Es ist ein gewohntes Bild in Wahlkampfzeiten: Nicht alle Wahlplakate sind in einem guten Zustand, und oft ist nicht nur das Wetter daran schuld. "Ich habe immer wieder Plakate nachgeliefert", sagt Gerhard Zösch, Kreisgeschäftsführer der CSU. Es sei schon "an der Tagesordnung", dass Plakate dem Vandalismus zum Opfer fallen. So habe sich seine Partei schon darauf eingestellt, immer wieder mal beschädigte Plakate ersetzen zu müssen. "Ich hab in meiner Garage noch 100 bis 200 liegen", beschreibt Zösch seine Reserven. Auch in den Polizeimeldungen tauchen vermehrt Fälle von beschmierten, umgeworfenen oder zerschnittenen Plakaten auf.
Dennoch: Bisher hielten sich das Ausmaß und die Art der Beschädigungen im Vergleich zu anderen Wahlen in Grenzen, sagt Zösch. "Es ist nicht so schlimm wie bei der letzten Landtagswahl." Vor allem habe Zösch bisher in diesem Bundestagswahlkampf nur wenige Schmierereien gesehen. Wenn, dann würden die Plakate eher abgerissen.
Einige haben sich auf die Grünen eingeschossen
Diesen Eindruck teilten die Vertreter anderer Parteien nicht. Christoph Appel, Sprecher des Kreisverbandes der Grünen, sagt: "Es ist definitiv stärker als bei der Kommunalwahl oder der letzten Bundestagswahl." Ein besonderer "Hotspot" für die Zerstörung von Grünen-Plakaten sei Rauhenebrach. Doch auch andernorts würden "querbeet durch alle Parteien" fast täglich Plakate beschädigt.
SPD-Kreisvorsitzende Johanna Bamberg-Reinwand hat festgestellt, dass sich zumindest im Maintal einige Leute "auf die Grünen eingeschossen" haben. Auch sie sieht im Umgang mit Wahlplakaten eine Verschlimmerung: "Die Energie, die dahinter ist, ist eine andere", sagt sie. "Bärte, die angemalt werden, kennen wir alle", sagt sie - vor allem bei Plakaten, die in einer Höhe hängen, in der sie gut erreichbar sind. Aber dass mittlerweile Leitern und Werkzeuge mitgenommen würden, um auch weiter oben aufgehängte Plakate zu beschädigen, oder dass aus Wahlplakaten Köpfe herausgeschnitten würden, sei eine neue Dimension. "Das sind keine demokratischen Mitbewerber, das sind Demokratiefeinde", sagt sie über die Täter. Das sei zudem respektlos gegenüber den vielen Ehrenamtlichen, die die "Fußarbeit" leisten und die Plakate aufhängen.
Pubertäre Streiche oder Eingriff in einen demokratischen Prozess?
Die befragten Politiker unterscheiden klar zwischen Taten, bei denen es einfach darum geht, irgendetwas kaputt zu machen, und gezielten Angriffen auf die Plakate einer bestimmten Partei. Dabei empfinden sie diese gezielten Angriffe meist als die schlimmeren Taten – egal ob die eigene Partei betroffen ist oder eine andere. In einer Pressemitteilung der Grünen ist unter anderem von einem "Eingriff in einen demokratischen Prozess" die Rede. Doch welche Art von Vandalismus ist die häufigere?
Das scheint von Ort zu Ort und auch von Partei zu Partei unterschiedlich zu sein. "Die Mehrzahl scheint System zu haben", heißt es in der Pressemitteilung der Grünen. Parteisprecher Appel bekräftigt das im Gespräch mit dieser Redaktion: "Da wird systematisch der ganze Landkreis abgefahren." Thomas Dietzel vom Linksbündnis hingegen berichtet, in seiner Heimatstadt Hofheim habe er überwiegend Schmierereien gesehen, die als "pubertär bis lustig" einzuordnen seien, dagegen kaum ernsthafte Angriffe auf die politischen Botschaften.
Manche Parteien hat es bisher kaum getroffen
Harald Pascher, Fraktionsvorsitzender der FDP im Kreistag, berichtet im Gespräch mit dieser Redaktion, Plakate seiner Partei seien "bisher noch gar nicht betroffen gewesen". Auch Freia Lippold-Eggen, Bundestagskandidatin der AfD, antwortet auf Anfrage dieser Redaktion, in diesem Wahlkampf habe es im Haßbergkreis bisher keine Beschädigungen an ihren Plakaten gegeben. Diese hängen allerdings auch noch nicht so lange wie die Werbung anderer Parteien.
