Viele Menschen seien zwar grundsätzlich dafür, Flüchtlingen zu helfen, ist Gerd Wolf überzeugt. Doch oft eben nur, "solange es nicht vor der eigenen Tür passiert". Und eben das gehe für ihn gar nicht, sagt der Vorsitzende des TV Haßfurt. Für ihn und seinen Verein gelte: "Wo wir helfen können, da helfen wir." Eben deshalb möchte der TV nun seine Tennishalle als Flüchtlingsunterkunft zur Verfügung stellen. Doch nicht allen im Verein gefällt das.
Die Tennishalle ist aus Sicht des Vereins "wunderbar geeignet"
"Das Landratsamt ist auf uns zugekommen", berichtet Wolf. Die Behörde habe dabei wohl auf die große Turnhalle abgezielt, doch diesen Wunsch habe der TV nicht erfüllen können, unter anderem weil die Waldorfschule diese für ihren Sportunterricht benötigt. "Aber die Tennishalle würde sich wunderbar anbieten", so der Vereinsvorsitzende.
Zumal die Zahl der geeigneten Räumlichkeiten ohnehin begrenzt sei. "So viele Hallen gibt es nicht, auch wenn manche Stadträte der Meinung sind, es gäbe zu viele Hallen", kann er sich einen Seitenhieb auf den langen Kampf seines Vereins um den Bau einer neuen Sporthalle nicht verkneifen.
Mitglieder sollten ihre Meinung einbringen
So gab es ein Schreiben an die Übungsleiter. In diesem wurde die Situation geschildert, zudem gab es darin eine Pro-Contra-Liste, die Argumente für und gegen die Nutzung der Halle als Flüchtlingsunterkunft aufzählt. Die einzelnen Abteilungen wurden in dem Brief aufgefordert, das Thema intern zu diskutieren, so dass die verschiedenen Sichtweisen eingebracht werden könnten, wenn der Vorstand zusammen mit dem erweiterten Vereinsausschuss eine Entscheidung trifft.
Diese Abstimmung hat mittlerweile stattgefunden. Das Ergebnis: 10 zu 3 für die Flüchtlingsunterbringung, begrenzt auf einen Zeitraum von maximal zwei Jahren. Nun liegt das Thema zur Prüfung bei der Regierung von Unterfranken, die jetzt entscheiden muss, ob die Pläne von TV und Landratsamt umgesetzt werden können. "Wir stehen bereit dafür", sagt Wolf.
Landratsamt sieht eine Kapazität von 70 bis 80 Personen
Das bestätigt auch das Landratsamt Haßberge. "Wir haben für die TV-Tennishalle ein Nutzungskonzept erstellt, das der Regierung von Unterfranken vorliegt", schreibt Behördensprecherin Moni Göhr. "Die Zustimmung der Regierung steht noch aus." Nach Angaben des Landratsamtes hätte die Tennishalle eine Kapazität für die Unterbringung von 70 bis 80 Personen.
Als Pro-Argumente wurden in dem Schreiben neben dem Beitrag zur Integration von Geflüchteten vor allem die Finanzen des TV Haßfurt genannt. Denn: Die Tennishalle ist sanierungsbedürftig, was den Verein eine Menge Geld kosten könnte. Würde der TV sie jedoch dem Landratsamt zur Verfügung stellen, würde dieses die Räume für die Flüchtlingsaufnahme herrichten und dem Verein danach in saniertem Zustand "zurückgeben" – ohne dass der TV die Arbeiten bezahlen muss.
Beschwerden kamen vor allem von Nichtmitgliedern
Auf der Contra-Seite stehen unter anderem die ablehnende Haltung mancher Menschen gegen einer Flüchtlingsaufnahme und die Einschränkungen für den Tennisbetrieb. In diesem Absatz ist auch die Rede von den Sorgen um Frauen und Kinder, die beim TV trainieren. Denn in der Tennishalle könnten vor allem Geflüchtete aus arabischen Ländern unterkommen. Sprich: Eine größere Zahl an Männern, die alleine nach Deutschland gekommen sind. "Die Ängste nehmen wir ernst, man sollte das aber nicht überdramatisieren", sagt Gerd Wolf. Da sei schon "viel Panikmache dabei".
Dass gerade Tennisspielerinnen und -spieler unzufrieden sind, dass sie "ihre" Halle wohl für einige Zeit nicht benutzen können, leuchtet dem Vereinsvorsitzenden durchaus ein. Interessant sei aber, dass die lautesten Beschwerden gegen die Entscheidung des TV-Vorstands ausgerechnet von Nichtmitgliedern gekommen seien. Und zur Wahrheit gehöre auch, dass die Tennisabteilung den Turnverein viel Geld koste, "das die anderen Abteilungen mittragen müssen".
Rücktrittsgerüchte sind laut dem Vorsitzenden "Käse"
Zuletzt war das Gerücht zu hören, aufgrund dieser Gesamtsituation wolle der gesamte TV-Vorstand nur noch die Eröffnung der neu gebauten Sporthalle abwarten und dann zurücktreten. Darauf angesprochen lacht Wolf: "Interessant, was man so alles hört." Die Rücktrittsgerüchte seien "Käse", sagt er und bekräftigt, dass er und die anderen an der Vereinsspitze sich definitiv wieder zur Wahl stellen wollen. Lediglich für einige Beisitzer-Posten würden noch mehr Leute gesucht.
Dass hier auch finanzielle, nichtaltruistische Gründe eine Rolle spielten, delegitimiert die Entscheidung in keiner Weise, sondern ist (im Gegenteil) absolut nachvollziehbar. Warum sollte man auch nicht das Uneigennützige mit dem Eigennützigen verbinden? Ich sehe darin überhaupt kein Problem.
Altruismus muss sich finanziell lohnen, sonst läßt man es lieber? Ich finde es immerhin gut, dass man die Motive so unverhohlen offenlegt.