gekommenen Vorgängers auf den neueren Ford lediglich die Haftpflichtversicherungen übernahmen, also keine Kasko abschlossen, bleiben sie nun auf dem Totalschaden sitzen. "Das war natürlich ein Riesenfehler, den wir so nicht auf dem Schirm hatten", gesteht Steven Maier sich ein. "Beim nächsten Mal machen wir das natürlich anders."

Das verkohlte Fahrzeugwrack nach dem Brand. Zahlreiche Feuerwehrleute waren im Einsatz.
Foto: Steven Maier | Das verkohlte Fahrzeugwrack nach dem Brand. Zahlreiche Feuerwehrleute waren im Einsatz.

Die Abschleppkosten für das verkohlte Fahrzeugwrack belasten die Familienkasse bald wohl noch mehr. Eine genaue Summe stehe zwar noch nicht fest, aber bis zu 1000 Euro könnten anfallen. Der Fahrzeugschein verbrannte mit dem Auto, die Abmeldung bei der Behörde sei deswegen ebenfalls ein teurer Kampf gewesen.

Und da die Maiers noch nicht wissen, wer am Ende die Kosten für den Lösch- und Rettungseinsatz trägt, genauso wie für mögliche Reparaturen an der Straße, haben sie als Spendenziel die stolze Summe von 30.000 Euro angegeben. "Die Polizei hat mir tatsächlich wenig Hoffnung gemacht, dass die Haftpflicht wirklich alles übernimmt", sagt Steven Maier. Vom Allgemeinen Deutsche Automobil-Club (ADAC) sind da optimistischere Töne zu hören: In der Regel komme für Kosten wie diese die Kfz-Versicherung auf, sofern es sich um einen Unfall und nicht um Brandstiftung handle, heißt es auf Nachfrage.

Viele Fahrten mit dem Auto nötig

Wie es am Ende tatsächlich ausgeht, bleibt offen. Klar aber ist, dass die Familie ein neues Auto dringend benötigt, die finanziellen Mittel jedoch nicht zur Verfügung stehen, sagt Steven Maier. "Aktuell fahren wir das Auto der Mutter, das ist keine Dauerlösung", erklärt er. Seine Frau, die Erwerbsminderungsrente bezieht, müsse wegen ihrer Krankheit zwei Mal in der Woche nach Bamberg zum Arzt, zudem zur Therapie. Steven Maier selber arbeitet in der Domstadt als Bauzeichner, zu Hause im Büro zu arbeiten sei nur selten möglich. Beinah täglich bringe er zudem seinen 17-jährigen Sohn zum Ausbildungsplatz nach Strullendorf, und zurück. Die Anbindung an den ÖPNV ist in Stettfeld schwierig.  

"Wir leben nicht in Armut", betont Steven Maier. Doch anders wisse er sich und seiner Familie nach diesem erneuten Rückschlag nicht zu helfen. Nicht nur die vielen Fahrten kosteten Geld. Auch die Medikamente und Therapien seiner Frau würden teils nicht vollständig übernommen. Sie seien deshalb glücklich über jede Summe, die ihnen durch diese schwierige Zeit hilft, sagen sie.

Den Spendenaufruf der Familie finden Interessierte unter: www.spendenseite.de

Den Spendenaufruf der Familie finden Interessierte unter: https://www.spendenseite.de/familie-braucht-hilfe-nach-brand/-64972

 
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Kommentare
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  • Lukas Reinhardt
    Hallo Herr Gasparovic, danke für Ihr Feedback. Sie erwähnen es selber: Die hundertprozentige Klarheit gibt es nicht, auch da Versicherungen immer wieder auch versuchen, sich aus der Haftung zu nehmen.

    In diesem Beitrag ging es zunächst darum, die Geschichte der Familie darzulegen. In einem weiteren Beitrag werden wir noch ausführlicher Expertinnen und Experten zu Wort kommen lassen.

    Beste Grüße
    Lukas Reinhardt
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  • Dominik Temming
    Das mit der Krankheit bedauere ich sehr und ich wünsche der Familie von Herzen alles Gute. Aber Spenden? Nope! Es gibt Versicherungen, die das alles abgedeckt hätten. Er hat den Beitrag eingespart und hat somit das Risiko in Kauf genommen, im Schadenfall alles zu verlieren. Also unverschuldet ist die Situation nicht. Diese Spendenaktion ist ein Schlag für alle, die brav ohne zu meckern ihre Versicherungsbeiträge zahlen. Oder verzichten wir jetzt alle darauf und betteln dann öffentlich um Geld?
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  • Mirko Gasparovic
    Gerade echt eine pechsträhne, doch hätte hier die Mainpost auch aufklären können statt nur einen Beitrag voller Unsicherheiten zu schreiben.
    Solange der Brand nicht durch Vorsatz oder fahrlässigkeit entstanden ist wird der Feuerwehr Einsatz von der Gemeinde getragen. Beseitigung von umweltschäden durch die kfz Haftpflicht, welche aber evtl. Auch das löschen bezahlen muss. In keinem Fall die Halter des Fahrzeugs.
    Das abschleppen würde eh nicht von der Kasko bezahlt, dazu gibt es schon Urteile, die Richter empfehlen allerdings an die Haftpflicht heranzutreten, ob diese Zahlen müssen würde aber nicht geklärt, da es nicht Gegenstand der Verhandlung war.

    Die Situation ist immer noch bescheiden genug für die beteiligten, doch ein wenig Recherche würde echt der Redaktion gut tun um die ganze Situation darzulegen. Mich hat das gerade mal 10 Minuten am Smartphone gekostet. Schon hatte ich passende OLG und BGH Urteile.
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  • Susanne Orf
    Danke für diese ganzen Infos - gut so was schon mal gehört zu haben.
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  • Mirko Gasparovic
    Gerne doch und Entschuldigung für die grausige Rechtschreibung, doch nicht nur habe ich das ganze am Smartphone geprüft, sondern auch getippt und da habe ich eine deutlich geringere Aufmerksamkeit bezüglich korrekter Rechtschreibung. Manchmal ist es wohl aber auch die Autokorrektur, welche mir einen Strich durch die Rechnung macht.
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