Nach den Erfahrungen aus früheren Jahren schreibt Lippold-Eggen: "Nach unserer Meinung handelte es sich eher um 'gezieltes Vorgehen' gegen unsere Partei." Sowohl abgerissene als auch beschmierte Plakate habe es bei der AfD schon gegeben. Was die Schmierereien angeht, nennt sie als Beispiele die Aufschriften "FCK AfD" und "FCK Nazis" sowie Nazisymbole. "Wer keine Argumente hat, beschädigt eben Wahlplakate."
Auch die Plakate der Linken hängen noch nicht besonders lange. Kreisrat Thomas Dietzel berichtet, an diesen hielten sich die Beschädigungen bisher in Grenzen, "aber wir haben sie auch erst letztes Wochenende aufgehängt". Dietzel hält die Wirkung von Wahlplakaten ohnehin für überschätzt. "Keiner wird wegen eines Wahlplakats seine Meinung ändern", meint er. Plakate dienten eher dazu, Präsenz zu zeigen, als jemanden ernsthaft mit den abgedruckten Fotos und Werbetexten zu überzeugen.
Was bringt es, die Beschädigungen anzuzeigen?
Und wie gehen die Parteien gegen den Vandalismus vor? Die Grünen haben in diesem Wahlkampf bereits Beschädigungen an Wahlplakaten der Polizei und dem Staatsschutz gemeldet. Auch CSU, SPD, FDP und AfD kündigen an, Vandalismus zur Anzeige zu bringen. Nur Thomas Dietzel vom Linksbündnis geht davon aus, dass es von seiner Partei keine Anzeigen gegen Unbekannt geben wird – nicht aus Milde gegenüber den Tätern, sondern weil er sich wenig davon verspricht. Wenn jemand bei der Beschädigung eines Plakates auf frischer Tat ertappt wird, dann gebe es schon eine Anzeige. Ansonsten sieht Dietzel aber kaum Erfolgsaussichten, die Täter zu ermitteln.
Darüber, welche Straftatbestände bei der Beschädigung von Plakaten infrage kommen, gibt Rechtsanwalt Alexander Wessel aus Haßfurt Auskunft. Wird ein Plakat abgerissen oder beschmiert, handle es sich um eine Sachbeschädigung. Bis vor einigen Jahren sei es noch strittig gewesen, ob eine Sachbeschädigung auch dann vorliegt, wenn ein Plakat mit Farben bemalt oder mit Aufklebern beklebt werde, die sich leicht abwaschen oder abziehen lassen, ohne Rückstände zu hinterlassen. Mittlerweile gebe es aber eine Ergänzung im Strafrecht, die Juristen gerne den "Graffiti-Paragraphen" nennen. Demnach ist eine Sachbeschädigung auch gegeben, wenn "das Erscheinungsbild einer fremden Sache" verändert wird.
Beim Strafmaß kommt es auch auf die kriminelle Energie an
Theoretisch stehen auf Sachbeschädigung Haftstrafen von bis zu zwei Jahren, bei der Beschädigung eines Wahlplakates dürfte dieser Rahmen aber gerade bei Ersttätern kaum ausgeschöpft werden. Wahrscheinlich sei eine Geldstrafe oder eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage. Dabei spiele es für das Strafmaß auch eine Rolle, wie viele Plakate derjenige beschädigt hat und wie professionell und systematisch das Vorgehen war. "Die Staatsanwaltschaft führt dann gerne die kriminelle Energie ins Feld."
Weitere Straftatbestände, die infrage kommen, seien Diebstahl, wenn jemand ein Plakat nicht nur abreißt, sondern auch mitnimmt, sowie Volksverhetzung, wenn beispielsweise Nazi-Symbole darauf geschmiert werden. Theoretisch denkbar sei auch noch eine Beleidigung, wenn die Täter diffamierende Botschaften auf die Plakate schreiben. Wobei Wessel schätzt, dass entsprechende Fälle eher selten sind.
Wenn sich Bürger dagegen wehren, dann kann ich das verstehen.