Die Theatergruppe hat beim TSV Goßmannsdorf eine lange Geschichte. In welchem Jahr es genau losging, ist heute nicht mehr bekannt, aber nach Aussage des heutigen Regisseurs Herbert Jung muss es wohl in den 1950er Jahren gewesen sein. Seit 1995 finden die Aufführungen im neu gebauten Sportheim statt, üblicherweise im Januar. Da der Lockdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie in diesem Jahr allerdings jegliche Veranstaltung mit Publikum verhindert, hat sich der Sportverein etwas anderes einfallen lassen. Die Idee: ein "Geistertheater".
Der Verein will Lachen und Freude schenken
Der Gedanke dahinter: Auch wenn es in diesem Jahr keine Aufführung gibt, sollen Besucher, die gerne ins Theater gekommen wären, eine Eintrittskarte kaufen. Das Geld, das auf diese Weise zusammenkommt, will der TSV spenden, nämlich an den Goßmannsdorfer Kindergarten. "Mir war es wichtig, dass wir uns zur Zeit des Theaters mal zeigen", begründet Stephan Becht, zweiter Vorsitzender des TSV, die Aktion. "Wir schenken jedes Jahr ein Lächeln. Da wollen wir auch dieses Jahr Lachen und Freude schenken."
Kurz vor Weihnachten hatten Becht und Jung die Idee zu dem Geistertheater entwickelt. Ohne Pandemie hätte es zehn Vorstellungen gegeben. Das Sportheim bietet 150 Sitzplätze, wenn es als Theater genutzt wird. "Das Theater ist immer ein großes Highlight im Jahr", sagt Becht. "Da ist immer das ganze Dorf in Aktion."
"Mit jedem Betrag ist geholfen"
Fünf Euro hätte ein Ticket normalerweise gekostet. "Wir haben uns überlegt: Wir verkaufen eine Vorstellung als Geistervorstellung", meint Stephan Becht. Sprich: Die Beteiligten halten es für ein realistisches Ziel, dass 150 Leute je fünf Euro für eine Theaterkarte bezahlen, für die es dann keine Vorstellung zu sehen gibt. "Und wenn's 100 Karten sind, ist es auch ok", sagt Stephan Becht. "Mit jedem Betrag ist geholfen, für einen guten Zweck."
"Der Kindergarten war uns wichtig", sagt der stellvertretende TSV-Vorsitzende. Viele Kindergartenkinder und deren Eltern sind Mitglieder im Sportverein, deswegen sollen die kompletten Einnahmen aus dem Geistertheater den Kindern zugute kommen. Bei Susanne Saam, der Elternbeiratsvorsitzenden des Kindergartens, ist die Freude über die Aktion groß. "Wir haben jedes Jahr zwei große Feste", berichtet sie, "Das Sommerfest und den Martinsumzug." Die Einnahmen, die bei den Festen zusammenkommen, seien durchaus wichtig. "Damit müssen wir arbeiten und damit müssen wir rechnen", sagt sie.
Der ganze Kindergarten war in Quarantäne
Doch 2020 mussten beide Veranstaltungen ausfallen. Beim Sommerfest war es keine Frage, vor St. Martin wurde dagegen lange überlegt, ob es nicht doch möglich sein könnte, den Umzug in irgendeiner Form stattfinden zu lassen. "Zwei Tage vor St. Martin war dann der ganze Kindergarten in Quarantäne. Es war also doch gut, dass wir nichts geplant hatten", meint die Elternbeiratsvorsitzende. Ob sich auch mit Blick auf die nun stattfindenden Impfungen die Lage in den nächsten Monaten so weit entspannt, dass es 2021 wieder ein Sommerfest gibt, ist bisher nicht absehbar.
Um nach den beiden ausgefallenen Veranstaltungen wieder etwas Geld in die Kasse des Kindergartens zu bringen, wurden in der Adventszeit zusammen mit den Kindern Rezepthefte gestaltet und im Dorf verkauft. "Zusammen mit dem Geistertheater können wir so ziemlich alles abfangen", freut sich Susanne Saam.
Essen zum Mitnehmen hilft der Vereinskasse
Dabei hat der TSV, der den Kindergarten nun unterstützt, selbst Probleme aufgrund der Corona-Krise. Denn wie bei vielen anderen Sportvereinen haben auch in Goßmannsdorf die Maßnahmen gegen die Pandemie dazu geführt, dass viele Veranstaltungen ausfallen mussten, bei denen sonst Geld für die Vereinskasse zusammengekommen wäre. Gleichzeitig fallen Ausgaben an, schließlich kostet unter anderem die Instandhaltung der Sportanlagen einiges an Geld. Um das ein Stück weit zu kompensieren, bot der Verein im vergangenen Jahr an einigen Tagen Essen zum Mitnehmen an. Oft passierte das zu besonderen Anlässen, beispielsweise sorgte der TSV für ein Kirchweihessen oder den Kuchen zum Muttertag. Auch gegrillten Fisch konnten sich die Goßmannsdorfer schon am Sportheim abholen.
Die Suche nach dem idealen Theaterstück
Bei der Theatergruppe des Vereins ist Herbert Jung, seines Zeichens Abteilungsleiter für Gymnastik und Theater beim TSV Goßmannsdorf, derjenige, der alle Fäden in der Hand hat. Er wählt die Stücke aus, die die Gruppe auf die Bühne bringt, führt Regie und ist selbst als Schauspieler dabei. Besonders ärgerlich findet er, dass ausgerechnet in dieser Saison die Aufführung ausfallen muss, denn noch nie zuvor war ihm die Suche nach einem geeigneten Stück so schwer gefallen.
Als es mit den ersten Lockerungen der Corona-Regeln losging und viele Menschen davon ausgingen, dass die Pandemie in wenigen Monaten überstanden sein würde, war die Hoffnung groß, im Januar spielen zu können. So hatte Jung wie in jedem Jahr mehrere Theaterverlage angeschrieben, um verschiedene Schwänke und Komödien zugeschickt zu bekommen. "Man muss ja schauen: Passt es auf die Bühne? Passt es zu den Schauspielern?"
In den meisten Jahren war er nach nicht allzu langer Zeit fündig geworden. "Aber heuer war es extrem", berichtet er über die verzweifelte Suche. 64 Stücke musste er lesen – so viele wie nie zuvor in einem Jahr – und mehrmals nachbestellen, weil nichts dabei war, das seiner Meinung nach zur Goßmannsdorfer Schauspieltruppe passte. Er sei schon kurz davor gewesen, aufzugeben und die Aufführung für 2021 abzusagen, als er mit "Mein Name ist Hase" doch noch ein Stück entdeckte, das ihm gefiel.
2022 soll es weitergehen
Als der zweite Lockdown kam und klar wurde, dass es wohl doch mit Aufführungen im Januar nichts werden würde, waren die Rollen bereits verteilt und die Theatergruppe hatte zwei Leseproben hinter sich. Dennoch gibt sich der Regisseur optimistisch für die Zukunft. So lautet seine Botschaft an das Stammpublikum der Goßmannsdorfer Theateraufführungen: "Sollte Corona es zulassen, freuen wir uns, Euch nächstes Jahr alle wieder im Sportheim begrüßen zu dürfen."
Wer Karten für das Geistertheater kaufen möchte, kann sich an Stephan Becht, Tel. (0157) 30 03 85 49, oder an Susanne Saam, Tel. (09523) 50 18 00, wenden.
