Anfang Februar hat ein mutmaßlicher chinesischer Spionage-Ballon die USA in helle Aufregung versetzt. Er wurde schließlich über der Küste von South Carolina abgeschossen, in den Tagen danach holten die Amerikaner drei weitere rätselhafte Flugobjekte vom Himmel. Zurück bleiben Fragen, auch hierzulande: Was schwebt oder fliegt da alles im Deutschen Lauftraum und warum? Die Diskussion darüber hat nun dazu geführt, dass ein Bürger aus Haßfurt einer Beobachtung aus dem Frühjahr 2021 neue Bedeutung beimisst.
Der Haßfurter, der namentlich nicht genannt werden möchte, verbringt - ausgestattet mit Fernglas und Kamera mit Teleobjektiv - manche Stunde in seinem Garten und sucht den Himmel nach Flugzeugen ab. Eine Art Hobby, für die es sogar einen eigenen Ausdruck gibt: Planespotting, für die englischen Wörter für Flugzeug (plane) und sehen, entdecken, erkennen (to spot). Die Flughäfen Nürnberg, München und Frankfurt sind nahe, viele Maschinen sind dort gestartet oder wollen dort landen und fliegen deshalb über dem mittleren Maintal nicht allzu hoch. Oft lassen sich das Logo oder die Kennung der Airline im Fernglas erkennen. Ein Vergleich mit dem Online-Dienst Flightradar24, das die Positionen von Flugzeugen in Echtzeit darstellt, und schon ist ein Flieger beziehungsweise Flug eindeutig identifiziert.
Wie dem auch sei: Der Haßfurter verfügt durchaus über Erfahrung im "Ausspähen" des Luftraums. Umso verblüffter war er, als er am 2. Juni 2021, das war ein Mittwoch, am frühen Abend wieder nach Fliegern Ausschau hielt. Da entdeckte er gegen 18 Uhr einen "zylindrischen Körper, der hochkant am Himmel stand". Der Augenzeuge spricht von einem "ballonartigen Ding", das sich "verdammt weit oben" befunden habe, jenseits der Flughöhe der Passagiermaschinen. Und die Dimensionen? Vielleicht 25 Meter im Durchmesser und 70 Meter in der Höhe schätzt der Beobachter aufgrund des Vergleichs mit Flugzeugen, die sich von ihm aus gesehen nahe an dem merkwürdigen Flugobjekt vorbei bewegt haben. "Das ganze Objekt war mir von Anfang an suspekt", gibt der Mann seine damalige Empfindung wieder.
Zweieinhalb Stunden lang soll das Objekt für den Haßfurter per Fernglas am Himmel erkennbar gewesen sein, gelegentlich unterbrochen von darunter vorüberziehenden Wolken. Und schließlich sei es Richtung Osten aus seinem Blickfeld verschwunden. Zuvor jedoch hatte es der Haßfurt fotografiert, mit einer Spiegelreflexkamera und einem 55-300-Millimeter-Teleobjektiv. Auf den Fotos ist das Gebilde zu erkennen, jedoch nur winzig klein. Und der Fotograf bedauert es, dass er nicht in jeden Augenblicken den Auslöser gedrückt hat, als das "Ufo" zusammen mit einem Flugzeug im Bild war. Dann hätte man einen Größenvergleich und einen Anhalt für die Flughöhe gehabt. Zu sehen ist eine Art senkrecht stehendes, weiß leuchtendes "Würmchen", nach oben links leicht gekrümmt, am unteren Ende mit einem schwachen rötlicher Halo.
"Ich habe keine Ahnung, was das war", sagt der Haßfurter rückblickend; aber wegen der Sache mit den Spionage-Ballons ist sein Interesse an dem geheimnisvollen Ding wieder da. Wer aber könnte für Aufklärung sorgen?
Keine Einschätzung möglich: Das Luftamt Nord ist nicht zuständig
Das Luftamt Nordbayern kann das Objekt nicht identifzieren. Auch traut sich die Behörde keine Einschätzung zu, ob es sich um einen Ballon welcher Art auch immer handeln könnte. Man sei für solche Sichtungen weder zuständig, noch würden sie hier dokumentiert, heißt es seitens der Regierung von Mittelfranken, bei der das Luftamt angesiedelt ist, auf Anfrage der Redaktion. Ein Sprecher weist darauf hin, wie wichtig es sei, bei Beobachtungen dieser Art die "potenziell hilfreichen Stellen" zeitnah zu kontaktieren. So lösche etwa die Deutsche Flugsicherung (DFS) die von ihr gespeicherten Radardaten jeweils vier Wochen nach einem Ereignis.
