Eigentlich geht es in einem Mehrgenerationenhaus vor allem um die Begegnung. Menschen aus verschiedenen Generationen sollen sich dort treffen und etwas voneinander und übereinander lernen. Doch wie soll das in Zeiten funktionieren, in denen das Gebot lautet, Kontakte zu vermeiden? Das Mehrgenerationenhaus (MGH) in Haßfurt hat nach Lösungen gesucht und war damit so erfolgreich, dass die Einrichtung nun mit dem bayerischen Bürgerpreis ausgezeichnet wurde.
Angebote zu den Leuten nach Hause bringen
"Wir wollten die Angebote zu den Leuten nach Hause bringen", fasst Theresa Greß, Pädagogin und stellvertretende Leiterin des Haßfurter MGH, das Konzept zusammen, mit dem die Einrichtung die Corona-Zeit zu überbrücken versucht. Dabei hilft das Internet. Schon lange gab es im Mehrgenerationenhaus neben vielen anderen Angeboten auch die Möglichkeit, zu lernen, wie man Computer oder Handys bedient. Mit Erfolg: "Wir haben auch ältere Leute dazu gebracht, die neuen Medien zu nutzen", erzählt Theresa Greß. "Wir befähigen die Leute im digitalen Umgang, so dass sie sich auch untereinander vernetzen können."
Dabei helfen vor allem freiwillig Engagierte, "die sich die Zeit nehmen, Sachen auch mal mehrfach zu erklären", sagt Sozialpädaogin Simone Hümmer, Projektmitarbeiterin in der Einrichtung des BRK. Dass so viele regelmäßige Besucher des MGH mit modernen Medien umgehen können, kommt Leiterin Gudrun Greger, ihrer Stellvertreterin Theresa Greß und all ihren haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern nun zugute: "Wir haben versucht, alle unsere Angebote irgendwie digital zu machen", sagt Theresa Greß. An manche Leute hat die Einrichtung auch für eine gewisse Zeit Tablets verliehen.
Instagram und Video-Anruf
So finden sich auf dem Insagram-Account des MGH zahlreiche Bilder und Videos. Beispielsweise von Theresa Greß, die für die Kleinen, die nun nicht mehr zum Baby- und Kleinkindertreff kommen können, Kinderlieder singt. Von dem Kubaner Guillermo Sanchez Cordero, der in spanischer Sprache für die Leute singt und ihnen Mut macht. Oder auch von Petra Schlosser, die Klavier spielt und dazu singt. Vor der Pandemie hatte die Musikerin im Mehrgenerationenhaus Treffen angeboten, bei denen die Besucher mit ihr singen konnten.
"Man sieht, wie groß das Engagement ist", freut sich Simone Hümmer. "Jeder trägt seinen Teil bei, das ergibt ein großes Ganzes", sagt auch Theresa Greß.
Auch die Patenschaften, ein anderes Projekt des MGH, können in veränderter Form weiterlaufen. Dabei geht es vor allem um Ausbildungs- und Schulbegleitung, sowie um den Spracherwerb. Sprich: Die Paten unterstützen junge Menschen beim Lernen, vom angehenden Abiturienten, der Hilfe in Mathematik braucht, bist zum Flüchtling, der Deutsch lernen will. Wo es früher Treffen im Gebäude am Haßfurter Marktplatz gab, begegnen sich Lehrer und Schüler heute per Video-Anruf. Paten, die sich nicht zutrauten, mit dieser Technik umzugehen, bekamen vom Mehrgenerationenhaus eine entsprechende Schulung.
"Das Motto hätte nicht passender sein können"
Mit all diesen Konzepten hat sich das MGH am Haßfurter Marktplatz für den bayerischen Bürgerpreis beworben. Das Motto lautete: "Neue Netze, neue Nachbarn. Gemeinsam Digital Sozial". "Als wir uns für das Thema des diesjährigen Bürgerpreises entschieden haben, wussten wir noch nicht, dass es Corona überhaupt gibt", sagt die bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner in einer Videobotschaft an die Preisträger. "Jetzt wissen wir: Das Motto hätte nicht passender sein können."
Das Video ist auf dem Youtube-Kanal des Landtags zu sehen – ebenso wie kurze Filme, in denen die verschiedenen Preisträger vorgestellt werden, darunter auch das MGH in Haßfurt. Diese Filme und Aigners Video-Ansprache ersetzen dabei die Laudatio auf die Preisträger, die unter normalen Umständen zu einer Preisverleihung nach München eingeladen gewesen wären.
Stattdessen erhielt das Mehrgenerationenhaus seine Urkunde per Post. Der Preis soll an die "stillen Helden der Demokratie" gehen, sagt Ilse Aigner in ihrer Videobotschaft. "Ehrenamt, bürgerschaftliches Engagement, Verantwortung füreinander – davon lebt unser Gemeinwesen."
Persönlicher Kontakt soll nicht ganz verschwinden
Insgesamt sieben Preisträger gibt es bayernweit in diesem Jahr, an diese wurden zwei erste, zwei zweite und drei dritte Preise vergeben. Das MGH Haßfurt als einziger Preisträger aus Unterfranken gehört dabei zu den beiden Bewerbern, die einen zweiten Preis bekamen, der mit 7500 Euro dotiert ist.
"Gemeinsam analog und digital vernetzt" heißt das Projekt der BRK-Einrichtung. Der Name sagt es schon: Bei allen digitalen Möglichkeiten wollen die Mitarbeiter auch den persönlichen Kontakt im Rahmen des Möglichen aufrechterhalten. Selbst in der Zeit des Lockdowns sind zumindest noch Angebote mit Eins-zu-eins-Betreuung möglich, sowie Spaziergänge mit älteren Menschen oder Botengänge, die MGH-Mitarbeiter übernehmen. Es gehe eben auch darum, dass die Menschen nicht vereinsamen. Zwar ist die Eingangstür des Mehrgenerationenhauses derzeit verschlossen, mit einem Termin sind aber dennoch bestimmte Angebote möglich. Darüber freut sich auch die 82-jährige Ella Gurland, eine regelmäßige Nutzerin der MGH-Angebote. Sie ist in dem Film zu sehen, mit dem das MGH auf dem Youtube-Kanal des Landtags vorgestellt wird. Dort sagt sie: "Wenn man niemanden hat und man weiß, wo man hin kann, das ist schön."