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Kreis Haßberge
Vermeintlich verwaiste Jungtiere in Feld und Flur: Warum Sie diese nicht einfach aufsammeln sollten
Jungtiere, die ruhig irgendwo in der Natur verweilen, sind oftmals nicht schutzlos verwaist, sondern von den Eltern bewusst abgelegt worden. Hilfe kann da oft schaden.
Zehn bis 15 junge Feldhasen landen im Schnitt pro Jahr bei der Tierschutzinitiative Haßberge, obwohl die Tiere gar nicht auf Hilfe angewiesen gewesen wären. Sie wurden von Unwissenden eingesammelt.
Foto: Wolfgang Aull | Zehn bis 15 junge Feldhasen landen im Schnitt pro Jahr bei der Tierschutzinitiative Haßberge, obwohl die Tiere gar nicht auf Hilfe angewiesen gewesen wären. Sie wurden von Unwissenden eingesammelt.
Wolfgang Aull
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:21 Uhr

Es ist ein Bild, das das Herz erwärmen kann: Jungtiere in Sichtweite ihrer Eltern, wohlgeborgen und frohgemut erste tapsige Schritte oder unbeholfene Flugversuche unternehmend. Entsprechend herzzerreißend kann es wirken, wenn man solch ein kleines Wesen ganz alleine antrifft, augenscheinlich ohne elterlichen Schutz und daher scheinbar hilflos seinen Feinden zum Fraße ausgeliefert oder dem Hungertod entgegensehend.

Der menschliche Reflex verführt zuweilen dazu, diese offensichtlich hilfebedürftige Tierchen retten zu wollen und sie in die eigene Obhut zu nehmen. Die Redaktion hat sich erkundigt, was von solch einem Eingriff in die Natur zu halten ist.

Elterntiere kümmern sich gemeinsam um die Aufzucht der Jungtiere

Christian Bartsch ist Förster, Betriebsleiter in den Städten Eltmann und Königsberg, und Revierleiter in Eltmann. Er hat einige Erfahrung mit jungen Wildtieren. "So häufig", berichtet der Fachmann, "kommt das gar nicht vor, dass die Jungen verwaisen, da bei den meisten Tierarten beide Elternteile an der Aufzucht beteiligt sind." Wenn nun beispielsweise ein Fuchs oder ein Reh überfahren wird, schaffe es auch der andere Partner, die Jungen zu ernähren, wenn sie schon Festnahrung fressen. Ein Problem sei es nur, wenn sie noch gesäugt werden.

Doch darauf ist man vorbereitet, wie er an einem Beispiel erklärt: "Wenn wir Wildunfälle haben, im Mai, wenn die Kitze gesetzt, das heißt auf die Welt gebracht, werden und ein weibliches Reh überfahren wird, dann schauen wir, welches Kitz betroffen ist. Meist finden wir die Kleinen, weil sie in der Nähe ihrer Eltern abgelegt wurden. Dann kann man sie natürlich aufziehen lassen."

"Oft denken Leute, wenn sie einen kleinen Hasen finden oder ein Rehkitz, dass die Tiere keine Mutter mehr haben, ... das stimmt nicht."
Christian Bartsch, Förster

Bartsch klärt zudem über ein Missverständnis auf: "Oft denken Leute, wenn sie einen kleinen Hasen finden oder ein Rehkitz, dass die Tiere keine Mutter mehr haben, aber das stimmt nicht." Die Kleinen würden "belegt", also an einem bestimmten Ort sicher untergebracht für drei, vier, fünf Stunden, bis dann die Mutter wieder zum Säugen kommt. "Solange verharren die Jungen an der gleichen Stelle."

Sein Appell daher: "Finger weg von Wildtieren, wenn man meint, dass sie alleine sind." Der Forstmann appelliert in diesem Zusammenhang insbesondere an Hundebesitzerinnen und -besitzer: Diese sollen zur Setzzeit ihre Hunde nicht frei laufen lassen, damit junge Hasen oder Rehe gar nicht erst gefunden werden, denn dann läge es für die Menschen nahe zu sagen, das kleine Tierchen "nehmen wir mit". Auch anfassen solle man die Jungtiere auf keinen Fall, unterstreicht Bartsch.

Feldhasenjunge verharren wochenlang ruhig an einem Ort

Britta Merkel, die der Tierschutzinitiative (TI) Haßberge vorsteht, hat gerade einen kleinen Feldhasen zur Aufzucht. Die Fachfrau erklärt hierzu, dass Feldhasen oberirdisch setzen und die Jungen wochenlang ruhig an einem Ort verharren. Ihr Fell sei so beschaffen, dass sie von Geburt an mit jedem Wetter klarkommen. "Die Mutter geht lediglich ein- bis zweimal pro Tag bei ihnen zum Säugen vorbei." Das sei auch von der Natur so angelegt, "die Milch ist sehr fettreich".

Leider würden junge Feldhasen jedoch von unwissenden Zeitgenossinnen und -genossen regelmäßig eingesammelt, berichtet Merkel. Im Schnitt erhalte die Tierschutzinitiative hier zehn bis 15 Jungtiere pro Jahr. Diese würden dann in ihrer Obhut bleiben, bis die Kleinen ein Kilogramm Körpergewicht haben. "Dann werden sie ausgesetzt. Wir müssen immer verhindern, dass sie sich an Menschen gewöhnen." Das stünde dem Auswilderungserfolg im Weg.

Auch die TI-Vorsitzende appelliert an die Vernunft der Hundehalterinnen und -halter: Es käme erfahrungsgemäß durchaus vor, dass nicht angeleinte Hunde ganz stolz mit einem kleinen Häschen im Maul zu ihrem Frauchen oder Herrchen zurückkehren.

Vögel versorgen ihren Nachwuchs auch am Boden noch

Christian Bartsch spricht noch ein weiters Thema an: Zum Beispiel bei Schwarzstörchen, die im Wald brüten, passiere es, dass junge Vögel aus dem Nest fallen. Diese werden dann aber am Boden weitergefüttert. "Oft denken die Leute dann, dass die Tiere keine Überlebenschance haben, aber das ist die Natur, die werden dann einfach unten weitergefüttert."

Und: Sogenannte Nestflüchter halten sich während ihrer ersten Flugversuche ungefähr eine Woche lang am Boden auf, wie Britta Merkel erklärt. Solange stünden diese auch noch vollständig unter der Obhut ihrer Eltern.

Gefährlich sei es, wenn die Kleinen auf der Straße oder einem gepflasterten Gehweg landen. Hier könne man die Tiere, so ihre Empfehlung, vorsichtig in das nächste Gebüsch tragen, an einen sicheren Ort. Die Eltern würden den Ruf des Nachwuchses hören und diesen auch finden.

 
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