Von der DFS selbst heißt es dann auch, dass sie zu den Beobachtungen in Haßfurt keine Angaben machen kann und zudem keine "thematische Verantwortung für ,unbekannte Flugobjekte'" sehe. Eine Sprecherin erläuert, ihr Unternehmen leite Flugzeuge, die nach Instrumentenflugregeln fliegen, durch den deutschen Luftraum. Diese Flugzeuge würden von den Radargeräten der DFS erfasst, da sie an Bord eine entsprechende Ausstattung hätten. "Alle anderen Objekte im Luftraum können von unseren Geräten nicht identizifiert werden und daher kann ich Ihnen nicht sagen, was da von Ihrem Leser beobachtet wurde." Die DFS-Sprecherin verweist auf das Bundesverteidigungsministerium.
Bundesverteidigungsministerium schließt Spionage-Ballon aus
Auch hier weiß man nichts über den Haßfurter Vorfall. Doch ein Sprecher schließt zumindest kategorisch aus, dass es sich um einen Spionage-Ballon gehandelt haben könnte. "Davon haben wir im deutschen Luftraum keine Kenntnis", lautet die Antwort. Im Ministerium geht man offenbar davon aus, dass diese Art des Ausspähens aus der Luft nicht unentdeckt bliebe. "Unserer Radarsysteme überwachen den Luftraum rund um die Uhr", erklärt der Sprecher. Und deutet an, was passieren könnte, wenn doch einmal ein Spionage-Ballon auftauchen sollte: "Unsere Eurofighter stehen permanent bereit, um aufzusteigen."
Wohl weiß man aber im Bundesverteidigungsministerium, dass in Deutschland jährlich unzählige unbemannte Ballons aufsteigen. Bis zu 15.000 sollen es nach Schätzung der DFS sein, etwa die Hälfte davon Wetterballons des Deutschen Wetterdienstes. Hinzu komme eine kaum zu schätzende Zahl von Ballons, die "Bastler und Hobbyforscher" in die Atmoshäre schicken, verrät der Ministeriumssprecher. Insgesamt gebe es somit viele Sichtungen und Nachfragen in seinem Hause, "aber das können wir natürlich nicht alles analysieren." Für Bundeswehr und Bundesverteidigungsministerium aber kein Grund zur Beunruhigung.
Weltraumforscher Kayal: Haßfurter Objekt kommt in Ufo-Datenbank
Und zu diesem Ergebnis kommt auch Hakan Kayal. Etwas "besonders Aufregendes" kann der Würzburger Professor für Raumfahrttechnik in dem Haßfurter Flugobjekt aufgrund der ihm vorgelegten Beschreibung und Fotos nicht entdecken. Kayal ist Spezialist für unerklärliche Himmelsphänomene und arbeitet am Interdisziplinären Zentrum für Extraterrestrik (Ifex) der Würzburger Uni. Um was es sich handeln könnte, vermag auch Kayal nicht zu sagen. Auch er verweist auf die vielen Ballons, die irgendwo in der Lufthülle über Deutschland unterwegs sind, auf glitzernde Folienballons, die zur Partyzeit im Sommer Hochkonjunktur haben, auf Ballons, die zu Geburtstagsfeiern aufsteigen, oder Drohnen, die unerlaubt (hoch) unterwegs sind - und dann immer wieder bei Beobachtungen zu Irritationen führen können.
Und so kann er auch im Haßfurter Fall keine "außergewöhnlichen Aspekte" erkennen, etwa weil das rätselhafte Objekt offenbar weder eine besondere Beschleunigung hingelegt noch einen Zickzackkurs eingeschlagen hat, wie man es vielleicht von einem "echten Ufo" erwarten würde. Nichtsdestotrotz will der Professor die Haßfurter Sichtung in die Ufo-Datenbank eintragen lassen. Und vielleicht melden sich auf diesen Bericht hin weitere Menschen, die am 2. Juni 2021 dasselbe Objekt gesehen haben wie der hier zitierte Leser. Vielleicht können sie weitere Details dazu beitragen und schließlich mithelfen, doch noch zu klären, was da vor gut 20 Monaten am Haßfurter Himmel los war.
Ich war´s.
Wenn dem so ist dann frage ich mich ernsthaft warum solche miesen Fotos herauskamen? Die Gegenheiten des Gegenstands, der ungefähren Maßen und der langen Sichtbarkeit sind ja alle im Artikel beschrieben? Unter den gegebenen Umständen bekommt man doch mit einer miesen Ausrüstung bessere Fotos?
https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/wuerzburg-warum-ein-fliegender-schraubenzieher-fuer-aufsehen-sorgte-art-10674652