
Günther Reiß, Helmut Nikol, Gudrun Schell und Manfred Kirchner sind längst Rentner, dennoch gehen sie regelmäßig in die Uni. Immer freitags kommen sie nach Bamberg, um in der Archäologiewerkstatt am Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit Geschichte zu erforschen. Derzeit beschäftigen sie sich mit dem Wahrzeichen von Eltmann, der Wallburg.
Die Archäologiewerkstatt wurde von Britta Ziegler vor zehn Jahren ins Leben gerufen, im Rahmen eines Promotionsthemas. Die Fragestellung war damals, wie Ehrenamtliche einerseits der Forschung Impulse geben können und andererseits die Forschung und ihre Ergebnisse in die Gesellschaft tragen können. "Das historische Erbe gehört schließlich allen und sollte auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden", so Ziegler, die Ausgrabungsingenieurin ist und anschließend Denkmalpflege studierte.
Im Ruhestand Zeit für das Hobby gefunden
Für Günther Reiß ist die Wallburg bereits das zweite Projekt, das er ehrenamtlich, aber enorm intensiv begleitet. Im Ruhestand fand er die Zeit, sich seinem Hobby Geschichte zu widmen. Er ist im Heimatgeschichtlichen Verein Eltmann und dem Historischen Verein Haßberge aktiv und gehört zu dem Kreis von Eltmannern und Limbachern, die ein Forschungsprojekt am geheimnisvollen Burgstall zwischen den beiden Orten anstießen.

Vor allem die modernen technischen Möglichkeiten faszinierten ihn. Heute ist er quasi Profi, wenn es um die Platzierung von Erdsonden geht, um per Geoelektrik historische Spuren im Untergrund zu ermitteln – ganz ohne Grabung.

Aber auch beim Graben am Burgstall war er mit dabei. Britta Ziegler leitete die Forschungsgrabungen, bei denen die Studentinnen und Studenten von Ehrenamtlichen unterstützt wurden, und war von den Ergebnissen begeistert.
Viele Funde aus dem 17. und 18. Jahrhundert
So war es nur folgerichtig, dass sie auch für eine geoelektrische Erkundung am Eltmanner Wahrzeichen, der Wallburg, gewonnen werden konnte. Über 350 Lesefunde – gegraben wurde dort nicht – aus der Zeit der Amtsburg im 17. und 18. Jahrhundert, aber auch aus späterer Zeit, als neben der Wallburg eine Trinkhalle betrieben wurde, müssen nun bearbeitet werden.

Viele der Funde kamen schon viel früher ans Licht, hatten Landwirte oder Spaziergänger sie doch schon seit Jahrzehnten beim Heimatgeschichtlichen Verein abgegeben. Etliche Gegenstände fanden sich aber auch im Brunnen der Wallburg.
Jetzt werden alle relevanten Fundstücke vermessen, gezeichnet, fotografiert und dokumentiert. Da gibt es beispielsweise "die Schüssel", eine sehr farbenfrohe, aus vielen Scherben wieder zusammengesetzte Keramik, die es den Archäologinnen und Archäologen einfach macht, denn nach dem Zusammenfügen offenbarte sie die Jahreszahl 1764.

Am Ende einer solchen Katalogisierung steht eine Publikation. "Das ist heute dank Digitalisierung viel einfacher, niemand muss ein Buch finanzieren", erklärt Ziegler. Die Universitätsbibliothek veröffentlicht die Publikation digital und jedermann und hat Zugriff. Barrierefreier kann Geschichtswissen kaum sein.
Am Platz von Günther Reiß steht auch der Nachlass von Alfred Wirth aus Eltmann mit vielen historischen Fotos, volkskundlichen und archäologischen Gegenständen. Auch der soll in der Archäologiewerkstatt digitalisiert werden.
Zieglers Wunsch: Ein Stadt-Wiki für Eltmann
Gerne würde Britta Ziegler diese Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen noch ausweiten – vor allem mit Schulen. Ein Stadt-Wiki für Eltmann hielte sie für ein sehr interessantes Projekt, wenn sie eine Kooperationsschule finden würde.

Dass so etwas gut funktioniert, zeigt der Archäologiepreis Schule, der Gesellschaft für Archäologie in Bayern e.V. und der vom Bayerischen Kultusministerium verliehene P-Seminarpreis, mit denen ihr Projekt mit einem P-Seminar am Gymnasium in Höchstadt 2023 ausgezeichnet wurde.
An den Fundstücken wird noch gearbeitet
Während die Publikation über den Burgstall bereits online ist, wird an den Fundstücken zur Wallburg noch intensiv gearbeitet. Gudrun Schell war früher Schulbuch-Redakteurin, jetzt sitzt sie neben dem früheren Maschinenbau-Techniker Manfred Kirchner und zeichnet akribisch eine Scherbe nach.
Sie war sowohl am Burgstall als auch an der Wallburg vor Ort dabei. Am gleichen Tisch sitzt Helmut Nikol. Er schrieb sich einen Monat nach Beginn seiner Rente als Gasthörer an der Otto-Friedrich-Universität ein und jetzt gehört er zum harten Kern der Archäologiewerkstatt, in der immer wieder auch Studierende dazu kommen.

Jetzt genügend Zeit zu haben für eine Leidenschaft, die früher viel zu kurz kam, das sei für sie alle erfüllend. Und auch wenn das Zeichnen auf Millimeterpapier nicht so spektakulär aussieht: Es gebe doch immer sehr spannende Momente.
Der "Herrgott von der Wallburg"
Zum Beispiel die Wahrheit über den "Herrgott von der Wallburg". Die halbe männliche Figur war ebenfalls ein Lesefund und wurde von Heimatforschern als Darstellung Jesu Christi eingeordnet. Tatsächlich handelt es sich um ein Schmuckelement eines frühbarocken Kachelofens, die wohl einst einen der Haupträume der Amtsburg schmückte.