
Groß war die Gratulantenschar am Montag im Hause Schneider in Pettstadt. Denn es gab einen außergewöhnlichen Geburtstag zu feiern, bei dem das "Geburtstagskind" nicht nur anwesend war, sondern mitten im Geschehen stand und angeregt mit den Gästen plauderte. So manche Gratulantin und mancher Gratulant konnte nur neidisch staunen, wie sich Maria Schneider mit Jahreszahlen an Ereignisse aus dem vergangenen Jahrhundert erinnerte, zu aktuellen Nachrichten wie den Ukraine-Krieg ihre Meinung sagte oder sogar über die Spiele der Fußball-Europameisterschaft Bescheid wusste.
Denn Maria Schneider wurde am Montag, 8. Juli, 105 Jahre alt. Sie dürfte damit nach Frieda Geißendörfer aus Neubrunn, die am 17. Mai ihren 105. Geburtstag feierte, die zweitälteste Bürgerin im Landkreis Haßberge sein.
In ihrem Geburtsjahr 1919 geht es gerade nach dem 1. Weltkrieg um den Friedensvertrag von Versailles, und die Verfassung der Weimarer Republik tritt in Kraft. Frauen dürfen in diesem Jahr das erste Mal wählen und zwar bei den Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung im Januar. Und der 1. Mai wird 1919 zum Feiertag.
Maria Margaretha Schneider ist eine geborene Andres aus Pettstadt, ihre Mutter stammte aus der Gaststätte mit Brauerei. Sie ging zur Schule im benachbarten Kirchlauter und musste schon von klein an in der Landwirtschaft mithelfen. Im "Kriegsjahr" 1940 heiratete sie Ludwig Schneider und berichtete von einer schönen Trauung in einem Kämmerlein, in dem man auf einer Bank kniete. Ihr Schwiegervater Peter Schneider sei Bürgermeister gewesen, habe aber deswegen die Trauung nicht ausführen dürfen. So habe die Zeremonie Georg Wiesentheid vollzogen.
Seit 80 Jahren ist Maria Schneider Witwe
Weil ihr Mann im Krieg in Russland kämpfte, sei sie als junge Frau und Mutter damals in das Haus der Schwiegereltern eingezogen. Weil die Schwiegereltern schön älter warenm, musste sie den landwirtschaftlichen Betrieb führen und mit dem Pferdegespann die schwere Feldarbeit erledigen. Eine Zeitlang konnte sie dabei auf die Hilfe eines Knechtes zurückgreifen. Zu allem Unglück fiel ihr Mann 1944 auf dem Rückzug in Ungarn.
Später übernahm ihr Sohn Adolf den Betrieb, und schließlich der Enkelsohn. Maria Schneider versorgte trotzdem bis ins hohe Alter den Stall und erledigte Hausarbeiten. "Noch mit 85 Jahren habe ich im Stall gemolken und bin mit dem Melkkübel unter den Kühen herumgekrochen." Nach den schönen und schlechten Zeiten ihres Lebens befragt, meinte sie: "Urlaub hat es keinen gegeben. Urlaub war für uns höchstens die Zeit nach der Heuernte. Da hatten wir 3 Wochen Zeit und haben die Scheune und den Hof aufgeräumt. Das war unsere schöne Zeit, bevor die Getreideernte losging." Und so seien die Jahre vergangen und sie wisse gar nicht, wohin die Zeit so schnell verrant sei.
Für das Altwerden braucht man nach Maria Schneiders Worten auch die richtige Lebenseinstellung. "Ich hatte immer viel Humor und Frohsinn gehabt und habe mich eigentlich an allem erfreuen können. Wenn ich jetzt noch einmal jung wäre, tät ich es genauso wieder machen. Als weiteres Rezept kann ich nur verraten: Die Leute müssen tüchtig arbeiten, dann bleiben sie auch so lange gesund. Ich mache es immer noch so."
Deswegen beginnt auch ihr Tag regelmäßig um 6.15 Uhr und sie trinkt ihren Kaffee. "Dann lese ich meine Zeitung, die brauch ich jeden Tag. Ich lese sie von vorne bis hinten und wenn ich es früh nicht schaffe, dann noch mittags, wenn ich mein Mittagsschläfchen gemacht habe." Aber auch die Nachrichten und Sendungen im Fernsehen aus Deutschland und der ganzen Welt verfolgt die Seniorin mit großem Interesse und kann sich einen Hinweis auf Putin nicht verkneifen.
Ein treuer Fan der Fußballnationalmannschaft
Schließlich schaut sie auch gerne Fußball, zum Beispiel jedes Spiel der Nationalmannschaft. Früher hat sie alle Namen der Spieler gekannt, heute sei das schwieriger, vor allem wegen der vielen fremd klingenden Namen. Zur aktuellen Europameisterschaft meinte sie: "Gegen Spanien konnte ich dann nicht mehr bis zum Schluss gucken. Das haben meine Nerven nicht mehr ausgehalten. Aber ich kenne noch den Thomas Müller. Ob der aber noch dabei war, weiß ich nicht mehr so genau."
Ganz genau weiß sie aber noch viele Geburtstage ihrer Pettstadter und sieht auch ihren Geburtstag in einem besonderen Licht. "Ein Pfarrer hat mir beim 100. Geburtstag gesagt, dass ich ein biblisches Alter erreicht habe. Was ist denn jetzt bei meinem 105. Geburtstag?" Sie sei auf jeden Fall sehr zufrieden, selbst wenn das Gehör nachlasse und sie auch mit dem Hörgerät nicht richtig zurechtkomme. Dann müsse man halt lauter reden. "Aber mein Gedächtnis ist noch sehr gut erhalten für mein Alter. Auf jeden Fall danke ich Gott, das ich meine Gedanken noch so gut beisammen habe. Das ist eine Gnade Gottes."
Darüber freut sich auch ihre ganze Familie, zu der Sohn Adolf, drei Enkel, vier Urenkel und zwei Ururenkel gehören. Die Glückwünsche zu diesem besonderen Geburtstag überbrachten auch der stellvertretende andrat Michael Ziegler für die Bevölkerung aus dem Landkreis Haßberge und Bürgermeister Karl-Heinz Kandler für die Gemeinde Kirchlauter.